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Donnerstag, 27. November 2025
Schön, wenn bunt und grau zusammen Pt.I
MAHLER / FONDERMANN - Neu, gebraucht, geliehen & verraucht
Mahler. Fondermann. Slime. Torpedo Moskau. Antikörper. Um die Dimension klarzumachen, wer hier eigentlich gemeinsam Musik macht, würde die Aufzählung der Bands, in denen die beiden involviert waren, eigentlich reichen.
Stellt sich die Frage nach der Erwartung: Klingt das gemeinsame Werk dieser beiden Hamburger Musiker komplett nach den anfangs genannten Bands? Natürlich nicht, dann wär's ja langweilig. Es kann auch gar nicht genau danach klingen (also nach klassischem HH-Deutschpunk samt inkludierter St.Pauli-Hafenstraße-Folklore), denn Stephan Mahler und Ritchy Fondermann sind ja während ihres musikalischen Schaffens noch in einigen anderen Projekten aktiv gewesen. Die teilweise nicht immer so bekannt geworden sind, aber darum geht's ja nicht. Dass diese Platte also recht vielfältig ausgefallen ist, wundert vor diesem Hintergrund nicht.
Ich muss zugeben, dass "Neu, gebraucht, geliehen & verraucht" mich beim ersten Hören nicht sofort gekriegt hat. Das kann daran liegen, dass ich nicht besonders konzentriert zugehört habe. Es ist aber auch nicht so, dass sie sofort ins Regal gewandert ist. Die Platte blieb erstmal auf dem Abspielgerät liegen und dann habe ich sie ein zweites Mal gehört. Und ein drittes Mal. Und ein viertes und ein fünftes Mal. Ihr seht, wohin das geht. Diese Platte ist ein sogenannter Grower. Eine Platte, die umso mächtiger und toller wird, je öfter man sie hört. Denn es sind viele Dinge zu entdecken, manchmal waren es auch spannende, weil unerwartete Assoziationen, die mich packten. Beim Opener "Schattenvogel" dachte ich nach den ersten 4 Takten: "Sex Pistols?", und nein, es wird dann kein typischer Rotzpunk, sondern ein wunderschönes dunkel-herbstliches Post-Punk-Stück. Video übrigens auch total toll, wurde wohl teilweise in Lappland gedreht. Sagt zumindest Ritchie.
Es gibt hier recht viele Dinge, die bei dieser Platte zusammenkommen. Manches klingt nach den WIPERS ("Trauertränen"), anderes nach TOCOTRONIC oder KETTCAR, sogar ELEMENT OF CRIME und natürlich die alte Hamburger Punkschule schimmern hier durch die nachdenkliche Atmosphäre des gesamten Albums durch. Reflexion und Melancholie zieht sich fast durch alle Songs. Gerade bei den ruhigeren, in denen Akustikgitarre und Klavier zum Tragen kommen, ist sie schon sehr wohltuend ("Neubeginn" beispielsweise).
Was bei dieser Platte noch wichtig ist: Die Jahreszeit. Ich finde, dass der Herbst als Zeitpunkt der Veröffentlichung total nachvollziehbar ist. Wenn das Ding im Sommer erschienen wäre, hätte es nicht die gleiche Wirkung gehabt.
Neulich waren Abel und ich in Hamburg im Studio von Ritchie Fondermann, um Dinge aufzunehmen. Da war auch schon Herbst. Als ich mich beim Hören dieser Platte später daran erinnerte, wie wir durch Ottensen gelaufen sind, fiel mir auf, dass hier alles passt: das MAHLER/FONDERMANN-Album, die Jahreszeit, die Stadt. Warum das so ist? Weil Mahler/Fondermann immer wieder Szenerien, die an Herbst und eher dunkle Tage erinnern (zB. in "Sturm" oder eben jenem Video zu "Schattenvogel"). Ich kann nciht genau sagen, warum, aber die B-Seite gefällt mir insgesamt ein bißchen besser. Vielleicht kommt hier die Tatsache, dass es diese Platte eben ein Grower ist, auf Mikroebene nochmal mehr zum tragen. Ich werde darüber nachdenken. Genug dunkle Tage, heißen Tee und gute Musik gibt es ja jetzt.
Beste Tracks (auch das rein subjektiv) einer insgesamt sehr tollen Platte:
EINE WOCHE (weil erst schön seltsames Noise-Gelöt, dass sich dann in einen wunderbaren Noise-Pop-Song verwandelt. Und weil Liebe.). SCHATTENVOGEL (weil spröder, aber sehr stimmungsvoller Opener). DIE KRONE (weil schöne Twang-Gitarre auf hübsch verträumte Lyrics trifft. Bekomme irgendwann seltsame U2-Gedanken. Trotzdem super). LICHT (weil top Text). ALLES HAT SINN (weil's ja stimmt. Und der Song top ist.).
