Es wurde wohl viel geweint, als es bekannt wurde. Soviele Herzschläge, die einfach mal aussetzten. Soviele verwirrte und traurige Gesichter, als sich die Nachricht durch die sozialen Medien fraß und so langsam bis in die hintersten Ecken sickerte. Als das Maximum RocknRoll vor einigen Monaten den Printgeist aufgegeben hat, war das gefühlt so, als würde Punk aufhören zu existieren. (Was er/sie nicht tut. Soviel Unabhängigkeit von einem einzigen Medium einer Szene, die an sich nur ein Oberbegriff für verschiedenste Wahrnehmungen, Subszenen und Vorstellungen ist, sollte schon sein.)
Keine graue Fischeinwickelpapier-Haptik, kein schlichtes S/W-Layout mehr, stattdessen der Transfer in die komplette digitale Existenz. Kann man machen, wenn sich das ganze Materialisieren in Papierform nicht mehr rechnet.
Der erste Schock ist gerade verwunden, die letzte Träne weggewischt, das letzte Stück Dachboden abgesucht, nach der letzten MRR-Ausgabe (Nr. 433), die man sich vor Jahren mal zugelegt hatte (auch wenn man wusste, wie wichtig und gut das Heft war, darf man sich auch eingestehen, dass man es seltener gekauft hat, als nötig und möglich gewesen wäre), als sich die Frage "Und was passiert jetzt?" in den Kopf gräbt. Es gibt nur einen Weg um herauszufinden, wie die erwähnte Komplett-Online-Ausgabe des MRR sich so schlägt: Selber nachschauen.
Ich muss zugeben, dass ich gar nicht so scharf darauf bin, ausführliche Kolumnen, Bandinterviews oder Konzertberichte online zu lesen. Das war für mich in der Printversion schon angenehmer. Aber in dieser Hinsicht hat mein bedarf insgesamt sehr nachgelassen. Im Netz interessiert es mich eher, neue Bands anzuchecken, gerne auch solche, die nicht konventionell auf ihren Gitarren rumschrubben. Dazu eine Einschätzung eines Schreibers, das reicht meist für mich. Ich muss sagen, dass das MRR diese Aufgabe auf seiner Homepage sehr gut erfüllt. Die Rezensions-Abteilung ist gut auffindbar, ebenso die erwähnten Kolumnen und alles, was es rund ums MRR zu fragen gibt. Wenig Schnick-Schnack, das gefällt mir doch sehr. die Kritiken selber sind kurz und knackig gehalten, meist nicht mehr als zehn Zeilen in leserfreundlicher Größe, dazu einen Link zur Homepage und Bandcamp-Seite.
Klar, das machen viele andere Online-Zines auch. Beim MRR gefällt mir aber die Übersichtlichkeit sehr, wozu auch das einfache Runterscrollen zur nächsten Plattenbesprechung reicht. Wird natürlch auch dadurch serh angenehm gestaltet, dass es (noch!) keine Werbung gibt. Auch dass man nicht mit diesen "Wenn du das magst, gefällt dir vielleicht auch das hier"-Links vom eigentlichen lesen abgelenkt wird, ist super. Davon ab ist es einfach sehr cool, das fast alles besprochen wird, was an Material reinkommt. Jede noch so schlecht aufgenommene Demo-CD scheint ihren Platz zu bekommen. Das führt zu einem schönen und guten Maß an Vielfalt, bei dem wahrscheinlich jede*r sich wiederfinden kann. Also insgesamt ein guter Start in die vollständige digitale Existenz. Was jetzt bleibt, ist abzuwarten und zu beobachten, wohin der Weg des Digi-MRR in Zukunft führen wird. Und wer jetzt immer noch traurig ist, sollte nicht weinend in im Mancave seine Plattensammlung streicheln, sondern zur Erbauung bei den Kollegen von THE HARD TIMES vorbeischauen.
Gary Flanell
Alle Bilder: www.maximumrocknroll.com
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