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Donnerstag, 16. Januar 2025

Schön, wenn Kuduro Gamelan kickt! Pt. I


CEMENTO ATLANTICO – Dromomania

Für die Leser diese Fanzines mag das befremdlich klingen (für 98% der Menschheit, die dies nicht lesen, jedoch ganz normal): Ich habe noch nie ein geschriebenes Wort über Musik verloren!

Meine Gehirnareale scheinen dafür bislang nicht vernetzt, denn ich deklamiere nicht beim Lesen wie mittelalterliche Skribenten oder erblicke gar geometrische Figuren wie Bach beim Musizieren.

Nun, das muss man ja auch nicht, murmelt der irritierte Leser, ein Abspielgerät genügt. Herrje, wurde hier etwa der allersimpelste Azubi drangesetzt? Ich aber rufe: Sagt dies nicht, denn wenn Ihr wüsstet, wie alt ich bin, Ihr würdet Euch schämen!

Daher beginne ich mit meinem Zeitgenossen Debussy - wie er, nachdem er ein javanisches Gamelan-Orchester in Paris erlebte - nicht mehr komponieren konnte wie zuvor. Die europäische Leitfrequenz verschob sich von streicherhaften Höhenzügen in wesentlich subterranere und polyphonere Gefilde, die der geneigte oder spektakulär ungeneignte Hörer bis da bloß als Geräusch wahrnahm. Weswegen es bei Strawinskys „Le Sacre du Printemps“ weiland zu Tumulten kam.

So was werden wir wohl kaum wieder erleben, aber „Weltmusik“ hatte lange Zeit gleichfalls mit vehementen Vorbehalten zu kämpfen – oder wurde von findigen Plattenproduzenten in eine Batik- Dudelecke gepresst. Doch die Globalisierung läuft seit X Jahrhunderten, mindestens seit der Vereenigde Oostindische Compagnie (als schlechtes Beispiel) oder Zheng He mit seiner Schatzflotte (wurde eingeäschert), warum sollte man da nicht endlich mal ein passendes musikalisches Gewand schneidern?

Und da haben wir nun diesen italienischen Kühnen, namens Alessandro Zoffoli alias Cemento Atlantico aus Cesenatico!



Und was steckt schon alles in diesem Namen! Das „opus caementitium“, der Proto-Beton des Römischen Reichs sowie der Name eines legendären Clubs in Buenos Aires (wo ich mal Silvester 1992 weilte – doch das würde den Rahmen hier völlig sprengen). Cesenatico hat einen von Leonardo da Vinci höchstselbst entworfenen Hafen und für zwei Jahre das höchste Haus Italiens (1958-60). 35 Stockwerke Stahlbeton im razzionalismo italiano – da liegt die Latte hoch.

Aber wo liegt dieses Cesenatico? Aha, an der Adria, südlich von Ravenna und nur ein paar Steinwürfe von San Marino! Ha, die älteste Republik der Welt - und so erklingen in Zoffolis Zweitwerk polyrhythmisch und ganz gleichberechtigt Dhol- und Tabla-artige Drums, Arpeggio- Bässe, Marimbas, spanische Poesie, Flamenco-Gitarren sowie Field-Recordings - und Field-Recordings gibt es auf diesem Album eine ganze Menge.

Vereint von der digitalen Audio-Werkstation, wie der Deutsche sagt. Und sind das Sarangi- Streicher? Allenthalben „a strange mixture of east and west“ wie sogleich der erste Song im voice- over feststellt. Ich höre Kuduro, denke an Burial und empfange Flamenco-Vibes – nicht alles im selben Song, sondern im Verlauf der acht, die zur Hälfte spanische Namen tragen.

Danza Negra ist für mich das atmosphärisch dichteste Stück, aber verheddern wir uns nicht in Details, die sich jederzeit ändern können. „You will feel at home here“ (Zitat aus Garawek Khaos)!



Schließen wir deshalb mit dem brieflichen Ausruf Debussys: „Ah, mein Freund, erinnere Dich der javanischen Musik, die alle Nuancen enthielt, selbst solche, die man nicht benennen kann, bei der Tonika und Dominante nichts weiter sind als nutzlose Hirngespinste zum Gebrauch für Weinekinder, die noch nichts begreifen!“

Wundert Euch ebenfalls nicht, anfangs hörte ich beim Verfassen „The Book of Taliesyn“ von den frühen Deep Purple - das erklärt einiges + die Verfremdung (sowie den Klassik-Approach) - sondern schnappt Euch Eure Boombox und nehmt DROMOMANIA hinaus in die Lande!

Bit Father Out

Das komplette Dromomania-Album von Cemento Atlantico ist auf Vinyl & CD sowie digital hier über die C.A.-Bandcamp-Seite zu kriegen.

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