Ganz vergessen: Das Cover, dieses wunderschöne bunte Cover, das dafür sorgen wird, dass du diese Platte in deinem Regal immer wiederfinden wirst und das angenehm alle befürchteten Punk-Cover-Artwork-Klischees souverän umschifft, ist übrigens von Daniel Richter. Genau, dem Künstler Daniel Richter. Kennst du nicht? Dann schau mal bei Wikipedia nach, du Baunase.
Gary Flanell
Neu, gebraucht, geliehen & verraucht von MAHLER / FONDERMANN ist erschienen auf Sterbt Alle Records.
Donnerstag, 20. November 2025
Schön wenn kurz Pt. IIIXXI
Hier mal einige Shorties von kleinen Platten, die in letzter Zeit (dehnbarer Begriff, ich weiß) oder in naher Zukunft erschienen sind oder erscheinen werden. Aber scheiß auf Tagesaktualität, das hier ist Zine und da ist sowas egal. Also los.
TAG OHNE SCHATTEN / TRUST ISSUES - Split 7inch
Manche Dinge gehen einfach gut zusammen - Rewe neben Aldi zum Beispiel. Wölfe und Bären bei der Jagd ebenso. Gleiches gilt auch für die beiden Bands auf dieser Split-7inch mit dem sehr schönen Comic-ein-bissl-wie-früher-bei-Frank-Koziks-Man's-Ruin-Cover, und dann noch rotes Vinyl, ein Traum. T/O/S bringen zweimal richtig guten deutschsprachigen Punk, schön abwechslungsreich, gut gespielt und eine angenehme Dosis an Melancholie mit Wut vermischt. Ein bissl muss ich an RAZZIA und ein bissl an PETROGRAD denken. Top!
TRUST ISSUES sind old rabbits im Punkbusiness, wie ich es Abends im Schaukelstuhl auf der Veranda meines brandenburgischen Anwesens zu nennen pflege, während ich mir nach hartem Tagwerk einen Zug aus der Meerschaumpfeife gönne und auf die gut bestellten Ländereien schaue. Ok, ich schweife ab...
JEDENFALLS: Ihre letzte LP habe ich schon sehr gefeiert und auch die beiden Songs auf ihrer Seite der 7inch sind kleine Wunderwerke. Wieder ist es SCREAM-artiger old school HC/Punk mit leicht neurotischen Noise-Rock-Tendenzen. Alles, was in den späten 80ern bis in die frühen 90er an HC-Punk geil war, dürft ihr jetzt als Referenz nehmen... naja, bis auf dieses ewig nach der gleichen Papp-Schablone klingende Melodic-Hardcore-Zeug. Wie gesagt, manche Dinge gehen gut zusammen, hier sowieso beide Bands, das Gesamtpaket ist sehr gelungen und auf dem Label mit dem tollen Namen STERBT ALLE Records erschienen.
Gary Flanell
DIE BENJAMINS „In 10 Jahren / Pas De Deux“ (Tomatenplatten)
Die Benjamins sind wieder da. Die All-Star-Band um die ehemalige Hans-A-Plast-Sängerin Annette Benjamin legt nach ihrem Debütalbum nun eine Single mit zwei nagelneuen Songs nach. Aufgenommen und produziert von Moses Schneider, live eingespielt und roh und unverputzt eingefangen. So kommt derCharme der Band gleich richtig zur Geltung. Ihr Post-Punk knarzt und kracht, direkt und unverbraucht. Und über allem natürlich Annettes unverwechselbare Stimme. In „Wer liebt dich in 10 Jahren“ besiegt sie die Schnelllebigkeit unserer Gesellschaft vor allem auch in der Szene und führt dem Hörer damit unverhohlen die eigene Endlichkeit vor Augen. Noch drastischer wird es bei „Pas de deux“, wo Gewalt und Dominanz in der Beziehung thematisiert werden. Da Die Benjamins ja eher als Projekt denn als Band zu sehen sind, machen sie sich leider auf Konzertbühnen eher rar, so dass dieses schöne Kleinod von einer Vinyl-Single ein prima Methadon-Präparat darstellt. Dazu schön verpackt, Platten-Junkie, was willst Du mehr?
Abel Gebhardt
CHOIR DIVISION „Open Hearts, Empty Spaces“ (Last Exit Music)
Das Format ist das gleiche, die Marschrichtung aber eine gänzlich andere. Bei der Debüt-EP „Open Hearts, Empty Spaces“ von Choir Division handelt es sich um vier Stücke klassischer Chormusik. Nur dass es sich dabe eben nicht um klassische Lieder handelt, sondern um Neuinterpretationen großer Hits von Joy Division und ihrer Nachfolgeband New Order handelt. Die düsteren, melancholischen Songs der Kultband aus Manchester eignen sich hierfür so hervorragend, dass man fast geneigt ist sich zu fragen, warum bislang noch nie jemand auf diese Idee kam. Mit „Transmission“, „Day Of The Lord“, „Isolation“ und „Bizarre Love Triangle“ gibt es auf dieser 7“ gleich vier Klassiker der New-Wave-Epoche in neuem Gewand zu hören. Das ist einerseits sehr spannend, zu hören, wie man sich diesen Kompositionen als reine Acapella-Versionen nähern kann, anderseits machen die Stücke einfach Spaß.
