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Mittwoch, 27. Mai 2015

Von Tigern und Transformationen


Das Antje Öklesund und der neugebaute Weg in die Zukunft

Zuerst mal musst du die Rigaer runter laufen. Wenn du vom Bersarinplatz kommst, ziemlich weit runter. Über die Liebigstraße drüber und über die Samariterstraße auch. Dann ist da auf der rechten Seite der LIDL und gegenüber musst du in diesen grob gepflasterten Hinterhof rein. Ist alles nicht gut beleuchtet, aber das geht schon. Quer über den Hof zu diesem alten verfallenen Backsteingebäude mit den kaputten Fenstern. Und dann einfach rein da.

Zu der Zeit, als ich das Antje Öklesund recht regelmäßig besucht, wohnte ich im Friedrichshainer Nordkiez. Da war es naheliegend, mal einen Blick auf diesen Freiraum für Musik und Kunst zu werfen. War ja auch super. Lag nur eine Querstraße entfernt, der Eintritt zu den Konzerten war umsonst, das ehemalige Fabrikgelände war angenehm runtergekommen, schlecht beleuchtet und nicht leicht zu finden. Auch der etwas sperrige Name tat auch sein Übriges, damit das Ganze nicht zu schnell von den Massen heimgesucht wurde. Man musste sich also etwas auskennen.

Das Spannende am Antje Öklesund war eigentlich immer die Bereitschaft zum Experiment. Alle paar Monate wurden neue Konzepte der Raumgestaltung so ausprobiert, dass eigentlich nichts beim Alten blieb.Mmal baute man einen original Friedrichshainer Straßenzug nach, dann wurde die Bar zum Späti umgebaut, diverse begehbare Türme aus Holz in den Veranstaltungsraum gesetzt oder ein ganzer Song von Blumfeld als Raumkonstrukt dargestellt.
Wer wieder ein paar Monate später da war, konnte sich wundern, dass das Bier nun quasi durch eine winzige Luke in der neugezogenen Wand verkauft wurde. Kunst, Musik und Architektur waren die Felder, auf denen immer neue Ideen ausprobiert wurden. Das alles war aber für den Besucher des Antje Ö. nie stressig, sondern immer wunderbar aufregend und interessant.

Damit ist es erst mal vorbei. Denn das Gelände vom Antje Öklesund wird sich komplett verändern. 2012 wurde es von einer Investorengruppe gekauft, die vom Sommer 2015 an dort einen Block von Mietwohnungen bauen wird. Das Antje Ö. wird es dann in seiner bisherigen Form nicht mehr geben. Ganz verschwinden wird es allerdings nicht, sondern in neuen Räumlichkeiten am gleichen Ort nach zwei Jahren baubedingter Pause wiederbelebt. Zumindest, wenn man den Plänen und Absprachen zwischen dem Verein Stadtraumnutzung e.V., der das Antje Ö. in seiner bisherigen Form betreibt, und den Bauherren von der CG-Gruppe, glaubt. Aber wie weit kann man solchen Absprachen trauen?

Bebauungsplan, Nutzungskonzept, Projektentwicklung, Stadtumbau – in Verbindung mit einem kulturellen Freiraum klingen diese Begriffe wenig spannend. Unterhält man sich mit Hajo vom Verein Stadtraumnutzung e.V., der das Antje Öklesund seit Jahren als kulturelle Institution im Friedrichshainer Nordkiez etabliert hat, fallen diese Begriffe derzeit sehr häufig. Zwei Monate, bevor die ersten Bauarbeiten beginnen und das Antje Ö. auf die andere Seite des Areals ziehen wird, sitzen wir im Vereinsbüro auf der anderen Seite der Rigaer Straße.
Hajo sieht aus wie viele der Berliner Off-Kulturtypen. Trainingsjacke, Bart, kurze Haare. Ein bisschen sehe ich mittlerweile auch so aus. Dass man das Gelände nicht sang- und klanglos räumen würde, ist seit einiger Zeit klar. Ganz einig war man sich darüber anfangs auch vereinsintern nicht.
„Im Umfeld gab es ein ganz klares Statement, dass man sich nicht zu einem Gehilfen eines Stadtumbaus macht, den man nicht haben will. Was faktisch der Fall ist.“ erzählt Hajo. „Auf der anderen Seite wäre die Idee gewesen, dass wir nach Lichtenberg gehen, und denen das Feld überlassen, die das schnell durchboxen.“

