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Donnerstag, 27. Juni 2024

Schön, wenn Leverkusen Hardcore dokumentiert wird Pt. IVX



...Like this! (Beyond Music: Lars, Nils, Axel, Jan, Volker, PQ" Part 1.)

Das Schöne am Schreiben für einen Zine-Blog wie diesen hier, ist, dass einem Aktualität komplett egal sein kann.
Klar ist es schön, neue, gerade erschienenen Platten zu besprechen, um ganz vorne dabei zu sein.
Aber mal ehrlich, notwendig ist das nicht.

Hier geht es nicht um Musikjournalismus, der eine gewisse Tagesaktualität als Anspruch hat, denn
1.) sollte Fanzine machen meiner Meinung nach nie einem Zeitdruck oder Aktualitätszwang unterliegen (wenigstens ein Medium sollte dem den Akteuren innewohnenden Slackertum gerecht werden) und
2.) verdient hier ja keiner Geld, ergo gibt es auch keinen Druck von irgendwelchen Werbekunden, dass man die oder jene gerade erschienene Scheibe besprechen müsste. Zeitnah am besten. Zeitnah. Ein ebenso schönes wie beschissenes Wort.

Was mich zu der vor mir liegenden Doppel-CD bringt. Die liegt hier schon länger rum, genauer gesagt, hat sie mir Jan vom TRUST 2020 zur Rezension zukommen lassen . Nun komme ich mal dazu, so kann's gehen. Geht es dann ja auch.
Also, was haben wir hier? Ein Zeitdokument könnte man es nennen, denn hier wird eine - oder vielleicht auch die? Keine Ahnung, ob es mehrere Szeneblasen da gab - Hardcore-Szene aus Leverkusen Mitte der 90er Jahre mit diversen Aufnahmen nachgewiesen.

Auf zwei CDs bekommt man einen ganzen Sack voll Aufnahmen von Bands wie John Hillerman (noch nie gehört), Beyond a Minority (kenn ich nicht), Leviathan (Noch nie gehört), Infamous Minds (kenn ich nicht), Melodic Coeroperation (noch nie gehört), Don't call me Nilsi (kenn ich nicht), The Optimist Club (noch nie gehört) La Pistola (kenn ich nicht), The Pomplautzki Expierence (???), U-Boot (noch nie gehört), Betty (kenn ich nicht), New Punkrock Elite (noch nie gehört), Die Pastellbrüder (Kenn ich nicht) geliefert.
CD 1 ist dabei ein Konvolut von Live-Aufnahmen, während CD 2 die Aufnahmen eines Tapesamplers namens "FVS goes Heavy" und eine Single namens "Fuck Music for Fuck people" zusammenfasst.

Musikalisch erinnert mich das schon an das, was Mitte der 90er oft in NRW, in den Vororten, den Reihenhaussiedlungen zu hören war. Wütender HC, der Art, wie man ihn auf Festivals wie dem Dynamo oder ähnlichem zu hören bekam, melodischer Punkrock, weil alle gerade voll auf Bad Religion (das Cover ist eh eine Referenz an deren erstes Album) abfuhren, Schlager-Indie-Dada, weil alle Helge Schneider und das 70er-Schlager-Revival gerade toll fanden. Grindcore auch. Vieles mit einer irgendwie metallischen Gitarre versehen, die im Nachhinein echt dünne klingt.

Ich kann es mir richtig vorstellen, was für Klamotten dazu getragen wurden: Kapus und Shirts von Sick Of it All, Nirvana, Biohazard oder NOFX. Baggy Pants. Dazu grungy lange Haare und irgendwer hat immer sein Skateboard dabei gehabt.
Gesoffen und gekifft wurde wahrscheinlich auch und somit unterschied sich die John-Hillermann-Clique wohl nicht allzusehr von den 90er-Punkblasen in anderen nordwestdeutschen Mittelzentren.
Diese Compilation erinnert mich an den ersten Tapesampler, den ich je rausgebracht habe. Hieß "Hamm is just a 4-letter word" und sollte einen Blick auf die Indie/Punkbands, die eben aus Hamm/Westfalen, also meinem unmittelbaren Sozialraum, kamen. Da es dort keine einheitliche Szene gab, wurde es ein bunter Teppich aus Bands, die Metal, Punk, Indie, Fun-Punk spielten. Ähnlich wie auf dieser Compilation.

Wählerisch konnte man nicht sein und auch auf dem "..Like This"-Sampler ist es ähnlich. Teilweise sehr unterschiedliche Bands, die den oben genannten Genres entsprechen. Es ging mehr darum, den geographischen Raum musikalisch abzubilden, anstatt unterschiedliche Facetten einer Musikkategorie darzustellen. Was auch nicht möglich gewesen wäre, in Hamm genausowenig wie in Leverkusen, weil es eben zuwenig Bands von einer Gattung gab. Da wäre schnell Schluß gewesen mit Sampler machen. Aber so schöne Terence Hill/Bud Spencer-Intros hatten wir damals nicht.

Diese "Like This"-Doppel_CD ist in erster Linie eine nettes Nostalgie-Zuckerbrot für alle Beteiligten - augenscheinlich nur Typen, oder sehr wenige Frauen - ob sie einen größeren Wissensgewinn für die Darstellung von Punk in Deutschland in den 90ern darstellt, müsste man diskutieren. Ich nehme die Position "Wohl eher nicht" ein.

Aber vielleicht ist dies nur ein Teil eines größeren Panoramas, wenn der die deutschsprachige Indie/Punk-Musiklandschaft vor 25-30 Jahren dargestellt werden soll.
Ich versteige mich wohl nicht, wenn ich zumindest behaupte, dass es sich dabei nicht gerade um revolutionäre Klein-Szenen handelte, die musikalisch einzigartiges geschaffen haben. Wir waren halt pickelige weiße Mittelschichtskids, die ihren Spaß haben wollten. Das hat jeden ganz woanders hingeführt. So kann's gehen.

Gary Flanell

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