26. November 2015. Renfield-Magazin Nummer 31 ist gerade knapp eine Woche raus. Das Fest zur Veröffentlichung war rauschend, auch dank der netten Bands KÜKEN und RAZOR CUNTS Und , nicht zu vergessen, dank des famosen DJs Angelika und seinem spontan eingerittenen Sidekick.
Weil das Heft so picke-packevoll mit geilen Stories geworden ist, wurden ein paar Rezensionen auseelagert. Aber nicht auf dem Müllhaufen der in Ehren vergessenen Tonträger, sondern hier und jetzt - auf den Blog.
ACID BABY JESUS – Selected Recordings (Slovenly)
Yeah, du. Voll verdrogte Hippiekacke mit übersteuerten Höhen, die dir mal echt einen fetten Horrortrip verpassen, man. Morgens vor der Arbeit eine echte Herausforderung für den Biorhythmus. Aber: Nach Feierabend und in entgrenzter Runde, in der man sich unbekleidet nachrennt und versucht, die anderen mit den primären oder sekundären Geschlechtsmerkmalen abzuklatschen, ist das tatsächlich recht kurzweilig zum einen, nicht unerheblich hypnotisch defokussierend für die dann erforderlichen Verschnauf- und Inhalierpausen zum anderen. Ein wenig aus der Zeit gefallen, ein ganz kleines bisschen zu plakativ, aber yeah, du, wenn wir erst alle verschmolzen sind wie die Klumpen in der Lavalampe doch immer noch so easy, du. Philip Nussbaum
DER FEIND - 7inch (Bleeding Heart Nihilist)
Herr Harley, es ist mir eine Ehre. Der werte Chef schickt mir die erste 7“ ever, und dann ist es nicht irgendetwas, sondern eben das Ihre Machwerk. Rumms. Noch Fragen nach dem Abspielen? Nö. Danke, weitermachen. Da gibts mit Anlauf auf die Fresse und das unglaublicherweise gleich acht Mal auf einer popeligen Single, so lässt es sich leben in all der ankotzenden Unlebbarkeit. Faster faster! Kill kill kill! Zum Beispiel eine Pussycat, aber nur zum Beispiel und/ oder als Anfang. Herr Harley, ich ziehe meinen Hut vor Ihrer vehementen Kriegsführung, Gefangene sind tatsächlich überbewertet und stehen eh meistens nur im Weg herum. Sehr gerne biete ich eine Koalition an, denn als Feind möchte ich Sie gerade nicht so gerne. Philip Nussbaum
East Ends – What’s the furthest place from here? (Homebound Records)
Auch in Menden weiß man: Eine Zwei-Mann-Kapelle muss nicht unbedingt billigen Garage-Trash dudeln. Vielleicht sind die East Ends Deutschlands erstes Emocore-Duo. Oder einfach ein Duo, das Popsongs schreibt, denn eigentlich ist es Popmusik. Einfach nur schlichte, von Gitarren getragene, gute Popmusik. Sowas wie Jimmy eat World oder die Get-Up-Kids oder wer sich sonst so ins Emo-Diary eingetragen hat, in den 90ern gemacht haben. Nur halt zu zweit. Da klingt natürlich alles ein bisschen reduzierter, aber schlecht ist das nun nicht. Auch der Schulband-Alarm bleibt nach dem Textstudium seltsamerweise ganz aus. Sowas wie „Is it light depression or just some dark days?” kann man durchaus mal schreiben. Und singen. (G) Gary Flanell
Loser Youth – Livin‘ la vida loca – LP (amsa-records.de)
