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Freitag, 25. November 2022

THANK YOU GARY MUCH - Michel Piccoli


Nach kurzer Pause, geht es jetzt weiter mit Seite 2: Zu jedem Song auf dem "Thank You Gary Much"-Tape ein paar Liner-Notes, in 10 Minuten nach einer Free Writing Methode aufgeschrieben und nur sanft korrigiert.

7. Michel Piccoli

Niemand hat die Absicht, einen Polizisten zu essen. Ich weiß auch gar nicht, wie das geht. Kannibalismus ist nicht so mein Ding. Habe gehört, sie schmecken wie Hühnchen. Aber was weiß ich? Weder weiß ich wie Polizisten gebraten, geschmort, gedünstet, geröstet oder gekocht schmecken. Soll man ja auch nicht machen. Es könnte strafbar sein. Der Verzehr von Ordnungshütern und Kräften der Exekutive ist nicht gestattet. Gibt dazu bestimmt einen Paragrafen im Grundgesetz. Aber ween der Polizist/die Polizistin keine Uniform mehr trägt, und ich ihn oder sie DANN esse, ist es dann noch ein*e Polizist*in? Macht die Uniform erst den Geschmack, rauchig, moschusartig, alt-socken-schweißig, leicht buttrig-ranzig, das darunter liegende Aroma nach Bullenwanne, Pickelhaube und Schutzweste? Ich werde es nie herausfinden. Bin ja 3/4 Vegetarier und solche Mengen an Fleisch, wie da zu verzehren wären (guter Bulle kann sicher schon mal 90-100 Kilo wiegen) , kann ich schon lange nicht mehr ab. Außerdem wäre da noch die Frage der Haltung? Ich bin ja großer Verfechter von Freilandhaltung. Einfache Bodenhaltung ist einfach zu wenig. Ich will saftige Wiesen, auf denen sanfte Bullen stehen, die Köpfe gebeugt, die Nacken breit, den Rest der Welt mißtrauisch beäugend und nicht einmal ahnend, welches Schicksal sie erwartet. Am besten wäre für die zu Verzehrenden natürlich ein Gnadenhof. Wo sie - nach einem langen Leben im Dienste der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ihre letzten Jahre in Ruhe und Freiheit verbringen dürfen. Wo gehen all die Polizisten hin, wenn sie nicht mehr auf der Straße sind? Nach Hause, klar. Aber gibt es so Schwerpunktsiedlungen, wo Polizisten alle zusammen wohnen? Wie bei Copland? Das wäre ja was. Polizei-Stadt, nicht Polizeisiedlung. Kleingartenverein "Zur grünen Uniform", mit Kneipe "Am Blaulicht". Ecke Sirenensteig/Schlagstockstraße (nicht zu verwechseln mit olle Klopstockstraße). Da wohnen sie dann alle, alle Kontaktbereichsbeamten und Kripomenschen und Polizeihelikopterpiloten, Lederjacke-mit-Bündchen-Träger, all die Anwärter für den inneren und äußeren Dienst haben da alle ihr Einfamilienhaus mit Zaun und Wiese und am zan noch ne Hecke, warum, weiß keiner, und vorm Haus ein dunkles Nadelgehölz, das kein Licht ins gardinenbehangene Wohnzimmer lässt, und blickdicht nach innen ist. Was drinnen im Eigenheim passiert, weiß nur der Polizist und seine Frau und die Kinder. Ich weiß es auch nicht. Ich gehe hier nur ab und zu spazieren. Singend. Einen Grill und einen Sack Holzkohle hinter mir herziehend.

P.S.: Wer wissen will, was Michel Piccoli mit all dem zu tun hat, muss THEMROC gucken.

Montag, 21. November 2022

THANK YOU GARY MUCH - Selten mach Ich Spaß


Wie angekündigt, zu jedem Song auf dem "Thank You Gary Much"-Tape ein paar Liner-Notes, in 10 Minuten nach einer Free Writing Methode aufgeschrieben und nur sanft korrigiert.

