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Freitag, 23. März 2012

Ein Abend mit Michael, Jakob und Tamer - Taqwacore im Roten Salon

AUf dem Weg zurück nach Kreuzberg frage ich mich, ob das alles so richtig war. Klar, was zu meckern findet man immer, aber als ich die Lesung von Michel Muhammand Knight und die dazugehörige Vorstellung der deutschen Ausgabe von Taqwacore nochmal durch meinen Kopf gehen lasse, verfestigt sich die Meinung, dass das besser hätte laufen können. An einem anderen, geeigneteren Ort. Ich meine, verdammt, wir sind in Berlin und da sollte es nicht möglich sein, eine Lesung eines der interessantesten Bücher der letzten Zeit, dass ich mit Punk beschäftigt, im angemessenen Rahmen hin zu kriegen? Aber von Anfang an.
Taqwacore. Man könnte meinen, all den Sub-Genres von Punk und Hardcore wäre so langsam nichts mehr hinzuzufügen, gibt ja mittlerweile alles mögliche mit allen möglichen weltanschaulichen und musikalischen Hintergründen: Krishnacore hier, Christenpunks, die so provokant sind wie eine Tasse Melissentee im Raumk der STille auf dem Kirchentag, da. Jüdische Skinheadbands wie Jewdriver die einen endlich mal herzhaft lachen lassen und dann wäre da noch der ganze Kram wie Death-, Jazz-, Post-, Mathcore, Street-, Garage-, 60ies-, 70s-, 80s-, 90s, Zeitmaschinen-Punk, der ganze Schubladen-Mist für etwas, das nur auf drei Akkorden aufbaut, aber sich dann doch in allen möglichen Codes neu erfindet.
Und jetzt wird also mit Muslim-Punk der nächste Hype durchs Dorf gejagt. Vielleicht bin ich deshalb umso erstaunter und interessierter an dieser Samstagabend-Veranstaltung, weil diese Kombi 1.) bei mir sensationsgeilem Bock doch mal wieder echtes Interesse geweckt hat und 2.) weil es wirklich so aussieht, als wäre ein Buch, ein bestimmtes Buch die Inspiration für gar nicht wenige junge Muslime gewesen, selber Bands zu gründen, sich selber Taqwacore zu nennen, selber eine eigene Szene zu gründen, selber die Wut rauszubrüllen und zu versuchen, die widerborstige Punkattitüde mit ihrem - nicht gänzlich in Frage gestellten - Glauben zu verbinden. Da kann man noch mal am recht aktuellen Beispiel nachvollziehen,wie sich die frühen Punkszenen geformnt haben.
Michael Muhammad Knight hat "The Taqwacores" 2004 veröffentlicht, es ist ein Roman um eine Truppe von 4-5 muslimischen Punks/Hardcorelern, die sich - eben - The Taqwacores nennen. Taqwacore ist übrigens ein Kofferwort, dass sich aus dem arabischen Wort "Taqwa" (was ungefähr mit Frömmigkeit oder Gläubigkeit übersezt werden kann) und - welche Überraschung - Hardcore.
Es geht in Knights erster fiktiven Veröffentlichung also um Punk und Islam. Oder um junge Muslime, die auch Bock auf Punk haben. Geht das denn überhaupt?
