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Mittwoch, 16. August 2017

Die Sendung


Gestern war Timbob Kegler im Radio zu hören, und zwar auf einem wirklich großen Sender, nämlich bei Radio Eins. Maurice Summen, Staatsakt-Chefboss, Sänger der Türen und mit Timbob über alte Kölner Zeiten verbunden (u.a. durch die gemeinsame Band ESEL) hat ihn ins Studio eingeladen, um einiges an Musik zum Thema "Underground" vorzustellen. Wer das gestern nicht hören konnte, weil er/sie beispielsweise beim Patti-Smith-Konzert in der Zitadelle Spandau war, hat nun noch sieben Tage Zeit sich die Sendung auf der RADIO EINS-Homepage anzuhören. Und wo? Hier!

Montag, 14. August 2017

Schön, wenn (junge) Menschen Musik machen Pt. VII

Neulich morgen. Habe mit meiner Freundin darüber diskutiert, was eigentlich Punk sei. Frage mich seitdem, wie wir darauf gekommen sind, auf dieses total durchgekaute Thema, wo es doch gerade weißGottBuddhaShivaAllahSpaghettimonster mal ganz andere, wichtigere Dinge auf der Welt gibt, die man diskutieren könnte. Wahrscheinlich hat es was mit dem Ausraster von Leonard Graves Phillips zu tun. Mit dem Mann, den die meisten in dem Folder "Sänger der Dickies" im Hirn abgelegt haben. Der hat nämlich bei der Warped Tour eine Zuschauerin übelst beschimpft, weil sie während des Gigs ein Pappschild dabei hatte, das ihm wohl nicht passte. Auf dem Schild stand "Teenagerinnen sollten sich keine herabwürdigenden Witze von einem widerlichen alten Mann anhören müssen." Da fühlte sich Leo wohl persönlich angegriffen und ließ eine ganze Salve von Beleidigungen ab, die allesamt total daneben waren.



Ist das Punk? Von der Bühne runter einzelne Personen beschimpfen? Ist es nicht. Es ist ziemlich armselig, sich vom sicheren Platz auf der Bühne herab eine Person aus dem Publikum rauszupicken und runterzumachen. Das ist fiese Ausnutzung einer Hierarchie, die sich durch die Situation ergibt: Hier der immer noch gefeierter Punkrock-Veteran, der sich der persönlichen Auseinandersetzung gar nicht stellen muss, weil er ja gerade eh räumlich von der Person getrennt ist, die er angemoppert hat. Und der sich vielleicht noch geil dabei vorkommt, wenn er eine Frau so vorführt. Wahrscheinlich hat es auch was damit zu tun, das es eine Frau war, die das Schild dabei hatte. Wie wäre es wohl gewesen, wenn das ein typischer Dickies-Konzertbesucher-Punk-Typ gewesen wäre?

Wir kamen dann, wie es oft der Fall ist, wenn es um das seltsame Bühnenverhalten von Punkrockern geht, auf G.G. Allin. Guter alter G.G. Allin. Der hat auch Leute beschimpft, egal ob das Frauen oder Typen waren. Aber: G.G. Allin hat das nie wie ein Prediger von der Kanzel herunter gemacht. Er war sich wahrlich nicht zu schade, in den Infight zu gehen und selber was auf die Mütze zu kriegen. Wahrscheinlich hätte er sich auch nicht einfach durch ein Pappschild derart provozieren lassen, sondern wäre komplett ohne Grund ausgerastet. Was ab einem bestimmten Punkt fester Teil der Kunstfigur Allin war, aber das ist ein anderes Thema. Er hat allerdings nie das Risiko gescheut, bei all dem selber ordentlich verprügelt zu werden. Leonard Graves Phillips (file under "der Sänger von den Dickies", you know) dagegen schon. Ist also nicht Punk, sondern eher feige und deshalb ziemlich armselig. Außerdem steht der Mann seit 40 Jahren auf der Bühne - und lässt sich dann von einer (einer!) einzigen Person derart mit einem Schild provozieren? Nicht Punk. Definitiv nicht.