Also entschied man sich, dass man bei dem, was sich die Herren Projektentwickler für das Gelände an der Rigaer Straße ausgedacht haben, auch ein Wörtchen mitreden wollte. Die Einmischung in die Pläne der neuen Bauherren war und ist ein mühsames Geschäft.
„Man hat direkt beim Auftreten alle Stereotypen von Projektentwicklern entdeckt, wie sie im Film erscheinen. So wir wie allen Stereotypen von Alternativos entsprechen. Da prallten schon Welten aufeinander, als die zum ersten Mal auf den Hof gefahren kamen, zu sechst mit drei schwarzen Limousinen und schwarzen Anzügen.“

Trotz dieser Unterschiede verlief die Kommunikation erstaunlicherweise recht gut. Dass die Antje-Ö.-Crew ernst genommen wurde, lag auch daran, dass man mit dem ebenfalls auf dem Gelände ansässigen Berufsbildungswerk BUF kooperierte und viel Unterstützung von Seiten der Bezirksverwaltung erfuhr. Die Einmischung des Stadtraumvereins bedeutete in erster Linie, immer wieder konkrete Vorschläge für einen gemeinsamen Raum für Gewerbe, Kunst und Kultur zu machen und auf die Reaktionen der Gegenseite zu warten.
„Wir haben versucht ein Konzept zu stricken, wie wir gemeinsam einen Ort für Kunst und Kiezkultur zu gestalten. Mit Aufhängungsmöglichkeiten für Banner, Podeste für Installationen Wohnungen für Künstler, öffentlich zugängliches Dach, Verweistafel auf die Geschichte des Geländes. Darüber gemeinsam mit dem BUF ein Café, darüber Terrassen. Das war der Kern des ganzen Prozesses.“

Neben vielen aktuellen Bauzeichnungen des Areals findet man an der Wand des Vereinsbüros auch die Kopie eines alten, von Hand unterzeichneten Geschäftsbriefes. Die Geschichte des heutigen Gewerbegebietes ist eine wechselhafte. Als im heutigen Friedrichshainer Nordkiez nur Obstgärten existierten, baute der Landmaschinenfabrikant Eckart dort ein erstes Häuserensemble, von dem eines immer noch direkt an der Rigaer Straße steht und seinen Namen trägt. Später wurde auf dem Gelände eine Möbelfabrik aufgebaut, die in den 20ern an Shimon und Michel Baiser verkauft wurde. Unter Druck musste das jüdische Brüderpaar die Fabrik 1938 verkaufen. 1943 wurden sie in Auschwitz ermordet. Erworben hat das Gelände die Firma Max Schlüter. 1990 wurde das Areal an die Erben der Baisers zurückgegeben – die dann 20 Jahre lang versucht haben, es zu verkaufen. In diesem Gebiet wurde Anfang der 2000er das Antje Öklesund als selbstverwalteter Freiraum für Musik und Kunst aufgezogen.

Das Antje Öklesund ist ein gutes Beispiel für mehrere Dinge, die gerade in Berlin ablaufen. Zum einen kann es als Beispiel für einen dieser Kreativräume stehen, die den Ruf Berlins lange Zeit mitgeprägt haben. Die umfunktionierten alten Fabrik- und Industriegebiete, in denen Projektgruppen wunderbar Freiräume für Bands, Künstler und unkommerzielle Projekte geschaffen haben. Aber dieses Image verblasst langsam, eben weil diese runtergekommenen Fabrikflächen für Investoren aller Art immer interessanter werden. Viele dieser Freiräume gibt es in dieser Form nicht mehr.