Der Trend geht zum einseitigen, warum auch nicht? Deshalb hat Hamburgs Verlierernachwuchs alle ihre neun Songs auf eine Seite einer neongrünen Vinylplatte gepackt. Reicht ja auch, wenn man ultraschnelle Deutschpunkhacker spielt. Ist aber nicht der klassische, schon etwas miefige Asi-Dicke-Männer-Deutschpunk, sondern eher so eine hektische HC-Kante. Man ist hörbar sauer auf alles und jeden und hält nicht hinterm Berg damit. So schnörkellos hingerotzt gefällt mir das besser als manche Band, die den hundertsten Turbostaat-Abklatsch liefert. Der Titel in Zusammenhang mit dem Cover (Band auf Spielplatzschaukeln, gelangweilt guckend) zeigt, dass die Herren auch im GK Humorverständnis fleißig mitgemacht haben. Und ein Refrain wie „Astrologie ist wichtiger als Geld“ sowieso. (F) Gary Flanell
METEORIT - Tape (Greatberry Tapes, Kassette)
Beim Zivi haben wir einen Typen gefahren, der sich die Augäpfel rausgedrückt hat, um Farben zu sehen. Er konnte „Kassette“ und eine Zusammenschleifung von „Ivona“ (seine Mutter) und „Tischlampe“ sagen. Ich hätte auf ihn hören sollen. METEORITs Best of wäre in anderen Bewertpostillen unzweifelhaft die „Schönheit der Ausgabe“. Ein kopfstehendes Reh als Cover, lustige Stickerchen der Band als Gimmick und zwölf deutschsprachige Poppereien aus den beiden für Ömme kriegbaren Alben der Musikanten. Gewinnerding für Die Sterne- und Geschichtenmittieren-Möger. Und sicher auch für Augäpfelrausdrücker. Philip Nussbaum
MOVIE STAR JUNKIES – Evil Moods (Voodoo Rhythm Records)
Nick Cave goes "Die Straßen von San Francisco" und meets there ein paar Typen, die mit ihren Instrumenten das eine oder andere Noisige anstellen. Draußen ist's grad was kühl, also geht man mal zusammen irgendwohin und haut sich da ein paar Flaschen Kaffee in den Kopp. Großstadtinderspätsommersonnesoundtrack. Mit deutschen Landschaften leider irgendwie inkompatibel, so dass vorzuschlagen ist, den musikalischen Film um sieben Uhr im abgedunkelten Verwaltungsbüro oder kurz nach Mitternacht während einer Autofahrt auf einer Pottbundesstraße laufen zu lassen und sich die passende Beleuchtung vorzustellen. Philip Nussbaum
PRECIOUS FEW – Tales (Tumbleweed Records)
Wäre es ein etwas hochstimmiger Sänger, dann hätte es vielleicht sogar etwas. Vielleicht wenigstens. Tatsächlich ists aber eine etwas tiefstimmige Sängerin, und es fehlt etwas. Textlich einfach drauf los, überwiegend in schön sperrigem und reimfreiem Denglisch, hauptsächlich ohne relevante Story, aber was solls. Das ist nicht der Punkt. Das musikalische Gesamtpaket ist nicht wirklich sympathisch, was folkigem Singer-/ Songwriterkram mit seiner Lagerfeuernähe doch recht leicht fallen könnte. Spröde? Hm. Ja? Nö. Beim Drübernachdenken und Nichtseinfallen zum schön schick verpackten und klanglich völlig okayen Promoteil aus dem Hause Tumbleweed bleibt’s bei einem leidlich interessierten Vielleicht. Philip Nussbaum
Resolutions/Up for Nothing –Split 7” (Homebound Records)
Eine Band aus Hannover (nein, nicht die Scorpions incognito) und eine aus Brooklyn (nein, nicht die Beastie Boys incognito) teilen sich diese schneeweiße 7inch. Je zwei Songs gibt es und auch gewisse Gemeinsamkeiten – ist nämlich alles Punkrock mit Herz. Also Emo-Core und das um Viertel nach 9 am Montag. Ebendie Art, wie man sie oft auf No-Idea-Releases oder beim FEST in Gainesville hören kann. Bißchen rauh, bißchen melancholisch und nachdenklich. Up For Nothing haben ein bißchen mehr Bums, sogar bei ihrem Akustikgitarrentrack. Resolutions sind dagegen fast so poppig wie Samiam. Das Credibility-Salz in der Suppe kommt durch den Mix, den hat nämlich Descendent Stephen Egerton besorgt. Beides sehr solide, aber nicht besonders aufsehenerregend. (J) Gary Flanell
Sand.IG – Still–EP (Lautfrosch Records)
Vor ungefähr 10 Jahren war ich sehr angetan von einer Platte mit dem Titel “Waren des täglichen Bedarfs”. Die lief in unserer WG rauf und runter und war von den Berlinern Sand.IG. Die Texte sorgten jedenfalls für gute Assoziationen und „Kopfschwanger“ haben wir alle gerne mitgesummt. Auch musikalisch war das ziemlich gut. Abwechslungsreich, nicht zu nerdig und mit dem ordentlichen Noise-Rock-Wumms dabei. Danach sind Sand.IG aus meinem Blickfeld verschwunden, ich glaube sogar etwas von einer temporären Auflösung gehört zu haben. Nach all der Zeit traf ich sie wieder, bei einem Konzert in meinem liebsten Trinker-Souterrain. Nach 10 Jahren Pause wirkt manches auf mich auf die Distanz etwas zu theatralisch. Klangen Sand.IG schon damals die Skeptiker auf dem Krautrock-Trip? Wie die Neubauten als Post-Rock-Barden? Muss mal wieder die “Waren des täglichen Bedarfs” rausholen. Ein zweites Mal Kopfschwanger werde ich bei dieser EP leider nicht. (G) Gary Flanell
TEAR THEM DOWN – Ett liv i härlighet (F. A. M. E. D. Records)
Deutsch, Englisch, Swaheli – völlig irrelevant. Also mal keine Sorge, ihr Schweden, ihr. Euer kurzes Dingelchen wird natürlich betrachtet, und dann (Tubenausquetschgeräusch) Senf dazu, da brauchts keine Devotie oder Herkunftskoketterien im Begleitschreiben. Komischer Ansatz. Wenn ihr ein teutsches Heftchen für sowieso borniert haltet, warum schickt ihr euren Mist überhaupt dahin? Alte Freunde verprellt man so, neue gibt’s dafür dann nicht. So. Kurzeentfernungsratatata auf Schwedisch. Ich könnte meine Tante fragen, wovon die da skatepunkig erzählen, aber der geht’s gerade nicht passend. Und leider interessiert’s mich auch nicht brennend genug. Das Video zu „En Insikt“ hilft wohl denen, die da anders aufgestellt sind, und glänzt noch dazu durch angenehme Abwesenheit der Band. Philip Nussbaum
Van Urst – s/t (Rookie Records)
Es kommt selten vor, dass ich eine Platte mehr als fünfmal höre und dann immer noch nicht weiß, welche Band das gerade ist. So ein Fall liegt bei Van Urst vor. Vor einigen Jahren hätten sie mit diesem Sound allen aufgefallen, die auf Fugazi, Rites of Spring und ähnliches Dischord-Zeug stehen. Also eben nicht doof, sondern ganz gut durchdacht. Leider zünden V.U. bei mir nicht so urst, wie es sein könnte. Dazu ist die Gitarre manchmal etwas zu dünn und auch dieser Wechsel zwischen deutschen und englischen Texten erscheint mir etwas zu ambitioniert. Vielleicht besser für eins entscheiden. Bis dahin leg ich meine alte Jim-Croce-Platte auf. (H) Gary Flanell
The Yolks– Don’t cry anymore – 7inch (Bachelor Records)
Gerade schwelgte ich noch in der Verträumtheit der LP von Yolks-Sänger Spike mit den Sweet Spots, da kommt mir die erste Seite der neuen Yolks-7inch zum Aufwachen ganz recht. Flotter als sein Solowerk geht Spike hier auf alle Fälle zur Sache. Wobei sich der echte Hit auf der B-seite versteckt. „I wanna be dumb“ hat das Zeug, einer meiner Lieblingsauflegesongs zu werden und kommt deshalb sofort in die allzeit griffbereite DJ-Handwerkskiste. Knackiger Beat, gute Geschwindigkeit und eingängige Melodien - what do you wanna mehr from a Band out of San Francisco ohne Flowers in their Haare? (F) Gary Flanell
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