Provokation. Die hat viel mit Punk zu tun. Gehörte schon, seit den Pistols und den Ramones dazu. Aber irgendwann, so scheint es, ist der Zug in die falsche Richtung abgebogen. Dann ging es nur noch darum die Leute zu provozieren, die bei den Konzerten vor der Bühne stehen. Und für die ist das dann meist aber nur ein großer Spaß. Provokation auf die eigenen Leute zu richten, ist ein bißchen sinnlos, finde ich. Denn die wissen eh, wie es gemeint ist. Oder haben eher Verständnis dafür. und mal ehrlich: Will man wirklich die Leute ärgern, die eigentlich deine Musik geil finden und eine Platten kaufen? Viel schicker wäre es doch, wenn man diejenigen ein wenig trietzen und verwirren könnte, die Punk/Punkrock nicht so wohlwollend gegenüberstehen. Dazu müsste man aber mal woanders auftreten als auf den bekannten Open-Airs oder Szenerevieren. Könnte schwierig sein, was? Aber schwierig war es für Punks am Anfang immer. Ich behaupte, dass der Punkrocker von heute aber keine große Lust mehr auf Schwierigkeiten mit der Außenwelt hat. warum auch? In seinem Umfeld fühlt er sich wohl, unter seines gleichen mit den bekannten Codes und allem drum und dran, kann ja nix passieren. Und mittlerweile weiß ja auch die letzte Oma auf dem Dorf, dass Punks ganz liebe Jungs sein können, wenn man ihnen nicht die Flausen mit Gewalt aus dem Kopf treiben will. Also ist Punk mittlerweile doch eine sehr konservative Einrichtung.



Möglicherweise muss aber eine kleine Unterscheidung vorgenommen werden zwischen Punk und Punkrock. Bela B. hat das mal in einem Interview ganz gut gesagt: Punk ist die Haltung und Punkrock ist eine Musikrichtung. Punk kann man wahrscheinlich sein, ohne es selber zu merken. Indem man immer wieder die provoziert, die es verdient haben, die halt nicht die eigene Meinung und den eigenen Geschmack teilen. Und ja, Punk hat sicher auch was mit Offenheit und Toleranz zu tun. Und auch damit, die Dinge in der Welt, die offensichtlich scheiße sind, anzuprangern. Und auch damit, andere Leute zu ermutigen, ihren Scheiß durchzuziehen, wie schwierig das auch sein mag. Offenheit, Toleranz, Empowerment - klingt wirklich sehr nach Sozialarbeitertum - vielleicht kein Zufall, dass viele Menschen mit Punkaffinität im sozialen Bereich arbeiten.
Womit Punk wenig zu tun hat, ist das reine Fachsimpeln über musikalische Feinheiten, die andauernde Erinnerung an die geilen Konzerte, die man gesehen hat und warum Band X nach dem Weggang von Gitarrist Y und dem Einsatz von Keyboards und Samples auf der neuen Platte ja überhaupt nicht mehr Punk seien. Das ist genau das, was die langhaarigen, nach Schweiß und Wein miefenden Blues-Opas in den 70ern schon gemacht haben und wogegen Punk mal angetreten ist. Scheint bei jeder Subkultur der gleiche Mist zu sein.




Puh, eigentlich wollte ich jetzt elegant zur neuen Platte von MDK überleiten. MEKANIK DESTRÜKTIW KOMANDÖH waren eine der ersten, möglicherweise die erste Punkband Berlins - den Platz könnten sie sich mit PVC teilen. So rockig wie bei Gerrit Meijer (R.I.P.) und Kollegen ging es bei der Band von Volker Hauptvogel aber nie zu. MDK waren eher dem Experimentellen zugeneigt, was verständlich ist, denn als Hauptvogel 1976 in Berlin anladet, macht er in Kreuzberg erstmal Straßentheater. Daraus entsteht dann die Band. Dass die nicht ausschließlich von stumpfen Rock beeinflusst war, lässt sich schon am Namen sehen, denn der war von einer Platte der französischen Progrock-Band Magma entliehen. Anfang der 80er sind MDK live in ganz Europa unterwegs und spielen mit der Birthday Party, den Dead Kennedys, den Einstürzenden Neubauten und allerlei ähnlichem, was später groß und berühmt werden sollte.