Es ist auch ein gutes Beispiel dafür, wie die Mechanismen der Gentrifizierung konkret funktionieren und wie man sich dagegen zumindest teilweise wehren und den Umbau des eigenen Kiezes mitgestalten kann. Allerdings eben auch nur EIN gutes Beispiel neben vielen anderen, wo Frei- und Kulturräume den Interessen der Bauherren weichen mussten. Denn die Gentrifizierung wütet schon lange in Friedrichshain und man müsste schon sehr verträumt sein, um zu glauben, dass das hübsche Möbelfabrik-Areal von Investoren verschont bleibt, die daraus einen sauberen, aber auch langweiligen Wohnblock machen wollen.

Wenn alles gut geht, entsteht am Ende ein neues Antje Öklesund am gleichen Platz in der Rigaer Straße. Eines, das mit geplanten 170 Quadratmeter größer ist als der Vorgänger. Für die nächsten zwei Jahre steht zunächst eine Zwischennutzung auf dem westlichen Teil des Geländes in Form einer kleinen Containersiedlung an. Danach soll wieder der Umzug an die Stelle des alten Clubs erfolgen. Dies ist zumindest ein kleiner Erfolg für das Antje Ö. Für die CG-Gruppe wäre es erheblich billiger gewesen, das gesamte Gelände sofort und komplett zu bebauen. Trotz weiterer kleiner Zugeständnisse seitens der CG-Gruppe ist der ganze Prozess von viel Misstrauen der Stadtraumnutzer begleitet. Denn um den Erhalt des Kulturraums Antje Öklesund zu sichern, musste man sich immer wieder neu einbringen. Mussten immer neue, manchmal auch bewusst provokante Forderungen gestellt werden, aber auch Kompromisse eingegangen werden. Erst die Zukunft wird allerdings zeigen, ob sich auch die andere Seite an die Abmachungen hält. Für Hajo gibt es aber keine Alternative.
„Man muss nicht versuchen, den Tiger zu töten, man muss versuchen ihn zu reiten,“ sagt er. “Damit kann man sich die Situation vielleicht schönreden, aber es ist einen Versuch wert. Wir gehen mit dieser Unbedarftheit ran, mit der wir alles gemacht haben und schauen wie weit, wir uns durchsetzen können. auf jeden Fall ist es erstaunlich, dass wir nun in einer Position sind, in der wir gehört werden, in der wir mit Architekten darüber reden wie das aussehen kann.“

Durch den Neubau des Geländes ist das Antje Öklesund auch an einem Punkt angelangt, an dem nach Hajos Meinung viele alternative Projekte früher oder später stehen und der derzeit im Verein mit großem Interesse untersucht wird.
„Wir haben festgestellt, dass es bei fast allen Projekten eine Schwelle gibt, die über das Weiterbestehen der Projekte entscheidet. Das sind manchmal städtebauliche Fragen z.B. Mietanstieg oder die Bebauung des Geländes. Oft sind das Kapazitätenfragen: die Vereine lösen sich auf, weil die Leute ausbrennen und das ehrenamtliche Arbeiten nur über einen bestimmten Zeitraum geht. Oder es läuft sich tot, die Leute keinen Bock mehr haben und andere Schwerpunkte im Leben haben. Wir wollten dabei untersuchen: Wie schaffen es alternative Projekte, über diese Schwellen hinauszukommen?“

Eine gute Frage, die sich auf die Entwicklung eines kreativen Freiraums ebenso anwenden lässt wie auf ein Fanzine, das es auf mittlerweile 30 Ausgaben gebracht hat. Wobei die Schwelle bei einem alternativen Printmagazin eher in anderen Bereichen liegt (z.B. Selbstverständnis, Inhalt, Gestaltung, Regelmäßigkeit, Finanzierung, Verbreitung). Bei einem Kulturraum wie dem Antje Ö. fließt ein großer Teil der Energie in den Kampf um die bloße Existenz. Die derzeit wichtigste Frage ist für aber, wie man die Haltung und die Atmosphäre der früheren Location hinüberretten kann. Das Experiment ist laut Hajo, trotz aller Unsicherheiten, die in den nächsten zwei Jahren auf den Verein zukommen, sehr spannend.

