Eines meiner großen Probleme ist meine Unpünktlichkeit. Wer den Herrn Flanell kennt, weiß, dass er 1.) zeitlich festgelegte Termine hasst wie die Pest und 2.) es durchaus mal schaffen kann, zwei Stunden zu spät zu kommen (wobei dann die Frage ist, zu was er dann überhaupt noch zu spät kommt) und demnach folglich Theaterbesuche eher doof findet, weil man da immer so superpünktlich sein muss, denn sonst kommt man nicht mehr rein. Und eigentlich geht der Herr Flanell ja ganz gern ins Theater.
Wenn es um das Renfield geht, passt das mit der Pünktlichkeit seltsamerweise ganz gut. Drucktermine werden immer brav eingehalten, auch unter der Inkaufnahme von diversen Nachtschichten fürs Layout. Dann geht's auf einmal.
Manchmal sind wir beim Renfield sogar richtig fix und so richtig richtig right in Time. Dann kriegen wir es auch mal hin, eine Rezension zu einem aktuellen Album auf dem Blog zu posten. Heute zum Beispiel sind wir gar nicht so schlecht dabei.
Denn nur schlappe 11 Tage nach dem offiziellen Release des neuen Albums von Nicole Willis & The Soul Investigators dreht sich diese Platte im CD-Players des Renfield-HQ als gäbe es keine anderen Scheiben zu hören.
Liegt vielleicht auch daran, dass man Soulbands aus Finnland hierzulande eher selten auf dem Schirm hat.
Dabei gibt es die Soul Investigators schon seit 20 Jahren. Und wer seine Band zwei Jahrzehnte lang am laufen hält, der kann so schlecht gar nicht sein. Schon gar nicht in Finnland, wo es schon seit je her eine recht aktive Musikszene gibt. Wenn auch eine, die man eher mit harten Gitarren jeglicher Coleur oder Tango verbindet.
Aber warum sollte es in Finnland KEINE gute Soulband geben? Interessanter ist eher die Tatsache, dass die S.I. mit Nicole Willis eine US-amerikanische, aber in Helsinki lebende Sängerin am Start haben, die für so einen Sound nicht passender sein könnte, weil sie schon solo diverse Platten veröffentlicht hat. Und dazu jede Menge Erfahrung aus Kollaborationen mit anderen Bands und Künstlern mitbringt.Ob das jetzt die Elektronik-Hanseln Leftfield, Jimi Tenor oder gar Curtis Mayfield himself waren. Mit dem sie in den 90ern noch eine Duett von "Let's do it again" aufgenommen hat.
Dass es ihr Song "Keep reachin again" auf die Spotify-Playlist von Barack Obama während des letzten US-Präsidentenwahlkampfs geschafft hat, passiert bestimmt auch nicht, weil der US-Präsident großer Fan von dilettantischem Rumgestümper wäre.
Man merkt also: Hier hat sich jede Menge geballte Erfahrung in Sachen 60/70ies Soul/Funk zusammengefunden.
Total retro also alles? Fast. Denn auch wenn sich Nicole Willis & The Soul Investigators stark an den Sounds und Arrangements alter Motown/Stax-Platten orientieren, klingt es doch gar nicht abgekupfert.
Hier werden glücklicherweise nicht irgendwelche Coverversionen aus dem Funk Brothers-Fundus zum hundertsten Mal stumpf nachgedudelt, sondern das Faible für 60ies-Soul mit eigenen Songideen kombiniert. Überwiegend darf es dann eher groovig als treibend sein, allzu straighte Uptempo-Songs finden sich hier nicht. Soul wird hier eher im Sinne von Marvin Gaye,dem oben erwähnten Curtis Mayfield oder den Supremes definiert, als im Sinne überdrehter Northern-Soul-Stomper.
Die Investigators agieren dabei wie eine gut eingespielte Big Band, der auch jegliche Kauzigkeit abgeht, die man bei finnischen Bands zuweilen findet.
Dass es zwischendurch bei einem Instrumental wie "Bad Viberations" ziemlich funky wird und sich auch der Flötist der band mal so richtig austoben darf, wird auch die harte technikbegeisterte Muckerfraktion zufriedenstellen. Doch nie wird der Sinn fürs Wesentliche - den Song und nicht das introvertierte Rumjammen einzelner Musiker - aus den Augen verloren.
Nicole Willis hat sicher ihren Anteil daran, dass man sich nicht in endlosen Instrumentalstücken verliert und "Happiness in every style" somit ein sehr rundes Soulalbum geworden ist.Eins, dass seine Referenzen zwar im guten alten Soul hat, aber dennoch knackig und nicht wirklich verstaubt rüberkommt.
c
Kann man sich auf alle Fälle an einem dunklen Abend im Herbst mit seiner Liebsten respektive seinem Liebsten anhören, während man simultan dazu eine Flasche Rotwein leert (und sie nicht mit Vitamintabletten veredelt, wie ich es heute in der Bahn beobachten konnte) und sich langsam gegenseitig Klamotten vom Körper schält.
Gary Flanell
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen