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Freitag, 27. Oktober 2023

Konzert+++ Konzert+++Konzert+++


Jawollo Apollo!!
Endlich mal wieder schöne Musik!
Irgendwo im Osten, aber nicht allzu tief im Osten. Kurz hinter der Ringbahn, wo die hoffnungsvollen Wohnungssuchenden jetzt auch mal hinschauen, von Friedrichshain aus. Auf einer der gemütlichsten Bühnen, die diese gentrifizierte Zombie-Stadt noch zu bieten hat.

Genauer gesagt, in einem Hinterhof, in dem nun Gras wächst und früher mal alles mit Betonplatte ausgelegt war. Einem Hinterhof, in dessen dazugehörigen Hauptgebäude einst Spione spionierten, und jetzt Menschen gemeinschaftlich zusammenleben. In einem Schuppen, einem kleinen Mehrzweckgebäude im Hinterhof auf dem ehemaligen Gelände des DDR-Geheimdienstes, der sogenannten REMISE.

Also: Kommt rum und seht es euch an. Kommt vorbei und hört zu. Kommt vorbei, nehmt einen Drink und jubelt zu nettem Anti-Folk und Singer/Songwriter Zeug. Wird gemütlich.

KONZERT IN DER REMISE

Wann? 04.11., ab 20 Uhr.

Wo? Remise im Hinterhof, Magdalenenstraße 19, Haus 4, 10365 Berlin.

Wer?

DRUNK AT YOUR WEDDING (Electric folk, Berlin)

LUTZ NEUSTADT (Singer/Songwriter, Berlin)

GARY FLANELL (Silver Slacker Sounds, Berlin)


***ENGLISH VERSION***

Hell ya!

DRUNK AT YOUR WEDDING, Lutz Neustadt of LUTZILLA and Gary Flanell are playing live- somewhere on one of the coziest stages this gentrified zombie city has to offer.

Where spies once did, ehm, spy, there is a shed, a remise, a small multi-purpose building in the backyard on the former area of east german secret police HQ, there will be now music.

If you do not believe, come around and see. Come around and listen. Come around and cheer to some nice anti-folk and singer/songwriter stuff.

CONCERT @ THE REMISE

Date: 04.11., ab 20 Uhr

Location: Remise im Hinterhof, Magdalenenstraße 19, Haus 4, 10365 Berlin


Artists:

DRUNK AT YOUR WEDDING (Electric folk, Berlin)

LUTZ NEUSTADT (Singer/Songwriter, Berlin)

GARY FLANELL (Silver Slacker Sounds, Berlin)


Mittwoch, 25. Oktober 2023

Die Skizzen von Kurosawa


Seit etwa 12 Jahren wohne ich nun in Deutschland. Mal hier, mal da, aber über die Hälfte davon und mit Unterbrechungen in Berlin. Dennoch gibt es Tage, wo ich das Gefühl habe hier überhaupt nicht her zu gehören. Dank ein running-gag von mein Vater war ich mir schon sehr früh von POTUS nummer 35, JFK, und sein Position zum Berliner-Sein bewusst.
Wenn ein Typ der nicht mal in Berlin gewohnt hat sich ein Berliner nennen kann, warum sollte ich das dann nicht?

Aber als ich mich an einen letzten Juni-Tag ein kleines Arbeitspäuschen nehme und durch die Straßen von Kreuzberg spaziere, merke ich wie sich doch ein gewisses Gefühl langsam breit macht.
Ist es die Sonne, die nur so halbherzig durch grauen Wolken scheint aber doch den Fernsehturm glänzen lässt? Ist es das typische Niederländische Ehepaar was sich über die Preis von Brötchen beschwert und von den ich mich dringend mental distanzieren möchte?
In meine weite, etwas schlabberige Hosen, mit Sandalen an den Füßen und eine Club-Mate, latsche ich zu der Comic Laden in Arbeitsnähe auf der suche One-Shots, Independent-Comics und Artbooks, und das Gefühl wird größer und größer.

All das hat daran beigetragen, dass die unsterblichen Wörter von John Fitzgerald „Jack“ Kennedy voller Stolz und Gusto durch mein Kopf schießen, als wäre ich 26. Juni 1963 da gewesen:

„Ich denke, ich bin heute gefühlt dann vielleicht doch schon ein bisschen ein Berliner glaube ich.“

Mit diesem starken Gefühl der örtlichen Zugehörigkeit mach ich mich 60 Jahren und 3 Tagen später weiter auf den Weg nach den Comic Laden Modern Graphics. Bevor ich reingehe schaue ich neugierig ins Schaufenster und da steht es ja auch schon. Zwischen jede Menge größere und buntere Buchen sehe ich ein kleines, schlichteres Büchlein mit den Wörter „Akira Kurosawa“. Hat einer der wichtigste Filmmachern der Welt auch mal gezeichnet?
Das Cover, ein bisschen versteckt hinter den größeren Bücher drum herum, zeigt neben der Name des Direktors süße kleine Samurai Kritzeleien und ein großen Frosch, letzteren in einen typisch Japanischen Tuschen-Stil.