Was für einen Effekt sein Buch auf junge Muslime in den USA haben würde, hätte sich Michael M. Knight wohl nie gedacht. Aber ob bewusst oder nicht, er hat damit wohl genau den richtige Nerv getroffen, genau die richtigen Worte gefunden um das auszudrücken, was einer Menge Muslimen, die sich mit islamischen Glaubensregeln und der westlichen Kultur, in der sie ja nunmal leben, selber finden müssen. Und eben dieser Michael Knight war an diesem Samstagabend zur Präsentation der deutschen Erstausgabe der Taqwacores (nur knapp 8 Jahre nach der englischen Ausgabe, Respekt!) am letzten Tag seiner drei-tägigen Lesetour durch Deutschland (vorher waren Leipzig und Köln an der Reihe) zu Gast in Berlin. Im Roten Salon der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz. Mit dem Herausgeber der Wochenzeitung "der freitag", Jakob Augstein als Moderator und Tamer Yigit, Schauspieler und wohl auch Sänger diverser türkischer Metalbands, als Leser der deutschen Übersetzung. Ganz schön großer Zirkus für das erste deutschsprachige Buch eines amerikanischen Autors, das sich eigentlich mit einem sehr kleinen Sub-Genre einer Subkultur beschäftigt. Aber es geht natürlich auch um den Islam und wie das denn so gehen kann mit Rebellion und Glauben und all dem, Grund genug also für diverse Feuilleton- und Spexleser, angehende Geisteswissenschaftler, aber auch zahlreiche junge Muslime/Muslima mal im Roten Salon vorbeizuschauen. Und für mich auch, obwohl ich die Sache mit Augstein und dem türkischen Deathmetalkollegen gar nichts wusste. Macht aber auch nix, die beiden kannte ich bis zu dem Abend auch gar nicht. Verpasst habe ich aber damit auch nicht wirklich was.
Diese drei sitzen also gemeinsam auf der Bühne im Roten Salon: Knight links, Augstein in der Mitte und rechts daneben mit Jogginghose, Böhse-Onkelz-Shirt und Metalkutte, Tamer Yigit.
Michael M. Knight könnte gegensätzlicher nicht aussehen, denn im grauen Anzug sieht er sieht jedenfalls eher wie ein etwas verkopfter Geisteswissenschaftler aus, aus als jemand der knietief im Punkunderground unterwegs ist. Trotzdem nicht unsympathisch, was sich im Laufe des Abends immer mehr bestätigt. Er liest flüssig ein paar Passagen aus seinem Buch, kann auf Fragen und Diskussionsbeiträge souverän und unterhaltsam antworten. Ich muss sagen, dass das, was er erzählt, mir ganz gut gefällt. Ich werde jetzt nciht automatisch zum Islam konvertieren, kann aber zumidnest besser verstehen, wie Punk und Ilsam zusammengehen können. Und Mr. Knight its nun mal ziemlich smart. Aber ist das vielleicht eine typisch amerikanische Eigenart, sich einfach gut und gewählt ausdrücken zu können? Es ist jedenfalsl sehr schnell klar, dass die Sympathien der Anwesenden ganz klar bei Mr. Knight liegen. Und die anderen beiden? Vielleicht hätten die Organisatoren mal bei der Vorbereitung dieses Abends, als sie den passenden Gastgeber für diese Veranstaltung gesucht haben, mal einen Blick in die Gelben Seiten werfen sollen - Dann hätten sie wohl jemanden gefunden, der sich damit auskennt.
Jakob Augstein macht jedenfalls vom ersten Moment an den Eindruck, als gäbe es kein Thema für ihn, was weiter weg sein könnte als Muslim-Punk. Schwer vorzustellen, dass dieser extrem intellektuell wirkende Publizist überhaupt irgendwann mal auf einem Punk- oder Rock-konzert unterwegs war, ganz schwer sogar. Da hätte sich als Moderator bestimmt jemand gefunden, der sich mit der Materie etwas besser auskennt, aber vielleicht musste es der Freitags-Zeitungsmann einfach sein, weil seine Wochenzeitung zufällig der Medienpartner bei dieser Veranstaltung war(und sein Werbematerial recht aufällig im Raum verteilt hat). Warum setzt man also einen Typen dahin, der offensichtlich nicht wirklich Interesse an dem Buch und dessen Inhalt zeigt? Es war so ein bißchen eine Darstellung des abgeklärten Publizisten, der etwas von oben herab (eventuell vom Balkon seines Elfenbeinturmes?), dazu leicht ermüdet und verständnislos auf etwas schaut, was total außerhalb seines Weintrinker-Zeitungsmacher-Hochkultur-Kosmos stattfindet.
