ABER HERRLICH!
Steve Gunn
Man könnte sagen, der Junge hat einen Lauf. Die Kritiken überschlagen sich von Norden nach Süden, die Plattenfirmen prügeln sich um ihn, die Tour mit Wilco steht, letztes Jahr wurden bereits die großen Hallen mit den Freunden von War On Drugs besucht. Und was macht Steve Gunn?
Er spielt und spielt und spielt Gitarre. Was er halt immer gemacht hat. Nach unzähligen Veröffentlichungen als Solokünstler, Kollaborateur und Bandmitglied, nach Experimenten mit Drone, indischen Ragas, nach halbstündigen Instrumentalstücken in der Tradition von John Fahey und Konsorten kam dann 2013 die erste Veröffentlichung im Bandgewand und als Sänger mit dem Album „Time Off“.
Manchmal noch etwas zaghaft und auch noch sehr dem amerikanischen Folk zugewandt. Jetzt mit „Way out Weather“ hat Steve Gunn endgültig seine eigene musikalische Sprache gefunden. Über locker gesponnene Arrangements wandern die Songs durch den Hörer, die Sonne reißt nach dem Regen die Wolkendecke auf, der Himmel ist weit und ein Auto mit ein paar Freunden fährt Richtung Süden. Der Mann scheint seinen Frieden mit sich gemacht zu haben. Unter dieser musikalisch harmonischen Decke behandelt Gunn textlich allerdings zum Teil weniger erfreuliche Dinge. Dass der Mann aus Philadelphia sich das alles in Brooklyn ausgedacht hat, wo er mittlerweile lebt, ist erstaunlich, klingt es doch eher nach weiter Landschaft und dichten Wäldern als nach hohen Häusern.
Somit hat Steve Gunn jetzt das beste beider Welten, kann auf dem neuen Label „Matador“ als Sänger und Bandleader seine Songs veröffentlichen und ansonsten weiterhin seinen Kollaborationen und seiner Vorliebe für instrumentale Gitarrenmusik frönen, zum Beispiel mit dem grandiosen Gunn/Trucsinski Duo. Also einfach wie immer den ganzen Tag Musik machen. Zwischen all dem hatte ich Gelegenheit ein kleines Gespräch mit Steve Gunn zu führen.
Text: Till Kober
Till: Meiner Meinung nach hast du mit „way out weather“ eine starke Veränderung zu deiner früheren Arbeit vollzogen, auch zu „Time Off“. Ich finde es sehr seltsam, dass du immer noch mit John Fahey verglichen wirst, zum Beispiel „Milly´s Garden“ klingt ja eher wie einer der besten Songs den „the Go-Betweens“ nie geschrieben haben. Mit all den Melodien und Hooklines hat das Album einen starken Pop-Appeal. Was sind deine Pop Einflüsse?
Steve Gunn: Stimmt, ich finde es ebenfalls sehr schräg immer noch mit Fahey verglichen zu werden. Seine Musik und seine Art zu spielen hatten natürlich einen sehr grossen Einfluss auf mich, aber ich denke ich habe mich von diesem doch sehr speziellen Sound entfernt. Einige Leute kennen sicherlich diesen Einfluss, aber meine letzte Platte als Beispiel dafür zu nehmen, das macht sicher keinen Sinn. Sehr lustig, daß du die Go Betweens erwähnst, ich bin grosser Fan.
Vor ungefähr 15 Jahren habe ich sie sehr viel gehört und immer gedacht „was für ein grossartiges Songwriting“. Ich war auch ein grosser Fan von The Smiths als ich aufwuchs und bin bis heute sehr beeindruckt von Johnny Marrs´Gitarren-Arrangements auf den Alben. Und, obwohl ich immer eher so der Stones-Typ gewesen bin, habe ich mir The Beatles jetzt doch mal genau angehört, auf der letzten Tour gingen wir durch eine richtige Beatles-Phase. Es hat etwas gedauert, aber jetzt bin ich Fan.
T.: Dein Gitarrenspiel steht jetzt nicht mehr so im Vordergrund, es verschmilzt im Arrangement und der Song steht im Mittelpunkt. Wie war dein Prozess ein so guter Songwriter zu werden? Hast du den Focus mehr auf deinen Gesang gelegt?
S.G.: Ja, Gesang war ein wichtiger Focus für mich in den letzten Jahren. Ich wollte auch diese Art des schüchternen Gesangs endgültig ablegen. Ich habe weniger an komplizierten Gitarren-Arrangements gearbeitet, sondern versucht etwas Einfaches zu finden, was zum Gesang passte. Ich habe mehr Zeit in Songwriting investiert. Beides, Gesang und Songs schreiben, das war etwas Neues für mich.