Abel Gebhardt
TAG OHNE SCHATTEN / TRUST ISSUES - Split 7inch
Manche Dinge gehen einfach gut zusammen - Rewe neben Aldi zum Beispiel. Wölfe und Bären bei der Jagd ebenso. Gleiches gilt auch für die beiden Bands auf dieser Split-7inch mit dem sehr schönen Comic-ein-bissl-wie-früher-bei-Frank-Koziks-Man's-Ruin-Cover, und dann noch rotes Vinyl, ein Traum. T/O/S bringen zweimal richtig guten deutschsprachigen Punk, schön abwechslungsreich, gut gespielt und eine angenehme Dosis an Melancholie mit Wut vermischt. Ein bissl muss ich an RAZZIA und ein bissl an PETROGRAD denken. Top!
TRUST ISSUES sind old rabbits im Punkbusiness, wie ich es Abends im Schaukelstuhl auf der Veranda meines brandenburgischen Anwesens zu nennen pflege, während ich mir nach hartem Tagwerk einen Zug aus der Meerschaumpfeife gönne und auf die gut bestellten Ländereien schaue. Ok, ich schweife ab...
JEDENFALLS: Ihre letzte LP habe ich schon sehr gefeiert und auch die beiden Songs auf ihrer Seite der 7inch sind kleine Wunderwerke. Wieder ist es SCREAM-artiger old school HC/Punk mit leicht neurotischen Noise-Rock-Tendenzen. Alles, was in den späten 80ern bis in die frühen 90er an HC-Punk geil war, dürft ihr jetzt als Referenz nehmen... naja, bis auf dieses ewig nach der gleichen Papp-Schablone klingende Melodic-Hardcore-Zeug. Wie gesagt, manche Dinge gehen gut zusammen, hier sowieso beide Bands, das Gesamtpaket ist sehr gelungen und auf dem Label mit dem tollen Namen STERBT ALLE Records erschienen.
Gary Flanell
DIE BENJAMINS „In 10 Jahren / Pas De Deux“ (Tomatenplatten)
Die Benjamins sind wieder da. Die All-Star-Band um die ehemalige Hans-A-Plast-Sängerin Annette Benjamin legt nach ihrem Debütalbum nun eine Single mit zwei nagelneuen Songs nach. Aufgenommen und produziert von Moses Schneider, live eingespielt und roh und unverputzt eingefangen. So kommt derCharme der Band gleich richtig zur Geltung. Ihr Post-Punk knarzt und kracht, direkt und unverbraucht. Und über allem natürlich Annettes unverwechselbare Stimme. In „Wer liebt dich in 10 Jahren“ besiegt sie die Schnelllebigkeit unserer Gesellschaft vor allem auch in der Szene und führt dem Hörer damit unverhohlen die eigene Endlichkeit vor Augen. Noch drastischer wird es bei „Pas de deux“, wo Gewalt und Dominanz in der Beziehung thematisiert werden. Da Die Benjamins ja eher als Projekt denn als Band zu sehen sind, machen sie sich leider auf Konzertbühnen eher rar, so dass dieses schöne Kleinod von einer Vinyl-Single ein prima Methadon-Präparat darstellt. Dazu schön verpackt, Platten-Junkie, was willst Du mehr?
Abel Gebhardt
CHOIR DIVISION „Open Hearts, Empty Spaces“ (Last Exit Music)
Das Format ist das gleiche, die Marschrichtung aber eine gänzlich andere. Bei der Debüt-EP „Open Hearts, Empty Spaces“ von Choir Division handelt es sich um vier Stücke klassischer Chormusik. Nur dass es sich dabe eben nicht um klassische Lieder handelt, sondern um Neuinterpretationen großer Hits von Joy Division und ihrer Nachfolgeband New Order handelt. Die düsteren, melancholischen Songs der Kultband aus Manchester eignen sich hierfür so hervorragend, dass man fast geneigt ist sich zu fragen, warum bislang noch nie jemand auf diese Idee kam. Mit „Transmission“, „Day Of The Lord“, „Isolation“ und „Bizarre Love Triangle“ gibt es auf dieser 7“ gleich vier Klassiker der New-Wave-Epoche in neuem Gewand zu hören. Das ist einerseits sehr spannend, zu hören, wie man sich diesen Kompositionen als reine Acapella-Versionen nähern kann, anderseits machen die Stücke einfach Spaß.
Abel Gebhardt
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