6. Selten mach Ich Spaß

Geistert schon sehr lange im Kopf herum, dieser Satz. Aufgeschnappt auf Mallorca, ja wirklich. Der Insel, die auch schöne Ecken hat. Geheimratsecken wahrscheinlich. Ich war bisher einmal dort, beruflich irgendwie. Habe mit einer Gruppe von Menschen mit Behinderungen dort Urlaub gemacht, auch schon ewig her. Da fiel dann der Satz und er fiel und fiel und fiel direkt in meinen Kpf, direkt ins Hirn. Blieb dort dann hängen, wie ein Schlüssel, der aus Versehen aus der Tasche fällt und die Stufen runter in den Keller purzelt, bis er auf dem letzten Absatz liegenbleibt. oder in einer unmöglichen Ecke verschwindet, von der man denken würde, da KANN er doch gar nicht hingefallen sein. Kann er aber doch. Der Schlüssel genauso wie der Satz. Der Satz blieb mir also im Gedächtnis, es war relativ schnell klar, dass es mal einen Song damit geben würde. Mehr Text muss auch nicht sein. So eine Zustandsbeschreibung, bzw. eine Wesens/Charakterbezeichnung reicht ja auch aus. Damit wäre dann alles gesagt. Es scheint, als wäre diese Eigenbeschreibung eine recht düstere. Selten Spaß machen und manchmal traurig sein. Aber wäre das schlimm? Blöde Witze über mich selber habe ich oft genug gemacht. Das ist ja auch kein Problem, so lange du dich selber ernst nimmt. und das, was du tust. Das war oft der Knackpunkt: Sich selber ernst nehmen, das eigene Tun und Handeln ist wichtig. Das kann auch das eigene Witze machen betreffen. Wenn du dich selber nicht ernst nimmst also nicht für voll, also dich selber für eine Witzfigur hältst, dann ist alles nix. Dann kannst du alles, was du vorhast, knicken. Das bedeutet wiederum nicht dass du das oder der einzige sein solltest, den du ernst nimmt, überhöhtes Ego, das zu viel Raum einnimmt, ist auch kacke. Das kannst du tun, indem du beispielsweise einen Blog voll schreibst, da ist genug Platz. Erwarte aber nicht, dass alle deine Ergüsse immer mit absolutem Interesse lesen, oder du dafür immer Resonanz bekommst. Musst du halt mit leben, mit dem Wagnis, dass du was schreibst, aber es keiner lesen will. oder dass du Musik machst, sie aufnimmst, sie dokumentierst, aber niemand will es eventuell hören. Reicht das? Reicht dir das? Musst du selber herausfinden. Aber nimm dich ernst, auch wenn du lustige Dinge tust, schreibst, sagst, singst. Karnevalsvereine, traditionelle wie alternative, machen es ähnlich. Sie wollen lustig sein, nehmen aber ihr Tun sehr ernst. Woher würde sonst die Sorgfalt kommen für all die Karnevalswagen, die Kostüme, die Tänze, die Reden, die Sitzungen? Sowas muss geplant sein und das nehmen sie ernst. Also: Feier deinen inneren Karneval, meinetwegen jeden Tag, aber mach keinen Witz aus dir. Wow, was ein 10-Minuten-Coaching.

Sonntag, 20. November 2022

THANK YOU GARY MUCH - Trauriger Hund


Wie angekündigt, zu jedem Song auf dem "Thank You Gary Much"-Tape ein paar Liner-Notes, in 10 Minuten nach einer Free Writing Methode aufgeschrieben und nur sanft korrigiert.