Vielleicht war auch das den Veranstaltern nicht ganz entgangen und möglicherweise wollte man dazu als Gegengewicht einen echten subkulturellen Verteter ins Bild stellen. Einen echten Rocker, möglichst mit türkischem Hintergund, am besten sogar aus Kreuzberg, das wäre ja sowas von authentisch, kredibel und so bodenständig, dass man's kaum aushält. Suchen wir uns doch einen echten Berlintürken, der eben nicht nur den ganzen Tag HipHop hört, mag man sich da von Seiten des Verlags gedacht haben. Und wen nehmen wir da, als migrantischen Alibivertreter der harten Berliner Rockmusikszene? Na, den Tamer, da ist doch so ein echt authentischer Typ. Ist ja Schauspieler. Singt in zwanzig Metalbands. Ganz verrückter Hund, der Tamer, den nehmen wir. Der liest bestimmt gern. Zumindest das stimmt, Yigit mag sehr authentisch als Berliner Strassenrocker rüberkommen (oder so wie man sich das als "freitag"-LeserIn vorstellt) er ist allerdings an diesem Abend eines nicht: gut vorbereitet.
Kämpft sich durch sein Skript und weiß oft gar nicht, wo der Text auf dem einen Zettel anfängt und auf dem anderen aufhört. Die gewisse Hilflosigkeit, aus die ihm Papa Augstein dann gutväterlich immer wieder raushilft, sorgt erstmal für Gelächter im Saal, lässt den Guten aber schnell in die Rolle des etwas blöden Metal-Prolls rutschen, der sich da irgendwie ins Gespräch zwischen den beiden intelektuellen Schwergewichte verirrt hat. Und das zieht sich nicht nur über die Lesung, sondern auch durch die anschließende Diskussion. Augstein braucht ewig, bis er, trotz immer lauter werdender Forderungen, das Publikum mit ins Gespräch einbezieht. Er will seinen Fragenkatalog (den es trotz augenscheinlichen Desinteresses gibt, hier stimmt die Vorbereitung) unbedingt durchziehen, knickt dann aber ein und dank einiger wirklich engagierter junger Frauen entwickelt sich dann doch eine lebhafte Diskussion, über Punk, über die verschiedenen Spielarten des Islam samt seinen Vorschriften und wie sie im westlichen Alltag praktizierbar sind. Eine Diskussion, die ihren Höhepunkt in der Frage erreicht, inwieweit die westlichen Staaten wirklich die Trennung von Kirche und Staat vollzogen haben, die sie für sich immer propagieren. Da wird dann auch auf einmal das Interesse des bisher recht teilnahmlos wirkenden Augstein geweckt, endlich froh, einen Streitpunkt mit Michael Knight gefunden zu haben. Für Tamer Yigit scheint das alles etwas zu hoch zu sein, in bestem Straßenköterdeutsch gibt er ab und an ein Statement zum Besten, das vielleicht irgendwas mit dem Buch und der Idee des Muslim-Punk (von der Tamer ganz gemäß dem guten, alten "No gods, no masters"-Mottos folgend, sehr wenig hält), aber wenig mit dem augenblicklichen Thema der Debatte zu tun hat. Und dann, als wirklich ein gewisser "now we can talk"-Punkt erreicht zu sein scheint, der Punkt, an dem wirklich lebhaft ein Gespräch zwischen denen auf und denen vor der Bühen stattfindet, wird - recht überraschend für alle Anwesenden - die Veranstaltung einfach beendet. Abgebrochen. Aus. Ende. Seltsam.
Moderatnix Augstein bekommt aus der Tiefe des Raumes das Zeichen für das zeitliche Ende der Veranstaltung. Michael M. Knight und Yigit posieren noch standesgemäß für ein paar Fotos, Bücher werden signiert und das war's dann. Komisches Ende, denke ich, als ich zehn Minuten später zum Alex laufe. Warum, frage ich mich, waren eigentlich so wenig Punks da? Egal ob Muslim, Atheist oder Mitglied in der Sekte des allswissenden SPaghettimonsters, DAS hier hätte an einem anderen Ort in derselben Stadt bestimmt ein größeres und interessierteres Publikum gezogen. Und damit meine ich nicht, dass Kreuzberg automatisch der bessere Stadteil für die Taqwacore-Lesung gewesen wäre. Oder lag's an der Location? An der etwas unglücklichen Auwahl der Beteiligten? Und wie war das eigentlich in Köln und Leipzig? We'll never know...