„Wenn es klappt, wäre das nur der erste Schritt. Dann kommt es darauf an, die neuen Räume mit Leben zu füllen. Von daher ist es spannend, zwei Jahre Zwischennutzung zu habe, die uns auch näher dahinbringen, wie das funktionieren kann. Wir sind ja auch an einem anderen Punkt als vor 10 Jahren.“

Ob sich die Tiger in den schwarzen Anzügen wirklich von einem engagierten Friedrichshainer Kulturverein reiten lassen, bleibt dabei erst mal abzuwarten. Aber zumindest den Versuch zu wagen, ist in jedem Fall besser, als vom selben Tiger gefressen zu werden. Als gutes Beispiel für Möglichkeiten der Einmischung in Gentrifizierungsprozesse kann das Antje Ö. und seine Geschichte schon jetzt gesehen werden.

Gary Flanell

Fotos: Frank Foge und Gary Flanell

antjeoeklesund.de

Mittwoch, 20. Mai 2015

Zines, Zines, Zines

Endlich mal eine Headline, die tut, was sie tun soll. Nämlich auf den Inhalt dieses Posts hinweisen. Hier finden sich also ein paar Rezis von Fanzines, die im Laufe der letzten Monate im Renfield-Hauptquartier eingegangen sind. Und um ehrlich zu sein: Soviele Fußball-Zines waren es schon lang nicht mehr. Seh ich da einen Trend am Horizont herangaloppieren...?

All to nah - No. M (A5, s/w, 20 S., alltonah@gmx.de, All to nah c/o Jan Stöver, Eißendorfer Straße 83, 21073 Hamburg)
Also Fußball-Zines. Die kleinen Punk-Geschwister der vereinseigenen Stadionhefte haben bei mir nie großes Interesse erzeugt. Liegt zum einen daran, dass dabei immer ein Verein abgefeiert wird, den ich entweder nicht so wirklich mag oder gar nicht kenne. Aber Sympathie für diese Publikationen ist auf jeden Fall da, denn meist steckt eine Menge Herzblut darin. Das All To nah kommt, leicht zu erraten, aus der Anhängerschaft von Altona 93. Soviel erfährt man aber nicht über die sportliche Seite dieses Vereins der Hamburger Oberliga. Dafür werden die Fanzine-o-Theken in Barcelona und Manchester vorgestellt und ein Klebebildchen wie aus goldenen Panini-Zeiten eingefügt. Der Großteil des Heftes besteht aus Rezensionen anderer Fußball-Zines und wenn mich irgendwann die Lust packt, mich eingehender mit dieser mir bisher verschlossenen Zine-Szene zu beschäftigen, wird ich das All to nah als Einstiegslektüre gern hervorholen.
Gary "Flankengott" Flanell

Auf Jahre unschlagbar #2, (A5, s/w, 44 S., fanzine@aufjahreunschlagbar.de)
Wäre ich geiler Fußballreporter würde ich die Macher dahinter mit allerlei seltsamen Metaphern betiteln: Das Traumduo der Fußballzine-Szene. Die Sturmspitzen vom Hartbolzplatz. Schweini und Poldi der Zinelandschaft. Weil Metaphern wie diese aber so hinken wie Ewald Lienen nach seinem bösen Foul, lasse ich das mal. Mika vom Trust, und Chris vom Try to wake up with a smile-zine sind die beiden, die im hübschen AJU ihre Faible für DIY-Zines und niederklassige Fußball-Erlebnisse ausleben. Fußball ist zwar immer der Aufhänger, aber oft geht es auch um Musik und mehr. Das Inner-Conflict-Interview starte mit einer Frage zu deren „Peter Neururer…“-Song, auch beim Gespräch mit Tobi vom Punk is dad-Zine geht es um Fussek. Mika,Chris und ihrer Lakaien sind sich nicht zu schade, auch mal in die letzten Niederungen des Rasenballsports einzutauchen, also gibt es einen Bericht vom Auswärtsspiel der TeBe Berlin in der 6. Liga und vom niederrheinpokalfinale RWE gegen MSV Duisburg. Wie sowas ausgeht ist dabei zweitrangig, eher geht es um das ganze Drumherum und auch um Probleme mit rechten Fans der Gegenseite. Die Story über Fußball auf den Philippinen ist sehr gelungen. Da finde der beinharte Fußball- Zineast genug Stoff, um beim nächsten Kneipenbesuch mit geilem Insiderwissen zu glänzen.
Gary "Garinho" Flanell

