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Donnerstag, 4. Dezember 2025
Schön, wenn die Front dubbt Pt.MIX
FRONT - ALBUM
Front...? Da war doch was... Zumindest Verwechslungsgefahr war da, denn es gab/gibt im Kontext von (Post-)Punk gleich zwei Bands, die so heißen. Zumindest in Deutschland, Discogs liefert darüber hinaus noch ganz andere Infos.
Aber schauen wir mal auf die beiden FRONT-Bands hierzulande: Die erste und ältere Band mit dem Namen FRONT kam aus Hamburg, Die zweite, die jüngere, aus Wiesbaden. Drt spielt der in Zinekreisen bekannte Falk Fatal etwas eckigen Punk, den ich immer in der Ecke von TREND verortet habe.
Die Hamburger FRONT waren Anfang der 1980er aktiv, haben aber gar nicht wirklich viele Veröffentlichungen gehabt. Gerade mal zwei 7inches gab es, beide auf Alfred Hilsbergs ZickZack Label herausgekommen.
Interessant ist der Kontext der Band. Denn hervorgegangen ist die Band aus den CORONERS (die sich bestimmt auch nie ausmalen konnten, dass sie mal ausgesprochen wie eine weltweite Seuche klingen würden), einer legendären Hamburger Ur-Punkband, deren legendärer Ur-Punk-Band-Status für die jüngeren Punksozialisierten sicher auf ihre beiden Beiträgen zum "Paranoia in der Straßenbahn"-Sampler basiert. Scheiß Penne und "You've got blind" wurden Anfang der 80er durch diesed Sampler nochmal zu Hits einer neuen Punk-Generation. Interessanterweise gab es von den CORONERS auch keine LP-Veröffentlichung. Da waren andere Bands aus dem Umfeld dieser Bands um einiges zielstrebiger, was Veröffentlichungen anging. Anja Huwe erzählte beispielsweise im Renfield-Interview, dass sie in den Anfangszeiten vom X-MAL DEUTSCHLAND in Hamburg mit den FRONT/CORONERS-Leuten rumhing.
FRONT war im Vergleich zu den CORONERS sperriger, aber auch grooviger, Post-Punk im wörtlichen Sinne, infiziert von neuartigeren Klängen, von denen viele damals begeistert waren. Rock wie in Punkrock war hier kaum vertreten, Punk war explodiert, für die Beteiligten wahrscheinlich ziemlich abgeraucht und nun floß Dub, Funk und Kraut mit in die Musik ein.
Es hätte bei den beiden FRONT-Singles "Alternativ City West" und "Georg" sowie ein paar Samplerbeiträgen bleiben können, die Welt hätte sich weitergedreht und FRONT wären im deutschsprachigen Post-Punk-Narrativ überhaupt nie mehr aufgetaucht. Dass es nicht so gekommen ist, ist sicher das Verdienst von Andreas Dorau. Der war und ist nicht nur großer Fan der Band, sondern auch gut bekannt mit den Mitgliedern, die in goldenen NDW-Zeiten in seiner Band spielten.
Da alle FRONT-Beteiligten bei Dorau und auch PALAIS SCHAUMBURG gut zu tun hatten, passierte das, was häufig mit guten Projekten passiert: Sie bleiben irgendwo auf der Strecke. Wahrscheinlich wurden Prioritäten gesetzt und FRONT hatte nicht so eine große. Prio. Das ist besonders schade, weil ein komplettes Album geplant war. Es gab sogar Aufnahmen, aber dann hat sich wohl alles irgendwie zerstreut...bis ins Jetzt.
Wieder ist es Andreas Dorau, der, aus Unzufriedenheit mit der Tatsache, dass die Band in der deutschen Post-Punk/Indie-Erzählung so gar nicht auftaucht, mit den Bandmitgliedern die alten Bänder der Studioaufnahmen fürs Album aufbereitet. Mit Staatsakt ist dann auch schnell ein Label am Start, in dessen Rooster eine Band, die sich zwischen Punk, Dub, Funk und Kraut bewegt, nur auf große Gegenliebe stoßen konnte. Und so gibt es nun, nach 45 Jahren doch das erste Album der Hamburger Band FRONT und das klingt glücklicherweise sehr spannend und gar nicht altbacken. Aber eben auch nicht stumpf rockig, sondern sehr cool, eben wie eine gelungene Kombination der schon erwähnten Stilmittel. Gerade die Dub-Elemente (Hall hier, Echo da, also das Studio, das wie ein weiteres Instrument genutzt wird), die hier auf kantige, deutschsprachige Textstrukturen und Post-Punk-Coolness stoßen, machen das Album sehr spannend. Am besten gefallen mir FRONT immer dann, wenn sie tiefer in den Dub vorstoßen, das herrliche versponnene "Wasser (Dub)" ist ein kleines Meisterstück.
Deshalb Danke an Andreas Dorau für seinen Einsatz, diese Band wieder ans Tageslicht geholt zu haben. Und danke an Staatsakt für diese Veröffentlichung, mit der sicher einige Indie-Connaisseur*innen wirklich glücklich gemacht werden konnten. Es wäre wirklich schade gewesen, wenn diese FRONT-Aufnahmen für alle Ewigkeiten in der Versenkung verschwunden wären.
Um die Sache zu komplettieren, wurden neben der LP nun auch die "Alternativ City West"-EP, die "Georg"-Single sowie die Beiträge von FRIONT zum Sampler "Lieber zuviel als zuwenig" als 10inch auf Staatsakt wiederveröffentlicht - was sicher diejenigen freut, die keine Mondpreise für ein paar alte, zerknitterte 7inches zahlen möchten.
Gary Flanell
(Bandfoto: Ilse Ruppert)
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