5. Trauriger Hund

Ich mag Katzen lieber als Hunde. Wobei Hunde nicht schlecht sind. Schon süß. Davon ab hatte ich irgendwann die Ambition, einen sehr traurigen Song zu schreiben. Ich verstieg mich zu der Idee, den traurigsten Song ever zu schreiben. Cat content hilft da. Dog content wohl auch. Über Content zu sprechen klingt aber irgendwie scheiße, allein dieser Begriff, cat /dog content, als wäre das hier eine verschissene Werbeagentur. Der Hund, um den es geht, lebt mit seiner Familie auf der Straße. Man liebt sich und beißt sich. Ist aber insgesamt zufrieden. Hier was zu fressen, da schlafen und sicher ab und zu auch mal ficken. Leben funktioniert. Bis zu einem bestimmten Punkt. Da kommen die Menschen ins Spiel. Wobei die Menschen ja immer im Spiel sind, bzw. im Kontext als Akteur dabei, den die Hunde als gegeben annehmen und die Menschen als Faktor mit in ihre sozialräumliche Wahrnehmung einbauen. Aber eigentlich ist der Mensch aus Hundeperspektive ein Akteur, der da ist, aber halt nicht besonders stört. Bis zu diesem Moment, an dem von Menschen geschaffene Strukturen mit den Interessen des Hundes kollidieren. Menschliche Strukturen: Straße. Urbane Bebauung. Graben. Kein Hund braucht sowas. Nur Menschen denken sich sowas aus. Weil sie nicht mehr zu Fuß unterwegs sind. Sondern Gefährte erfunden haben (hier könnte man besser sagen "entwickelt". Kleiner Tipp: Sage nie, dass du was erfunden hast. Sage immer, du hast was entwickelt. Macht mehr Eindruck. Entwickler klingt nicht so nach wirrköpfigem, zerstreutem Professor. Weniger nach Daniel Düsentrieb, mehr nach Steve Jobs.), um sich damit fortzubewegen. Zum Fahren braucht man ebene Flächen, nicht breit, sondern lang. Die nehmen dann Platz weg. Den Platz, wo Tiere unterwegs sind. Der Hund zum Beispiel. Der Hund, um den es geht, ist übrigens ein sehr schöner Hund. Wäre ihm nicht was blödes passiert, wäre er in seinem Rudel ohne menschliche Einfluss sehr zufrieden gewesen. Miteinander rumtollen. Sich zärtlich in den Nacken beißen, In der Hitze aufeinander rumliegen. Gemeinsam Beute teilen. Achja, Tierromantik aus menschlicher Perspektive. Wahrscheinlich gibt es da ganz andere Prozesse, die ich nicht mal ansatzweise verstehe. Der Hund hat hellbraunes Haar. Recht kurz, struppig, obwohl es niemand trimmt. Kein Schnauzer, auch kein Schnauzer-Mischling. Halt eine schöne lange Schnauze, lange Beine, langer Schweif. Er ist dünn und das ist gut. Muskulös. Sehnig, aber nicht als Nazi-Ideal brauchbar. Als junger Hund waren seine Pfoten so niedlich dick und wirkten tollpatschig, aber nun ist er ein echter Kämpfer. Fühlt sich gut in seiner Crew. Würde nie was ändern, tut es aber dann doch. Nicht mal absichtlich, sondern weil die Umwelt ihn reinreißt. In Situationen, von denen er selber nicht weiß, wie er da rein und wie er wieder rauskommen wird. Einen Namen hat er nicht. Sowas machen nur Menschen. Trauriger Hund.

Mittwoch, 16. November 2022

THANK YOU GARY MUCH - AMHIG


Wie angekündigt, zu jedem Song auf dem "Thank You Gary Much"-Tape ein paar Liner-Notes, in 10 Minuten nach einer Free Writing Methode aufgeschrieben und nur sanft korrigiert.

4. AMHIG

Einfache Worte knallen manchmal richtig, direkt ins Herz und dann sind alle Laken blutig. AMHIG, All my happiness ist gone. Geklaut ist das, von David Berman, dem Typen von den Silver Jews und Purple Moutains. Silver Jews habe ich früher nie gehört, aber Freunde von mir. Besonders einer fand die richtig gut, der wohnt jetzt in einem winzigen Dorf auf dem Land. Was ich davon hörte, damals, war ok. Purple Mountains haben mich dann voll umgenietet, mitten ins Herz, mitten durch die Brust. Hätte auch keine Schutzweste was geholfen. So schön. Richtige Platte, richtiger Spieler, richtige Zeit, richtiger Ort. Berman übrigens tot, für die Uneingeweihten. Selbstmord. 2020, oder 2019 oder 2018? Ich guck jetzt nicht nach, scheiß auf Recherche, Wikipedia wird's wissen. All my happiness is gone. Muss sagen: Da ist was dran. Früher hatte ich prekäre Umstände, aber viel Zeit zum Aufschreiben und Ausmalen von Dingen (MALT! ALLES! VOLL!), vieles davon Mist, aber lustig, vieles monetär und nach ökonomischen Maßstäben grober Unfug. Aber darum geht es nicht. Wenn wir den Kapitalismus knacken wollen, müssen wir von diesen Maßstäben, ob etwas Geld bringt oder ob sich etwas verkaufen lässt, weg. Klaaaar, Geld IST wichtig, sogar sehr, aber es frustet, immer daran denken zu müssen und frisst Lebensfreude. Meine jedenfalls, weil ich mich nur eingeschränkt dem widmen kann, was wirklich gut ist. Also das Geld an sich ist nicht das Problem, aber der Erwerb. VGWA = Viel Geld, wenig Arbeit, da bin ich sofort dabei. Jetzt mitten im Erwerbsarbeitsleben drin. Ein Job und noch ein Job und ein ganzer Kladderaradatsch, der da mit dran hängt. Strukturen, auf die ich ehrlich gesagt gar keinen Bock habe: Urlaubsplanung Monate im voraus? Fuck. Fortbildungen hier und da? Fuck. Netzwerktreffen und permanentes Austauschen mit „super Leuten, die da ein total tolles Projekt machen“? Lass mich in Ruhe. Aber die Kekse sind gut. Ständige Reflexionen des eigenen Tuns und Supervisionen bis zu Migräne und Hirnblutung? Fuck. Teamsitzung, After-Work-Treffen, kollegiales Zwangs-Ankumpeln? Ich will ins Bett. Allein. Steuererklärung, weil "Da kannst du sicher was wieder kriegen." bzw. "Du verschenkst da echt Geld!" ? Dafür spare ich Zeit und Nerven, also: Fuck. Zielvereinbarunge? Bin ich ein Navi? Fuck. Monatsabrechnungen? Fördertöpfe? Budgetdingsbums? All that Jazz? Fuck. Ich hatte früher weniger Geld. Das war scheiße. Jetzt habe ich etwas mehr und regelmäßiger Geld, dafür weniger Zeit für die guten Sachen sowie einen Arsch voll Verpflichtungen und Kalendereinträge. Das ist auch scheiße. (Gibt's keinen Zustand, der nicht Scheiße ist? Muss ich den erst zu denken wagen?) Dazu Stress und auch weniger Lust auf alles und Verkrampftheit und weniger Gedankenkarussell, ob ich nicht noch was vergessen habe. Too many structures eat my brain, ihr Wanzen. Man könnte sagen: Gewöhn dich dran. Haben wir alle. Sorry, auch wenn ich diesen Affenzirkus mitmache, um irgendwie halbwegs anständig zu überleben. Dran gewöhnen werde ich mich nicht, das hat mit Mitte 20, Mitte 30 und Mitte 40 nicht geklappt. Wir wissen natürlich alle, dass so ein Rant nur Ausdruck großer Erschöpfung ist. Dann soll es so sein. Aber: Bietet sich der erste gute Ausweg aus diesem Irrsinn, dann bin ich weg, versprochen. Ist aber erstmal nicht in Sicht. Also keine Hoffnung. Das tut weh. Lohnarbeit nur dazu da, um irgendwie durchzukommen. Deshalb unterstreiche ich voll und ganz: All my happiness is gone. Berman, du alte Sau, hast alles richtig ausgedrückt. Ob du alles richtig gemacht hast, müsste diskutiert werden. Weil's so wahr ist, wird alles leider nicht besser. Was danach kommt, ist nur Hommage. Ich singe nur für dich, Berman. Aber echt lieb gemeint. Quizfrage: Das Leben ist a) scheiße b) nicht fair c) voll schön. Such dir was aus, aber quatsch mich nicht voll.

Dienstag, 15. November 2022

THANK YOU GARY MUCH - 2 Jahre oder weniger


Wie angekündigt, zu jedem Song auf dem "Thank You Gary Much"-Tape ein paar Liner-Notes, in 10 Minuten nach einer Free Writing Methode aufgeschrieben und nur sanft korrigiert.