Messeblatt Fanzinefest-special ’14 (A5, s/w, 36 S., contact: messeblatt@gmx.de, messeblatt.blogsport.de)
Das waren noch Zeiten, als Fußballstadien nach Literaturnobelpreisträgern benannt wurden! Was gäbe ich heutzutage für eine Samuel-Beckett-Arena, eine Hemingway-Kampfbahn oder ein Selma-Lagerlöf-Stadion? Gibt’s alles nicht, nur Theodor Mommsen hat es geschafft. Das gleichnamige Stadion kennt jeder Tennis-Borussia Berlin-Fan. Woher ich das mit Mommsen und dem Nobelpreis weiß? Aus dem Porträt dieses Historikers im extra von den Zero Ultras von Tennis Borussia Berlin zusammengestellten Best of… aus zwei älteren Ausgaben des Messeblatts. Best of… heißt in diesem Fall: TeBe-Fans und ihr Clinch mit den rechten Typen vom TSV Rudow, kleiner VokuHiLa-Modetipp, eine gebrochene Lanze für den Dresdner DSC und eben ein ausführliches Porträt über Teddy Mommsen. Den kannte ich bisher nur als Namensgeber für Gymnasien aus den Paukerfilmen der 60er. Zumindest weiß ich nun, dass er auch für einen Stadionnamen nicht der blödeste Namenspate ist.
Gary "Maracanaco" Flanell

Drink before Shaking – a brief history of Rock City Berlin (A5, s/w, 44 Seiten, www.andyleuenberger.com)
Andi Leuenberger ist einer von denen, die man regelmäßig mit einem Stand auf einer Zine-Messe in Berlin trifft. „Drink before shaking“ ist der erste Comicband, den ich von ihm in die Finger bekommen habe und bin ziemlich begeistert. Passt nämlich alles zusammen. Die Zeichnungen sind top, ein bisschen wie die von Robert Crumb. Ziemlich treffsicher nimmt Andy alle Auswüchse des Berlin-Hypes auf Korn. Berghain-Zombies, tätowierte Szenehengste und Hipster-Ex-Pats, alle kriegen ihr Fett weg. Der Herr L. hätte sicher ein regelmäßiges Plätzchen in einem Berliner Stadtmagazin verdient, seine Comics sind dafür allerdings eventuell zu zynisch und böse. Sehen aber so gut aus, dass man sich jedes einzelne auch als Motiv auf ein Shirt drucken könnte. Gary Flanell

Hypothetical Love Triangle (A5, s/w, 40 S., hennarasanen.wordpress.com)
Fast scheint es, dass jede/r der sich der LGBT-Szene zugehörig fühlt, auch sein eigenes Heft machen muss. Henna Rasanen lebt in Helsinki und Berlin. Wenn sie nicht zwischen beiden Städten hin und herzischt, zeichnet sie kleine Comic-Strips, in denen sie meist die LGBT-Szene aufs Korn nimmt. Queer, Lesbian, Gender, Liebe, und die dazugehörigen Frustrationen sind Thema ihrer Strips. Davon gibt es einige Hefte und viele davon findet man auf Fanzinemessen. Hennas Strips sind oft ziemlich persönlich, und am Besten wenn sie die Klischees der Szene aufs Korn nimmt, wie beispielsweise beim Centerfold mit dem Queer-feminist-Bingo.
Gary "Hyperthetic" Flanell