2017. Mit einem neuen MDK-Album (im Juni auf Destiny Records erschienen) hat wohl 1.) keiner wirklich gerechnet und 2.) möglicherweise haben auch nicht viele Leute darauf gewartet. Die Hochzeit der Band ist über 30 Jahre her, für alles, was in einer Subkultur passiert, ist sowas mit Äonen gleichzusetzen. Ist Manifestation also eine furchtbar altmodische Platte geworden? Nö. Interessant ist dieses neue MDK-Album aber schon. Weil sie so gar nichts mehr mit dem zu tun hat, was heutzutage unter Punk gemeinhin verstanden wird. Würde man es einem jungen tätowierten Menschen, der gerade bei Core-Tex oder VoPo Records die neusten Hardcore-Erscheinungen durchdiggt, vorspielen, würde er das wohl nicht wirklich als Punk bezeichnen. Durchgehend dröhnt ein Saxofon, als hätte es sich auf dem Weg zum nächsten Free-Jazzclub in der Location verirrt. Der Gesang hat nichts mit den Punkrock-üblichen Melodien zu tun, vielmehr wirkt das, was Volker Hauptvogel von sich gibt, wie Sprechgesang, der darauf scheißt, ob sich was reimt oder eben nicht. Insgesamt macht "Manifestation" eher den Eindruck einer Krautrock-Platte, die durch die Kreuzberger Punkschule gegangen ist und dabei den ein oder anderen NDW-Zeichenkurs mitgenommen hat. Monoton, treibend, aber eben nicht den Punkklischees entsprechend, die sich im Laufe der Jahre so ausgebildet haben. Ist das also Punk? Meiner Meinung nach mehr als das, was die Dickies auf den Bühnen dieser Welt so von sich geben.

(E) auf der 26teiligen Renfield-Rezensions-Skala

Gary Flanell

Sonntag, 13. August 2017

Schön, wenn (junge) Menschen Musik machen Pt. VI

Akne Kid Joe -haste nich gesehn! (7inch)

Gibt so Tage, da passt einfach alles. Und es gibt immer noch Bandnamen, da passt einfach alles. Ich spiele ja mit dem Gedanken, in ferner Zukunft den Leitfaden für die ultimative richtige Namensfindung für Punkbands (möglicher Titel: "Gary Flanells ultimate guide for the right choice of your personal punk bands name". Kurz und knackig halt.) herauszugeben. Da wird dann akribisch und wissenschaftlich die Formel erklärt, wie ein ordentlicher Punkbandname auszusehen hat, damit man die nächsten fünf Jahre im Sommer garantiert auf allen einschlägigen Open-Air-Festivals gebucht wird.



Einen ganz ordentlichen Ansatz haben in dieser Hinsicht AKNE KID JOE aus Nürnberg. Eine schöne Referenz an eine zu recht lange vergessene One-Hit-Wonder-Alternative-Schmockband aus den 90ern sichert schon mal erste Aufmerksamkeit. Der stirnrunzelnde Rezensent fragt sich allerdings direkt im Anschluß, ob dieser originelle Esprit auch auf die Musik transferiert werden kann. In dieser Hinsicht lohnt sich ein Blick auf das Label, das hinter diesem Release steht. Tante Guerilla hat's nämlich gemacht. Die sind ja sowas wie die Marke für deutschsprachigen Punk, der Klischees aus dem Weg gehen will, zuweilen aber doch einen Tacken zu ernst auf sich selbst schaut. Junge Männer mit abstrakten Tattoos und langen Bärten, die ihr Unwohlsein meist kryptisch in die Welt hinausschreien. Wo war da nochmal das Quentchen Dilettantismus, wo der erfrischende Spritzer Selbstironie?



Den haben AKNE KID JOE auf ihren fünf Tracks ihrer zitronengelben Platte ganz charmant dazugemischt. Für Tante Guerilla ein recht ungewöhnliche Veröffentlichung, denn AKJ klingen mit ihrem Billo-Keyboard, das sich da über die Lo-Fi-Gitarren legt, eher wie eine Garage-Punkband mit NDW-Einschlag. Perfektionismus ist hier nicht angesagt, dafür herrscht eine Spontaneität in Wort und Klang, den man bei vielen deutschsprachigen Bands vermisst. Texte, die kurz und knackig sind und sich - wie in "ein morgen ohne Deutschland" - irgendwo zwischen direkt-politisch, Dada und einer gesunden Deutschland-Aversion wiederfinden. So bierbäuchig-asozial wie diversen Deutschpunk-Neanderthalerbands aus der Frühzeit des Genres wird es aber zum Glück nie. Vielmehr zeigt sich hier schon der Einfluß, den PISSE in den letzten Jahren gelegt haben. An diese Urinals aus Hoyerswerda, HEIMATGLÜCK, KFC oder (sehr sehr raue) IDEAL erinnern AKNE KID JOE in ihren besten Momenten. Vielleicht nicht zu 100% in Sound, aber von der Idee, die dahintersteckt.
(F) wie Find ich abgrundtief dufte auf der 26-teiligen Renfield-Rezensions-Skala

Gary Flanell