3. 2 Jahre oder weniger

Auf dem Floß waren wir unterwegs, als das Ding in irgendeiner Playlist unbeabsichtigt abgespielt wurde. Sun Ra Bullock meinte, das wäre der Gary-Blues, die anderen rauchten einfach weiter. Vielleicht kommt der Eindruck durch das Tambourin, oder die 1-Ton-Orgel. Jedenfalls schunkelten wir genauso an einem sonnigen Mai-Tag dahin. Aber diese dräuende Routine, diese immergleiche Aussichtslosigkeit, die ringförmige Eintöngkeit, die soundgewordene S-Bahn ohne Ende und Anfang, die waren wir dann doch nicht. Schließlich konnten wir irgendwo anlegen. Das kann die Wüste Routine, durch die wir alle im Alltagsnebel schlendern, nicht. Da bist du drin, da gibt's keine Endstation, die fährt immer im Kreis und das irre ist: Du merkst das nicht. Hast du eigentlich auch so nicht bestellt, aber der alte mürrische Ober Schicksal knallt dir den Drink halt einfach auf den Tisch. Also sauf. Was anderes gibt’s nicht, besser wird’s nicht. Du weißt, dass das irgendwo ein Kreis ist, sowie alles irgendwie (Leben, Regenschirm, Rihanna-Platte, Papstkrone) aber merken tust du es nicht. Höchstens, wenn du mal hingucken würdest, du Irrer. Nach einer durchfeierten Nacht, da könntest du eventuell mal was merken. Wenn du ganz genau drauf achtest, oder mal eine ganze Runde drehst. Das passiert natürlich nie, denn die Zeit gibt dein Leben ja gar nicht mehr her. Gehetzt. Jeden Tag, bei Tages- und Nachtfreizeit. Nicht das alte Lied, aber das alte Thema. und es wird neblig, mein Gott, ist das neblig. Da gab es dieses Spiel, das wir uns ausgedacht, aber nie gespielt haben: Drink The Ring, nannte Schätzeken das. Ich könnte es eh nicht mehr spielen. Das Spiel geht so. Alle steigen an der gleichen Station ein, an jeder Haltestelle steigen alle aus und suchen die nächstgelegene Kneipe auf. Dort wird ein Bier getrunken. Dann verlässt man die Bar wieder, steigt in die nächste Ringbahn, steigt an der nächsten Haltestelle aus, sucht die nächste Kneipe auf und so weiter und sofort. Wer die meisten Stationen schafft, hat gewonnen. Ist dann Ring-König*in. Alle anderen haben verloren und müssen ohne Hilfe nach hause kriechen. Vielleicht schafft auch jemand alle Stationen, das stelle ich mir sehr spannend vor. Aber möglicherweise haben ein paar Neuköllner Kneipenkatzen das Spielchen schon mal mitgemacht und jeden Level durchgespielt. Statt Bier einen Schnaps an jeder Haltestelle, aber erstmal die nächste Bar dort finden, am Westhafen wäre das schon interessant, Jungfernheide hielte sicher auch ein paar spannende sozialräumliche Aneignungsexperimente parat. Oer wir verkaufen die Idee. Schätzeken, sag mir, wie wäre das? An irgendwelche Partytouristen, die ein Wochenende in der Stadt sind und von 48 Stunden die Hälfte in der Ringbahn saufend, am Ende vollgekotzt, eingepisst und eingekotet, mit einer Plastiktüte um den Hals und Edding-Penis-Tattos auf der Stirn wieder in den Flieger steigen. Wie wäre das, Schätzeken? Wäre das nicht schön?

Montag, 14. November 2022

THANK YOU GARY MUCH - Mann mit der Torpedohaut


Wie angekündigt, zu jedem Song auf dem "Thank You Gary Much"-Tape ein paar Liner-Notes, in 10 Minuten nach einer Free Writing Methode aufgeschrieben und nur sanft korrigiert.

2. Mann mit der Torpedohaut

Wir reisen, wir reisen, wir reisen. Ein Punk-Boogie wie eine Fahrt durch unbekanntes Land. Hier Steppe, da meterhohe Schilfe, runter geht's und dann wieder hoch. Da, in der Ferne, diesig blaue, malerische Bergzüge, mit irgendwas bewachsen, das geduldige Büffel mit ausladendem Gehörn seelenruhig abfressen, tagein tagaus. Solche Berge sind das, an deren Fuß sich Strände befinden - ohne Surfdudes und ohne den kleinsten Partikel Mikroplastik. Die Sonne scheint darob, ein paar Wolken kreuzen den Weg, aber es ist nicht zu heiß. Wir kommen gut voran, liegt vielleicht an unserem Gefährt, das wir vor ein paar Tagen gemeinsam eingeschmissen haben, nachts um drei in dieser Bar, in der das Licht auch nüchtern seltsam blinkte, und auf dem wir jetzt durch die Dimensionen heizen. Ich trage einen Sombrero, einen strohgemachten, extra für mich geflochten und mit einer bestickten Banderole und ener blauen Feder unbekannter Herkunft geschmückt. Meine Hände mit dem Kunstleder des Lenkrads verschmolzen, die rechte Hand nur manchmal sanft den Schaltknauf mit dem Marienbildnis betätigend. Du neben mir, hübsch wie immer, süß, geheimnisvoll, zweiköpfig. Sphinxig. Deine schmalen Augen, die eher einer Viper angemessen wären, lachen mich an, alles ist gut. Im Mundwinkel hast du einen riesigen Pappbecher (1,5 l mindestens) Latte Macchiatto, mehr Schoko als Kaffee. Hauptsache Koffein. So brausen wir dahin, unter Brücken durch, über Paß-Strassen, die durch regenbogenartige Landschaften führen, immer weiter vorwärts. Pausen werden nur selten gemacht, an den Motels, an den Tankstellen, an den einsamen Grillstuben, wo im der Blechtonne seltsame Dinge vor sich hingaren. Vielleicht sind wir die ganze Zeit auch nur bekifft. Es wär nicht so wild, eigentlich eher förderlich, Reist sich eher noch besser. Runter und wieder rauf. Es ist alles ein bißchen wie bei Mario Kart, nur in echt. Bunte Straßen, lustige Gefährten, mit denen wir uns spaßige Rennen liefern. Kurve links, Kurve rechts, jetzt auf die Regenbogenstrecke. Bowser hinter mir, die Prinzessin deckt die rechte Seite, Vorsicht da kommt so eine komische Obstbombe, die wird uns voll raushauen, weich aus! Mann, was habe ich die Regenbogenstrecke geliebt! So wie diese Strecken ist das hier, Mann. Wie bei allen Strecken von Mario Kart, nur in Natur und man kann mal rechts ranfahren, aussteigen, sich alles angucken. Stell dir vor, du machst bei Mario Kart eine Pause auf dem Rastplatz und schaust dich mal eine Stunde in der Gegend um! Na, wie wär das? Wie wäre das, Mann? Wäre das geil? Und dann wieder los. Hoch, runter, rechts herum, links herum und auf dem Rücksitz brodelt ein Topf mit heißer Suppe vor sich hin.