T.: Townes van Zandt sagte immer, die Lieder kämen einfach zu ihm, er müsse sie nur greifen, selbst in seinen Träumen. Gerade wurde Lyle Lovett in einem Interview gefragt ob er an neuen Songs arbeitet und er hat geantwortet: “Ja, ich lasse die Türen und Fenster auf.“ Ist es für dich auch so leicht oder musst du richtig hart arbeiten?
S.G.: Naja, manche Lieder kommen einfach, andere nicht. Für mich ist es wichtiger einen Fokus zu haben und dann kommen die Ideen, hoffentlich. Es ist viel Arbeit, in den Zustand zu kommen, wo alles fließen kann.
T.: Stimmt, dieser Zustand ist wichtig, wenn man aber am Tag acht Stunden im Call Center arbeitet, ist das gar nicht so einfach.
S.G.: Das ist wahr, ich habe das jahrelang so gemacht! Im Moment habe ich etwas freie Zeit nach all den Touren, es ist das erste Mal das ich mich allein auf die Musik konzentriere. Eine etwas beängstigende Aussicht, aber wundervoll.
T.: Alles was ihr auf dem Album macht klingt sehr leicht, als wäre es einfach zu spielen, was es selbstverständlich nicht ist. Wie wichtig war deine Band für den Sound? Sicherlich hätte man die Magie am Anfang von „Wildwood“ mit einem anderen Schlagzeuger nicht so leicht erzeugen können...wie lange spielst du schon mit ihnen?
S.G.: Der Sound war für uns der wichtigste Aspekt bei diesen Aufnahmen. Wir haben sehr hart gearbeitet um den richtigen Klang zu haben und das richtige Gefühl zu erzeugen. Der Schlagzeuger bei den Aufnahmen ist John Truscinski, mit ihm spiele ich schon fast 10 Jahre. Wir haben auf jeden Fall ein großes musikalisches Verständnis und ein Gefühl für den Song. Wir haben die Arrangements sehr offen gehalten, das hört man ja auch wie ich glaube.
T.: Ich hatte übrigens zunächst Schwierigkeiten deine Musik nach New York zu verorten und beides zusammen zu bringen. Ich glaube, man kann in der Musik immer auch die Landschaft hören in der sie entstanden ist.
S.G.: Das bemerke ich auch in sehr viel Musik die ich höre, Landschaft und Umgebung haben sicherlich einen großen Einfluss auf Musik. Ich denke, Musik kann aber auch ihre eigene Landschaft erschaffen. Bei mir ist es definitiv eine Mixtur aus derzeitiger Umgebung und Dingen die mir durch den Kopf gehen.
T.: „Old Strange“ ist für und über Jack Rose. Was für ein Verhältnis hattet ihr?
S.G.: Jack war ein Freund und jemand, zu dem ich aufgeschaut habe. In Philadelphia haben wir uns viel gesehen und ich habe miterlebt wie er immer und immer besser wurde, ein Meister seiner Art. Er war eine riesige Inspiration und: er hat eine Menge unterstützende Dinge zu mir gesagt...was mir enorm viel bedeutet.
T.: Live spielst du mittlerweile auch viel elektrische Gitarre, ich finde, Fingerpicking und elektrische Gitarre sollte doch wieder mehr in Mode kommen, Clarence White bei den Byrds fällt mir dabei ein. Wer sind deine favorisierten E-Gitarren Spieler?
S.G.: Django Reinhardt, Jimi Hendrix, Loren Conners, Eddie Hazel, Tom Carter
T.: Du scheinst recht bewandert in der Musikgeschichte. Bist du ein Plattensammler/Nerd? Welche Musik hörst du im Augenblick?
S.G.: In diesem Augenblick höre ich „Stuntman“ von Edgar Froese, der ja Tangerine Dream gegründet hat.
Ansonsten: The Hired Hand Soundtrack - Bruce Langhorne - Alexis Zoumbas: A Lament for Epirus 1926-1928 - Native North America: Aboriginal Folk, Rock and Country 1966-1985 - Bob Dylan & the Band Basement Tapes ReIssue -Bill Withers
Wilburn Burchette - Yin & Yang
T.: Oh, Alexis Zoumbas und Wilburn Burchette, zwei tolle Platten, anscheinend sind wir beide ziemliche Nerds...
„Way Out Weather“ von Steve Gunn ist bei Paradise of Bachelors erschienen.
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