Instantes (A5, 16 S., s/w, recontrapunk@hotmail.com)
Brücken, Laternen, Flugbilder. Neben Punk und Hardcore ist Fotografieren eine weitere Passion von Entes-Anomicos-Herausgeber Carlos. Eine Handvoll Bilder hat er dazu in diesem fotokopierten Fotozine zusammengestellt. Stilleben und Landschaftsaufnahmen, meist ohne Menschen finden sich vermehrt in diesem kopierten Heft. Die Fotos haben zwar alle eher Urlaubsfotocharakter, sind aber nicht so schlecht. Gedruckt wäre das noch ein bißchen cooler.
Gary "Die Linse" Flanell

Mit Scharf No. 10 und 11 (jeweils A5, 52 bzw. 41 S., s/w m. Farbcover, mitscharf@hotmail.fr)
Zweite Begegnung zwischen dem Heft mit dem Döner-Standard-Spruch-Titel und dem Rezensenten. So ganz schlau werde ich nicht aus dem, was in diesem bilingualen geboten wird und wo es hingehen soll. Und das, obwohl beide Nummern jeweils ein Oberthema haben, an dem man sich entlanghangelt. No. 10 widmet sich ganz dem Thema Müßiggang, No. 11 dem etwas ernsteren Thema Kolonisation. Wobei bei letzterem auch gern mal der Wortwitz mit Colon, dem Darm, aufgegriffen wird. Also ein Thema, das auf unterschiedlichste Weise, meist jedoch von der graphischen Seite bearbeitet wird. Soll heißen, viele Zeichnungen, ganze Comics, einige Texte und Gedichte, die letzten beiden immer auf Deutsch und Französisch. Die Gedanken der Autoren und Zeichner kreisen ziemlich frei, Assoziationen sind wohl gern gesehen bei der Gestaltung des Heftes. Zwar nicht besonders informativ, dafür sehen beide Ausgaben schick aus und sind liebevoll gemacht.
Gary "Salat alles?" Flanell

Entes Anomicos 15 (A5, ca. 60 Seiten, s/w, recontrapunk@hotmail.com)
60 Seiten? Oder noch mehr? Egal, wie viele es sind: das Entes Anomicos ist wieder mal so richtig fett. Carlos und Hector leben beide mittlerweile schon länger in Deutschland, geben mit dem E.A. aber einen zuverlässigen Anzeiger für Punk und HC aus der ganzen Welt raus. Südamerikanische Bands stehen öfter im Focus, schließlich sind dahin die Kontakte durch das Label Entes Anomicos und ihre Herkunft am besten. Und da man von dort zwar übers Internet auch alles kennen lernen kann, aber nie so richtig weiß, was gut sein könnte, hat so ein Lotsenheft seine Berechtigung. Unglaublich viele Bands werden vorgestellt, manchmal in Interviewform, manchmal als Kurzporträt. Promesas, Ettison Clio, Pocket for Corduroy, Pride and Ego Down, Fuck Wolves sind nur wenige davon. Dazu noch Reviews, und ein paar persönliche Gedanken. Achja, und all das in Spanisch. Sollte man können, dann ist es super. Einziger Meckerpunkt: Heften hätten sie es können, so fleddert diese Loseblattsammlung schon beim zweiten Durchschauen unrettbar durch den Raum.
Gary "Mosh Pit" Flanell

PLASTIC BOMB #90
Happy, happy, HAPPY Glückwunsch zum 90. Geburtstag. Die Bombe biegt auf die Zielgerade zu den letzten paar zweistelligen Ausgabennummern ein, und Wette: Wenns dann 2016 oder 2017 die Hundert regnet, wird’s auch dann so sein wie immer. Zusammenprügelcover in Reichskriegsflaggen-optik, eine fröhliche Zumutung von Layout, Textbild und Korrekturlesen, das x-te Samplerwunder schlichthin, und nach einer Viertelstunde nur mehr noch älteres Altpapier. PB ist, deshalb funktioniert auch die Abkürzung, inzwischen Institution und irgendwie Establishment, und einzelne Schreiber legen allmählich anscheinend schon gut zu (vgl. EA80-Konzertbericht). Ein paar Brüche täten mal gut, um nicht irgendwann nur noch da zu sein. Vielleicht was über Autos. Oder ein Micaela Schäfer-Feature. Oder Rechtschreibung.
Philip "H-Bomb" Nussbaum