Sonntag, 13. November 2022

THANK YOU GARY MUCH - Badewanne Selbstmitleid morgens


Wie angekündigt, zu jedem Song auf dem "Thank You Gary Much"-Tape ein paar Liner-Notes, in 10 Minuten nach einer Free Writing Methode aufgeschrieben und nur sanft korrigiert.

1. Badewanne Selbstmitleid

Jetzt muss alles schnell gehen. Anziehen, Zähne putzen, Tee trinken, Brot essen. dann raus, Treppe runter, zur Haustür raus, schnell schnell. Der Tag wartet nicht, nicht auf dich, er rennt dir davon, du siehst ihn immer nur von hinten und hörst dieses höhnische, elsterhafte Keckern: dukriegstmichnicht, dukriegstmichnicht,dukriegstmichnicht, hahaha. zack, ist die Zeit davon gerauscht, niemand weiß wohin, vielleicht um die nächste Ecke, wahrscheinlich eher zum nächsten Punkt auf der To-Do-Liste. Friseur, Einkaufen, Fitnessstudio, zum Arzt (oft), zum Notar (nicht sooft), Bude putzen, eine Rechnung überweisen, Urlaub planen, Wochenende planen, Job planen, Essen planen, Sport planen, Entspannung planen, Serie schauen planen (Wofür? Plan kaputt, was dich kaputt macht), Freundin treffen. Freunde wollen auch getroffen werden, alle zusammen am besten jedes mal mitten ins Herz. Das heißt ja heute netzwerken, alles muss Nutzen haben, sogar Bier trinken in der Kneipe. Mit Menschen zusammen sein, die einem so gar nichts zu bieten haben, außer einer guten Zeit, ist verpönt, denn die sind ja netzwerktechnisch nicht nützlich. Freundschaft im 21. Jahrhundert. Manche schon so lange nicht mehr gesehen. Die Bandpiepel namens Zeit, Interesse, Konzentration, spielen dabei alle nicht synchron, nicht im selben Rhythmus, nicht mal in derselben Band, nicht im selben Proberaum, schon gar nicht auf dem selben Gig. Die kennen sich nicht mal wirklich. Mein Netzwerk? funktioniert super, schön dass du fragst. So. Alles analysiert, mit wem und wann man zusammen sitzt und Dinge tut. Alles muss Nutzen haben, kapier's doch endlich mal. Well, und dann zwischendurch ein Moment der Ausschöpfung einer Ruhe. Kurz an der Wand lehnen, aber nicht so, als würde man besoffen aussehen. Wie schön wäre es, sich einfach auf die stufen eines U-Bahnaufgangs zu setzen und für zwei Minuten die Augen zuzumachen. ich haue auf die Couch, dann ist der Kopf wieder an, war kurz defekt, weil immer immer immer immer immer immmer immer immerimmerimmerimmerimmerimmmerimmerimmmerimmerimmmerimmerimmerimmerimmerimmmer zu viel zu tun. immer. öfter in die tasten gehauen, ergibt das Wort einen guten shuffle. diese 5 Buchstaben. Mit ever geht das anders. ever ever ever ever ever ever ever ever ever ever, ever ever ever ever ever ever. Ever ever ever ever. Fast wie der Auftakt beim Anfang der Addams-Family-Titelmelodie. siempre noch schwerer. siempre, fast schon eins von diesen Breaks aus alten Soulsongs, die immer gecovert werden. ja, und so sitze ich beim Sonnenaufgang im Nebel, kloppe Buchstaben ins Plastik und das muss sein. So viele Dinge müssen sein aber Ruhe ist nicht zu finden. Gute Freunde wohnen jetzt ganz weit weg und wenn ich ganz weit sage dann meine ich das auch so. schon zig mal versprochen, mal vorbei zu kommen, aber für 2 Tage lohnt das nicht, so weit weg ist das, es müssten schon vier Wochen sein, ha, vier Wochen, wo sollen die herkommen am Stück. Wollte ich in solche Überlegungen je sein?