Die Idee, dass so ein Meister der Filmwelt auch ausreichend kleine Kritzeleien gemacht und gesammelt hat für ein Band, fasziniert mich.
Bestimmt ist Herr Kurosawa eines Tages, irgendwo zwischen Rashomon (1950) und Madadayo (1993) aufgestanden, hat sich ne Kippe angezündet, lamentiert das Toho ihm noch immer kein Godzilla Film drehen lässt und sich aus der Frust ans Zeichnen gesetzt hat.



Oder vielleicht würden die ganzen Skizzen und Zeichnungen von seine Enkelkinder auf den Dachboden gefunden. Voller Staub und Spinnenwebern waren sie, und die Enkelkinder haben sie liebevoll saubergemacht für die Nachwelt und ihren Portmonee.

So oder so, mir war ziemlich klar das ich es haben wollte. Doch das Buch steht im Schaufenster. Das darf man doch nicht einfach so nehmen, oder? Ich stöbere der Anstand halber noch etwas durch den Laden. Hatte ich sowieso vor, aber statt dabei nur entspannt ohne viel zu denken die viele Bücher und Comics und Merchandise anzugucken, denke ich ständig an das Kurosawa Buch.

Enfin, nach den ganzen Laden beachtet zu haben entscheide ich mir ein weiteren Comic zu genehmigen. In Junji Itos Cat Diary: Yon & Mu kauft die Verlobte von Horror Mangaka Junji Ito zwei Kätzchen. Die Geschichten sind sehr Süß und witzig, weil Katzen. Sie sind auch fürchterlich grotesk und düster gezeichnet, weil Junji Ito.

Und dann, dann tue ich es einfach: Ich grapsche das Kurosawa Buch im Schaufenster. Die Legalität dieser Aktion ist mir noch immer ein Rätsel, also kündige ich sofort an bei der Kasse, dass ich diesem eingeschweißten Buch mit meine dreckige kleine Finger wie ein Krimineller zu mir genommen habe um es zu kaufen. Voll okay, anscheinend.
Ob ich ein Kassenzettel will? Eigentlich immer. Heute aber irgendwie nicht. Den Junji Ito comic habe ich durchgeblättert und kannte ich schon. Das Kurosawa Band ist sogar noch in Folie, und ob perfekt oder bloß gut, ich kann mir nicht vorstellen das es mir nicht gefallen wurde.
„Nö, recht herzlichen dank“, sage ich mit ein Lächeln und wünsche den Verkäufer ein wunderschönen Tag. Dadurch wirke ich natürlich nochmal so extra wie ein wasch-echter Berliner.

Das Buch heißt im ganzen: „Akira Kurosawa und der meditierender Frosch“. Auf der Rückseite eine Abwanderung einer der weltweit Bekanntesten Haikus, über ein Frosch der so von „plumps“ im Teich springt. Unter den schelmischen Frosch steht Reprodukt. Neben Akira Kurosawa steht, an einer etwas verlorene Stelle, das Wort „Mahler“.

„Aha, weil er ja gemalt hat“, denke ich mir, und realisiere den Fehler den du jetzt bestimmt schon siehst sehr langsam. Denn trotz meine 12 Jahren Erfahrung mit den Uhreinwohnern dieses Landes habe ich gelegentlich noch meine Schwierigkeiten. Umlaute? Die verteile ich nach Gutdünken wie Gewürze über meine Sätze. Die ganze Fälle? Gar nicht erst mit Anfangen die zu lernen.

Es fängt an mit ein Comic-Adaption von Tagebuch eintrage einer Österreichischen Autor. Ungewöhnlich, aber eigentlich spannend. Und passend auch, denn es geht darüber wie schön es ist Geschichten zu erfinden aber wie anstrengend es manchmal ist diesen dann zu verwirklichen als, in diesem Fall, eine Bühnenproduktion. Die darauffolgende Comics irritieren dann schon etwas mehr. Ein Charakter spricht mit Österreichischen Akzent, es geht um sehr spezifische Ereignisse in der Deutschsprachige-Comicwelt und so werde ich mir so langsam von meinem Fehler bewusst.

