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Donnerstag, 4. Juli 2024

Schöne alte Kürbiswelt Pt. I: Herr Nussbaum bei den Smashing Pumpkins


Kommen Sie, staunen Sie!

Aber seien Sie auf der Hut! Oder dem Schlapphut.

In einer entgeisterten Stadt, die noch weniger eine solche ist, als es angeblich Bielefeld nie war. Wo die unheimlichen Besessenen Geschäftetetris in einem Minto spielen.
Deren Altstadt so alt aussieht und kopfsteingepflastert immer bergab geht. Die zwei altertümliche Hauptbahnhöfe hat. Eine Honnschaft namens Kothausen und da in steinwurfweiter Nähe auch gleich Stadien, in deren einem aufgeblasene Ledersäcke mit Füßen getreten und in deren anderem kleine Kugeln mit Holzstöcken geschlagen werden.

Stadien des Grauens. Offene Riesengruselkabinette, in denen Teilnehmerurkunden vergeben, Ehrenurkunden jedoch stets verpasst werden. Es immer im Kreis oder Oval geht, Hindernisse hindern, Sand in den Turnschuhen, zwischen den Zehen und im Bauchnabel klebt. Dann wann anders überall Bratwürste, Bratwürste, Bratwürste und die Knautschplastikbierbecher sparsam gefüllt sind. All diese schlimmen Dinge, die passieren.

Gerne hätte ich Herrn Corgan gefragt, was seine Meinung dazu sei, nämlich zu Auftritten kurz vor dem Sommer und dem Vollmond auf einer Bühne in einer Hockeyarena in Mönchengladbach, aber fürs Renfield gab's leider Platzkarte statt Access All Areas, so dass ein klärender Austausch ausbleiben musste.

(DitisnatürlichnichinMönchengladbachaberinBerlinwasjasoziemlichdasgleicheis - der Setzer)

Mit Sicherheit wären die Anmerkungen des glatzköpfigen Vampirsängers bemerkenswert gewesen, jedenfalls verwunderte er sich seinerseits im Verlauf des Abends auch ohne Nachfragen zu Ort und Zeit über andere lokale Besonderheiten wie den Abriss der Berliner Mauer, zu Techno fickende Menschen und Fußball. Wenigstens bis sein Gitarrist ihm den Mund verbat und darauf hinwies, dass es hässlich sei, wenn er rede.

Lieber dann doch Singen und Musizieren. Und sogar Tanzen! Nicht ausdauernd, aber doch ein bisschen. Und durchaus ein wenig unheimlich, schließlich wars ja auch ein Vampirzirkus, der da gastierte.

Nachdem Interpol recht blass, vielleicht tatsächlich blutleer, abgeliefert hatten, wurden sie zügig wieder eingesargt und im Nightliner verstaut, und die Kürbisse kamen über Gladbach wie ein nostalgischer Schattenwurf.

Erst etwas knarzig, leicht steif in den Gelenken, dann aber mit gebleckten Zähnen und wehendem Umhang, deutlich mehr Lautstärke als Vorband und sich dauerunterhaltende Zuschauer, zu nicht unerheblichen Anteilen in frisch gekauften 90er-Jahre oder DFB-Shirts, und Jahrmarktsmengen an Licht.
Gegen den dann knapp zweistündigen Großangriff aus Oper, Stadionrock und Musikgeschichte halfen kein Kraut, keine Brezel und keine Klamottenverfehlungen.
Souverän bis bissig bis verquast saiten- oder trommelverliebt abgespacet ballerten SM in Nachfolge von unter anderem Olé Party, Roland Kaiser und Rod Stewart Ladung um Ladung Vergangenheit in das mit Mut zur Lücke gefüllte Arenchen, so dass im letzten Viertel der Heimsuchung immerhin die Ü50er ihre Sozialarbeiterfox aufführten.

Vielen anderen genügte dann aber wohl auch nur der Blick durchs Handy auf die veitstanzenden Bühnenlichter. Statt geballt zu werden, umklammerten Fäuste da lieber tsatsikitropfende Haufen Raspelfleisch, die es auf der kleinen Kirmes oberhalb neben Weißweinschorle, Sitzkissen und Merch zu kaufen gab. So gesehen alles sehr 2024.
Best of-Shows haben stets etwas von Raclette zu Silvester und Blättern im hinteren Teil der Sonntagszeitung, aber an diesem Abend unter der Woche unterhielt die in den letzten Jahrzehnten bestimmt schon hundertfach gespielte Horrorshow mehr als das Meiste in dieser Nichtsstadt das komplette Jahr über.

Insofern – besten Dank, Herr Vlad Corgan und auf Wiederhören, unerwartet in irgendeiner anderen Nacht. Mit hoher Wahrscheinlichkeit andernorts.

Philipp Nussbaum

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