THANK YOU GARY MUCH - Gary Flanells erstes Solo-Tape

Aufgemerkt, liebe Freunde der rhythmischen Tanzmusik:
Nächste Woche Freitag wird das erste Solo-Tape vom Herrn Flanell veröffentlicht.

"THANK YOU GARY MUCH" heißt es, komplett weiß ist es, 11 Songs enthält es, auf 50 Exemplare limitiert ist es. Soweit die Fakten.

Nach Jahrzehnten des Fanzine Machens und in diversen musikalischen Projekten Involviert Seins (früher: ESEL, MERCEDES Z, SCEPTIC JAZZ, ELLA & GARY, heute: ATOMVULKAN BRITZ, KUNSTKACKE SOUNDSYSTEM), nun also erstmalig eine Auswahl dessen, was ich in den letzten Jahren aufgenommen habe.

Die 11 Tracks tragen allesamt eine große Portion Punk- und DIY-Spirit in sich, auch wenn es in musikalischer Hinsicht nicht alles Schrammelgitarre ist, sondern zuweilen etwas elektronisch daherkommt. Das meiste wurde in den eigenen vier Wänden eines Ost-Berliner Plattenbaus konzipiert, aufgenommen, arrangiert. Es gibt noch diverse Songs mit englische Lyrics, auf diesem Tape sind alle Texte allerdings komplett auf deutsch.

Bei der Realisierung dieses Tapes gab es Support von wirklich lieben Menschen, ohne die es nie so hübsch geworden wäre, wie es ist:

Baba Jaga hat wunderbare Vocals auf dem Track "Europa" eingesungen, Atomvulkan-Brudi Sun Ra Bullock seine subtilen Kaos-Pad-Echo-Skills auf "Die Ideen gehen aus" beigesteuert und Bernard Fruithagel, der großartige grafic artist, hat das hübsche stilvolle Coverdesign samit Banderole und Gary-Score A perfekt umgesetzt.
Und dann will ich noch Alissa Wyrdguth erwähnen, die mit klugem und wichtigem Feedback geholfen hat, manch peinliche Untiefe zu umschiffen.

Anhören und runterladen kann man sich alle Tracks des Tapes ab dem 18.11.2022 über die Bandcamp-Seite von JOHN STEAM RECORDS. Dort kann auch das Tape bestellt werden.

Einen Vorgeschmack gibt es jetzt schon, denn der Track "Michel Piccoli" wurde bereits am 11.11. veröffentlicht und ist hier hörbar.

In den nächsten Tagen werde ich den Renfield-Blog nutzen, um zu jedem Track auf "THANK YOU GARY MUCH" ein paar Liner-Notes zu hinterlassen.
Diese Texte werden nach einer Free writing-Methode verfasst.

Das bedeutet: Ich werde jedes Mal 10 Minuten ununterbrochen schreiben. Alles, was mir zum jeweiligen Song in den Sinn kommt. Wichtig ist es, nicht aufzuhören mit dem Schreiben. 10 Minuten lang. Dann ist Schluß. Jeder Text wird dann noch sanft orthografisch korrigiert, aber inhaltlich wird nichts verändert.

Los geht es mit "Badewanne Selbstmitleid morgens".

Hier schon einmal die Tracklist aller Songs des "THANK YOU GARY MUCH TAPES":

1. Badewanne Selbstmitleid morgens

2. Mann mit der Torpedohaut

3. 2 Jahre oder weniger

4. AMHIG

5. Trauriger Hund

6. Selten mach ich Spaß

7. Michel Piccoli

8. Die Ideen gehen aus

9. Europa

10. Woher ich komme

11. Badewanne Selbstmitleid abends

THANK YOU GARY MUCH von Gary Flanell erscheint am 18.11.2022 uf John Steam Records in einer limitierten Auflage vn 50 Tapes und als digitaler Download über die Bandcamp-Seite von JOHN STEAM RECORDS.