STEF – Spitzengeschichte! - ein 32-Stunden-Comic (comicsweatshop.de)
Vögel wollen einen Hund umbringen und tun es schlussendlich dann doch nicht. Ende. Die meisten Rätsel gibt die Sache mit den 32 Stunden auf. Lesezeit? Vrööp. Seitenzahlanalogie? Vrööp. Anderweitiger inhaltlicher Zusammenhang? Kann genauso sein, wie dass es 32 Stunden gedauert hat, die Story zu zeichnen, zu vervielfältigen, zu tackern und zu verbreiten. Oder sich den Künstlernamen auszudenken. Spartanischer, aber kurzweiliger DIN A5-Auftritt, Reduktion auf Schwarz, Weiß, Federn und Gekläff. Nette Übersetzung des lebensweisheitlichen Tipps „Immer daran denken – nicht zu viel anziehen!“
Philip "Micaela Schäfer" Nussbaum

Dienstag, 12. Mai 2015

15-05-15: Dirty and thirty

Ein dunkler Samstagabend im Jahr 1996 im Speckgürtel des Ruhrgebiets:
Als die damalige Renfield-Zine-Crew in einen unterirdisch gelegenen Backstageraum schlich, um dort mit ihren Helden EA80 das erste und einzige Interview für die erste Ausgabe des Fachjournals für Krims&Krams&Rock'n'Roll zu führen, haben diese zwei Typen mit dem billigen Diktiergerät wenig daran gedacht, wie sich dieses Interview entwickeln würde. Um das mal abzukürzen: Es war nicht alles schlecht damals.

Woran die damalige Renfield-Redaktion auch nicht gedacht hat, war die Möglichkeit, dass knapp 18 Jahre später dreißig Ausgaben des Renfield-Zines erschienen sein werden. Um welche krumme Futur-Grammatik-Form es sich bei dem letzten Satz handelt, sollen die Deutsch-LK-Lehrer dieser Welt klären.

An dieser Stelle soll vielmehr auf die große 30-Ausgaben-Renfield-Jubiläums-Feier hingewiesen werden, die am kommenden Freitag über die Bühne geht.
Zelebriert wird die 3 vor der Null in der Renfield-Zählung wieder am bekannten Ort mit einer großartigen Band, die alle geilen Hits drauf hat:
BOY DIVISION aus Hamburg!
Danach legt DJ MARKY FUNK den heißesten Scheiß auf, der an einem Freitagabend am Schlesischen Tor zu kriegen ist.

Jeder Partybesucher bekommt beim Einlass sein Exemplar des neuen Renfield-Zine ausgehändigt.

Renfield No.30 kommt übrigens mit folgenden geilen Stories und Interviews daher:

Pencil Quincy (der Lichtmagier der Diamond Road Show mit Digger Barnes), Joke Lanz (Sudden Infant), Miron Zownir, Steve Gunn, die große Renfield-Retrospektive auf 30 Ausgaben, Nitro&Milk (wahrscheinlich die langlebigste DIY-Westernserie des Landes) plus dazugehörigem Brettspiel, Antworten zu den dringendsten Fragen der Popkultur, niedliche kleine Apothekentiere und mehr Krims&Krams&Rock'n'Roll.

Und hier nochmal die Fakten zum Release:

Renfield No.30-Releaseparty
Wann? 15.5.2015 ab 21 Uhr
Wer? BOY DIVISION, Hamburg
Wo? Our Favourite Schnapsloch (Wer weiß, wo es ist, weiß, wo es ist. Wer nicht, wird es nie wissen. Darf aber fragen.)