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Sonntag, 11. September 2022

Schön, wenn... Pt. XXI

...Zeit keine Rolle spielt.

Und Aktualität ebenso wenig.

Und junge Menschen trotzdem Musik machen.

Deshalb ist es hier auf dem Renfield-Blog total schnuppe, ob und wann eine Rezension veröffentlicht wird.
Ich finde eh, dass gerade im Kontext von Zines und ähnlichen unkommerziellen Veröffentlichungen, die Zeit bzw. der Anspruch, zeitnah nach einer Veröffentlichung eine Rezension zu einer Platte zu schreiben, total egal ist. Erstens liest es eh fast niemand in der täglichen Flut, die so gepostet wird und zweitens hängt auch keine Konsequenz dran, wenn ein Text früher oder später geschrieben wird.
Also erstmal Salbeitee.

Und weil das keine Rolle spielt, wann die Rezension kommt - für diesen Blog zumindest - lasse ich mir Zeit, wenn es um Besprechungen geht. Ein gutes Gefühl, denn davon hängt nun wirklich nichts ab. Und diese Ruhe wahrzunehmen, nimmt dem ganzen Irrsinn, den ich täglich im Internet wahrnehme, all dieser Hektik, Hysterie und der immer schneller Abfolge von News, den Schrecken.
Die Bremse treten und sich mal wieder ordentlich verweigern: Fühlt sich ganz gut an.

Im Folgenden also die Einschätzung zu zwei Alben, die schon vor einiger Zeit im Renfield-Postksten lagen. Beide sind bei Kidnap Music erschienen.

1. WONK UNIT - Uncle Daddy

Die WONK UNIT wurde vor einiger Zeit hier schon mal besprochen, aber andere Platte. Ich habe den Eindruck, dass sie seit einiger Zeit ziemlich abgefeiert werden, aber da ich kaum noch den Bau verlasse, kann ich mich natürlich täuschen, Trotzdem: Ein paar gute Rezensionen habe ich mitbekommen, und wenn es um zeitgenössischen britischen Punk geht, der nicht irgendwas Exploited-GHB-Opa-haftes widerkäut (ist wahrscheinlich auch ein Klischee, sowas spielen sicher nur noch Ü-50er, die dass eh schon seit den 80ern kennen - und nun wirklich Punk-Opas sind), dann sind W.U. schon die richtigen.
Angenehm melodisch, hübsch abwechslungsreich und ziemlich guten Lyrics, soweit ich die beim Hören und nicht Mit-Lesen beurteilen kann. Ich weiß, dass ich bei der letzten Kritik etwas schlecht gelaunt war, weil ich irgendwie mehr Experiment erwartet habe.



Nun weiß ich, was ich bei Alex Wonk und seiner Crew zu erwarten habe und das ist total ok. Es muss ja nicht immer bis ins Unhörbare gehen, manchmal reichen ein paar hübsche Melodiebögen und gute Vocals - hier besonders, wenn Alex gesanglich von Keyboaderin Vez unterstützt wird, um die Seele zu streicheln. Dann kann es auch mal schlicht gut gemachter melodischer Punkrock sein. Zwischendurch muss ich echt an meine Lieblinge PETROGRAD denken. Würde mir sogar glatt einWonk-Unit- T-Shirt besorgen, wenn es ein hübsches gibt. Das ist schon eine große Auszeichnung.


WONK UNIT - Uncle Daddy ist so vor ca. einem Jahr bei Kidnap Music erschienen. Gibts als LP und mit DL-Code. Das wisen die, die es interessiert, sicher eh schon seit letztem Oktober.
F auf der 26-teiligen Renfield-Rezensions-Skala.

2. LYVTEN - Offbeast

Die zweite Platte, die die Kidnapskis vor einiger Zeit mal vorbei geschickt haben.

Während das Ofengemüse in der Röhre vor sich hin dampft, bleibt Zeit,um dieses Album genauer unter die Lupe zu nehmen. Gebe zu, ich habe vorher schon mal reingehört. Ist die dritte Lytven-Platte, aber das erste Album mit neuem Sänger. Soweit die Fakten. Hier, genau hier zu dieser Platte, passt der Name dieser Rezensionskolumne am besten:
Ich finde es echt gut, wenn junge Menschen, egal ob hierzulande oder in der Schweiz (da kommen Lytven her) Musik machen. Laute, schnelle Stromgitarrenmusik.
Aber..., jetzt kommt's, die bittere Wahrheit: Es rührt mich meist nicht an. Berührt mich nicht ansatzweise. Löst nix aus. Nicht mal Schulterzucken.
So ordentlich gespielter, deutschsprachiger Punk mit sackweise Melancholie, Mid-Tempo, nicht so stumpfen Lyrics, alles so TURBOSTAAT- und PASCOW-like, das ist alles schön und gut, aber es lässt mich so komplett kalt wie ein Bergsee.
Na, der Vergleich passt nicht, ein Bergsee verpasst mir echt ein großes Glücksgefühl, ob ich am Rand stehe oder mitten rein springe. Das tut "Offbeast" leider so gar nicht. Ein Song nach dem anderen, einer rein, der nächste raus.


Sorry, das ist mir alles zu gleichförmig und das ist schon seit langem das Hauptproblem mit Punkrock. Ausnahmen gibt's immer, wie z.B NOXE, aber das ist eine Band unter zig hunderten Schlappo-Lahmbands. Es wird sicher Leute geben, die Lytven total toll finden, mir fehlt hier einfach an guten, herausragenden Ideen. Offbeast von Lytven is auf Kidnap Records, erschienen, im Aril 2022. Gibt's ur auf LP, das ist gut und gelb. Das Vinyl ist gelb, heißt das. J auf der 26-teiligen Renfield-Rezensions-Skala.

Gary Flanell