Am 18.11. ab 21 Uhr wird das Tape bei der JSR DOUBLE RELEASE PARTY im Trxteria Nova in Kreuzberg vorgestellt - gemeinsam mit der Veröffentlichung des Tapes "First We Tape Manhattan" von LUTZILLA (Indierock/Post-Punk, Berlin) und ATOMVULKAN BRITZ (Regressive Rock), DJ-Set by Untanzbare Zustände (Indie-Rock).

Dienstag, 1. November 2022

Schön, wenn Menschen Musik machen Part XXI

G31 - Die Insel der versunkenen Arschlöcher

Normalerweise trägt diese Review-Sekton ja noch das Adjektiv "junge" in bezug auf Menschen im Titel. Das lasse ich diesmal weg, aus Gründen. Denn das Bandfoto zeigt mir, dass G31 und ich ungefähr in der gleichen Alterskohorte sein dürften.
Also nicht mehr ganz jung, aber auch noch nicht im Stadium der senilen Bettflucht angekommen.
Das heißt ja nicht, dass man kein Musik mehr machen dürfe.

Punk mag vielleicht ein Nachwuchsproblem haben, aber es ist älteren Szenegraurücken ja nicht verboten, weiterhin Platten aufzunehmen und live zu spielen.
Sowas kann zuweilen ganz schön in die Hose gehen (denke ich manchmal, wenn ich z.B. aktuelle Exploited-Live-Mitschnitte sehe. Warum ich damit wertvolle Lebenszeit verschwende, sollte ich mich auch mal fragen) aber auch gut laufen.

Was mich zu G31 bringt.
Denn hier läuft's gut.



G31 haben im Mai 2022 ein zweites Album mit sehr lustigem Titel rausgebracht, und das sogar auf Vinyl.
Mir liegt nur die CD vor, aber die reicht, um einen guten Einblick zu bekommen.
Und gut ist der Eindruck von G31 auf alle Fälle: Denn souverän gespielten Deutschpunk mit gewitzten Lyrics, einfallsreichen Song- und Soundstrukturen kann ich mir zuweilen immer noch geben, gerne auch, wie in diesem Fall mit einer Sängerin.
Die Diskussion über die Sichtbarkeit und das zahlenmäßige Auftreten von Frauen in Sachen Punk ist immer noch aktuell und wichtig. Und jede Frau die sich in einer Band auf die Bühne stellt und Raum zwischen all den Typenbands einnimmt ist wichtig, egal ob sie in einer Crustcore-Combo den Bass schrubbt, in einer Gothic-Waveband Gitarre spielt oder wie hier, einer Deutschpunkband wichtige Impulse gibt - sie sind alle wichtig. Mehr davon ist immer noch nötig.



Das wäre als formales Kriterium für die Bewertung dieser Platte sicher zu wenig, aber die guten Texte (meine Faves: Sonne im Park, Revolution spielen) und die kraftvolle Stimme von Mitra ist nicht alles.
G31 wissen wie man aus bekannten Punkrockstrukturen noch einfallsreiche Songs stricken und die nach dem DY-Prinzip auch gut produzieren kann. Hinzu kommt, dass thematisch alles klar thematisiert wird, was man von einer (Hambrger) Punkband erwarten kann: Es geht gegen Nazis, gegen Bullen, gegen das ganze Scheiß-System. An all dem Abarbeiten geht anscheinden noch immer sehr gut.
Jetzt wären wahrscheinlich noch ein paar bekannte Namen als Name-Dropping wichtig, damit auch die einfachsten Gemüter diese Band genau einordnen können. Kommen jetzt.

Auf dem Waschzettel werden als selbstgewählte Referenzen SLIME, BUTTAT; RAZZIA, SCATTERGUN und ANTIKÖRPER (die wohl auch, weil AK-Gitarrist Peter jetzt bei G31 mitmischt) genannt. Das kann man so stehen lassen, so düser wie RAZZIA kommen G31 allerdings nicht rüber, sondern eher wie eine typische kämpferische HH-Punkband, die so auch gut in den 90ern auf St. Pauli einiges hätte abräumen können. Von Mitras Stimme her und der Art, wie sie singt, muss ich zuweilen auch an Hans-A-Plast denken, der Sound hier ist allerdings doch ein anderer.

(E) auf der 26-teiligen Renfield-Rezensionsskala.

Gary Flanell

"Die Insel der versunkenen Arschlöcher" von G31 wurde von G31 in Kooperation mit STERBT ALLE Records im Mai 2022 veröffentlicht und ist als LP im Gatefoldcover erschienen CD liegt auch bei).

G31 im Netz:

Auf Facebook

https://g31punk.org/