„Mahlen“ und „malen“. Vor etwa 9 Jahre habe ich diesen Fehler schon mal gemacht. Vorher und seitdem garantiert auch, aber da ist es noch mal ein Ding gewesen. Wie hätte es auch kein Ding sein können, den „Insekten mahlen macht mir Spaß“ kann man verständlicherweise nicht einfach so stehen lassen.

Ich seufze. Kennedy und mein Vater düsen gemeinsam mit dem Auto nach Dallas und aus meine Gedanken raus um Platz zu machen für die Stimme meiner Mutter:

„Ein Lernmoment.“

Ich nehme es hin. Ich akzeptiere es. Ich war impulsiv und der Preis dafür ist anscheinend €16,-. Resigniert Blätter ich durch den Comic.
Der Autor, Nicolas Mahler, ist mittlerweile in Japan gelandet und eröffnet eine Ausstellung zu seine Werken in einem Manga-Museum. Später sehen Leser*innen die klassische japanischen Tuschbilder, von Mahler als Maler nachgemalt. Auch der frecher Frosch vom Cover ist dabei. Es kommt ein bisschen Wut hoch. Wütend bin ich sehr selten. Ausrasten weil ich mir von ein Person unfair behandelt fühle und kein andere Verteidigung sehe passiert auch kaum.

Anfänglich galt mein Wut nur das Marketingteam von Reprodukt: Lumpengesindel das ein so groß möglichen Publikum erreichen will anstatt dafür zu sorgen, dass hauptsächlich die richtige Zielgruppe den Comic kauft.
Indem man zum Beispiel den Namen des Autors nicht massiv viel kleiner schreibt als den Namen eines viel bekannteren Menschen, idealerweise vor einem lebensgroßen Frosch welchen in einem Komplett anderen Zeichen-Stil als der Rest des Comics. Ach, und mit 2 kleine süße Samurai, die nur auf 1/4 der Seiten eine Rolle spielen. Doch es stellt sich heraus, auch Herr Mahler ist in dieser Nummer nicht unschuldig.



Auf Seite 114 entschuldigt sich der Autor bei diejenige Leser*innen, denen das Buch gekauft haben weil sie dachten, es wäre Material von Akira Kurosawa. Zum Ausgleich bietet er Trivia an, gefühlt direkt aus'm Wikipedia-Artikel. Noch wie war ich so sauer auf A5 Papier.
Bestimmt sind die Comics ganz gut, vor allem wenn man sich dafür interessiert selber hauptberuflich (Comic)-Autor*in zu werden in einer der D-A-CH Länder.
Diejenige Geschichten in welchen der Autor von Begegnungen mit anderen interessante Autor*innen oder Künstler*innen fand ich am meisten Unterhaltsam, aber alles wo das Natterngezücht von Reprodukt primär über sich selbst oder seine Gedanken schreibt, da war ich aus unterschiedlichen Gründen raus.

Denn in die ewige Wörter von John Fitzgerald Kurosawa, einstiger Daimyo von Berlin:

Ein Tropfen fällt
Schaut, das Gefäß ist randvoll
Die Erbitterung

Bernard Fruithagel

Samstag, 21. Oktober 2023

Schön, wenn tote Brüder Musik machen


Vintage oder retro?
Der Unterschied ist den Kenner*innen bekannt. Alle anderen schmeißen alles in einen Topf. Es hat auf alle Fälle was mit Nostalgie zu tun. Mit Konstruktion von Erinnerungen, an Zeiten, die man selber gar nicht miterlebt hat. 20ties Revival und so. Berlin Babylon hast du geguckt und fandest es super. So eine Art von Nostalgie und Retro-Liebe. Alles zusammengebastelt aus allerlei Versatzstücken und Assoziationen.

Yah, Nostalgie. Hasse ich eigentlich. Höre ich diese Platte, werde ich dennoch nostalgisch, denn schon beim ersten Hören der neuen Platte von Pierre Omer's Swing Revue "Tropical breakdown" denke ich an zwei Läden in Berlin, wo sie ihm sicher ungehört die Tür für einen Gig aufgemacht hätten. Hätten.
Denn beide Läden, das BASSY und das WHITE TRASH, gibt's seit Jahren nicht mehr. Da hätte Pierre mit seinem Revue-Sound super hingepasst. Hier etwas Swing, da etwas Variété-Stimmung, etwas Bar-Jazz (das sanft gestrichene Schlagzeug!) fluffige Bassläufe, eine Voodoo-Hafte Quietsche-Posaune, eine Nick-Cave-artige Dunkelheit in Omars Stimme. Nick Cave aber nur, wenn der sich mal an einer Swing-Platte versucht hätte (Hat er? Die Renfield-Recherche-Abteilung hat leider gerade Urlaub.).


Alles, wie man es sich in so Läden mit schummrigen Licht, riesigen Tresen und Barschränken voller seltsamer Spiritousen, sowie allerlei schräger Trash-Deko vorstellen kann. Jetzt und heute wäre in dieser Stadt nur noch das Roadrunner's Paradise, das eine ähnliche Atmosphäre vermittelt.

Die Geister, die Clubgeister, sie halten sich immer noch in dieser mutierten Stadt.
Die Erinnerung an Clubs, die ihre Zeit hatten und nun verschwunden sind. Die Faszination des Verschwundenen hält sich über die Halloween-Saison hinaus in den Kiezen, also eigentlich immer. Der Swing-Revue von Pierre Omer hängt auch etwas Geisterhaftes an, weil die Instrument meist so getragen bedient werden, als hätten sie gerade einen Gig bei einer Bestattung (liegt wohl auch an der eleganten Bekleidung der Musker*innen) und dir zuweilen im Hintergrund Prophezeiungen zuflüstern wie Botschaften unruhiger Geister, die du nicht verstehst. Old-School-Horrormovie-Charme? Sumpfige Gothic-Atmo ohne Kunstleder-Vampir-Kitsch? Ein bißchen von beidem. Melancholie? Eine Menge.

"Give me the groove" wäre ein Prachtbeispiel für das Gefühl der Verlorenheit, die sich durch das Album zieht, textlich und musikalisch. Auch tröstlich, all das. Stelle mir vor, am Tresen zu sitzen, den Kopf vornüber auf dem eichenbraunen Holz abgelegt, im Schnapsglas irgendwas klares, das mit langsamen Schlucken den Weg in deine froschbeladene Kehle antritt. Dazu diese hübschen fatalistischen Songs.



We all gonna go, if there's a hell below, schießt es mir beim Hören durch den Kopf. Das ist von von wem anderen, musikalisch auch komplett andere Baustelle, aber die Grundstimmung ist dieselbe.

Nun ist nicht alles komplett hoffnungslos auf dieser Platte. Die Songs schlirren melancholisch daher, aber gerade das ist das Seelenpflaster für alle verwirrten Zuhörer, die nicht mehr doomscrollen wollen.

Ab und zu wird's auch mal recht flott, im Titeltrack oder bei "Leslie Kong", dem Hit am Ende, zum Beispiel. Ansonsten hät man sich tempomäßig meist zurück, die erwähnte Friedhofsgetragenheit steht den Songs sehr gut. Das trägt einiges zur Stimmng bei, besonders fällt das beim einzgen deutschsprachigen Song, "Lanen" auf. Aber auch sonst so: All diese 12 Songs sind wunderbar atmosphärisch arrangiert und in sich sehr hübsch angeordnet.
Stell dir vor, das hier wäre der Soundtrack zur 5. Staffel von Preacher, dann weißt du wohin die Reise geht. Wahrscheinlich ist es kein Zufall, dass diese Platte kurz vor Halloween rauskommt, denn auch dort könnnte das gut als Soundtrack taugen. Wobei das hier eine Tiefe vermittelt, die über den kurzen Grusel-Party-Spaß hinausgeht und dich auch im Sommer dazu bewegen könnte, das Haus nicht zu verlassen.



Zur Überschrift: Das mit den toten Brüdern kommt nicht von ungefähr, denn Pierre Omer ist einer der Gründer der DEAD BROTHERS und die sind ja mittlerweile wirklich dead, so als Band. Wer deren dräuende Befürchtungen mochte, kann auch mit dem zweiten Album der Swing Revue was anfangen. Wobei hier weniger auf Folklore zurückgegriffen wird.

Der Titel: Tropical breakdown? Ach komm, lass uns nicht über Anspielungen auf den Klimwandel spekulieren. Die Welt brennt an allen Ecken des Tischtuchs und nun gibt es auch noch passende Musik dazu. Love it.

Also: Alles ist verloren, Hoffnung gibt's keine mehr, aber wenn der Unterang von diesem Album begleitet wird, dann wird es ein schönes Sterben.

C auf der 26-teiligen Renfield-Tonträger-Bewertungs-Skala

Pierre Omer's Swing Revue "Tropical Breakdown" ist am 20. Oktober 2023 auf Voodooo Rhythm Records erschienen - wo auch sonst? Diese Rezension ist nach der Methode des "Free Writings" entstanden.