Dieses Blog durchsuchen
Donnerstag, 20. März 2025
Schön, wenn Garagepunk komisch spricht Pt. BEESVVAXXXX
NUNOFYOURBEESWAX - HABLO RARO
Fast!
Hätte ich NUNOFYOURBEESWAX letztes Jahr live gesehen! Und das nicht mal in Berlin.
Verrücktes Leben: Da gibt es wirklich Bands, die Leute manchmal fast live miterlebt hätten. Das Dasein auf dieser Welt hät doch immer neue Überraschungen bereit.
Letztes Jahr habe ich zu Regenerationszwecken einige Tage in San Sebastian verbracht. Wunderbare Stadt, vor allem wegen der malerischen Buchten, Strände, Berge. Alles toll, also. Ich ging spazieren, lag im Sand und las ein Buch. In einem gut sortierten Plattenladen kaufte ich ein T-Shirt, in einem anderen, weniger gut sortierten Laden eine Live-Platte von SO MUCH HATE. Da wurde mir nochmal klar, wie Punk die Globalisierung schon früh drauf hatte: Das Live-Album ist nämlich in der Your Choice-Live Series erschienen. Your Choice war ein Label aus NRW, glaube ich. Die Livemitschnitte allesamt Sahne. Also, ein Label aus Deutschland veröffentlicht eine live aufgenommene Platte einer norwegischen Band und die wird mir 36 Jahre später in einem Plattenladen im Baskenland in die Finger gespült. Es wäre nachzuforschen, wie sie dort hingekommen ist. Eigentlich eine subkulturelle Flaschenpost.
Mein subkulturelles Erleben beschränkte sich ansonsten auf den Besuch eines Mini-Festivals mit MUDHONEY und drei baskischen/spanischen Bands, deren Namen ich leider vergessen habe - bis auf eine. MELENAS, eine reine Frauenband, die mir vor allem deshalb sofort sympathisch war, weil sie ihren Gig zunächst ohne Gitarren eröffnet haben. Nur Synthie, Bass, Schlagzeug und Gesang, es war wunderbar, denn die beiden Bands davor, deren Namen ich nun wirklich nicht mehr im Kopf habe, waren halt so typische Alternative-Rock-Indie-Emobands.
Die eine noch ganz jung und offensichtlich noch gar nicht so ausgereift (beendeten ihren Gig aber mit einem recht guten PINK-Cover), aber genau deshalb auch grundsympathisch. Die zweite, puh, das war anstrengend, denn das war so eine reine Männertruppe mittleren Alters, die so ganz wütenden brachalen Noiserock drauf hatten, dazu zwei Schlagzeuger, die orginal komplett dasselbe gespielt haben. Warum? Keiner weiß es. Dann noch ebenjene MELENAS, so viel Wave-artiger und spannender, auch wegen der fetzigen Coverversion von GRAUZONEs Eisbär. Auf spanisch: OSA POLAR.
Über MUDHONEY weiß ich nicht viel besonderes zu berichten, denn sie waren routiniert und souverän. So routiniert, dass ich mich gefragt habe, ob sie überhaupt wissen, in welcher Stadt sie gerade sind, oder ob das komplett egal ist. Was auch wiederum egal ist. Das war also mein einiges Konzerterlebnis im Urlaub in San Sebastian 2024. File this segment under holiday memories.
Es hätte noch ein Konzert dazukommen können, denn in den Zeitraum meines Urlaubs begab es sich, dass auch NUNFYOURBEESWAX in Spanien unterwegs waren und in San Sebastian Halt gemacht haben - gemeinsam mit THE GORIES.
Ja, ich weiß. Sowas sollte sich niemand niemals nicht entgehen lassen. Allerdings: Es war der Abend vor meiner Abreise Richtung Barcelona, die am nächsten Morgen sehr früh vonstatten ging. Und da ich mittlerweile zu ausgedehnten Ruhephasen im Vorfeld von An- und Abreisen neige... bin ich mit der Taschenbuchausgabe der gesammelten Briefkorrespondenz von Hunter P. Thompson auf dem Gesicht in meinem Herbergszimmer eingepennt. In der Youtube-Playlist das "Memphis Underground"-Album von Herbie Mann in Dauerschleife.
Aber von nun an war der Kontakt zu NUNOFYOURBEESAX da, und jetzt liegt ihr drittes Album hier auf dem Plattenspieler und dem Schreibtisch (wechselweise mit einer Platte von DEAD MOON und "Frenching the Bullies" von THE GITS). So ganz unbekannt war mir die Band vorher nicht, schließlich kann man sie immer wieder mal live in irgendwelchen Berliner Kellern sehen. Nun also neue Platte und alles, was irgendwie den Ruch von Garagerock/Punk hat, finde ich immer noch spannend und deshalb dieser Text.
Also gleich mal die Katze aus dem Sack: "Hablo raro" ist ein sehr erfrischendes Stück Garagepunk geworden. Das, was mal in den 60ern in dieser Art gespielt wurde, auf Nuggets- und Pebbles- und Backfromthegrave-Samplern zusammenkompiliert wurde, findet sich hier in modernisierter Art wieder. Dazu sicher das prägnante Erbe einiger südamerikanischer Garagebands wie LOS SAICOS. Diese mit den BUZZCOCKS, COATHANGERS, CRAMPS, LOLITAS und WHITE STRIPES in einen Mixer geworfen - fertig ist die stürmische-fiebrige, dich unmittelbar treffende Garagerock/Pop-Punk-Chose. Flott, tanzbar und sehr gute Laune verbreitend.
Was mir an den Songs auf "Hablo raro" so richtig gefällt, ist der Fakt, dass es eine Punkplatte ist, der dieser typische, RAMONES-artige Punksound fehlt. Die Gitarre ist kaum verzerrt, auch dieser harte Downstroke-Anschlag ist nicht da und das macht alle neun Songs zu einer angenehm luftigen und rhythmisch sehr tanzbaren Angelegenheit. Manche werden das Lo-Fi nennen, und vielleicht ist es das auch, aber die Tatsache, das die Band sich für diese Art von Sound entschieden hat, hat wenig mit mangelndem Technik- oder Equipment-Ressourcen oder Know-How zu tun, sondern war sicher eine bewusste Entscheidung und das finde ich wiederum äußerst charmant.
Schon das Intro, in dem das Stimmen der Gitarrensaiten die Zuhörer*innen darauf vorbereitet, dass NUNOFYOURBEESWAX sich gerade darauf vorbereiten, den Soundtrack für eine Party, für deine Party also, abzuspielen: Ich bin der Meinung:"...das ist Spitze!" (Hans Rosenthal, 1982)
Und dann noch Don Fury! Ich hab's kaum geglaubt, gerade den in den "Hablo Raro"-Credits zu finden! Erstens wusste ich gar nicht, dass Fury noch als Produzent o.ä. aktiv ist, und zweitens hätte ich ihn sicher nicht als Mastering-Mensch für eine Garage-Punkband erwartet. Aber nun, der Name steht da auf dem Backcover und es wär schon schräg, wenn es ein komplett anderer Don Fury wäre, als die Hardcore-Produzentenlegende aus New York.
Wo gerade von Back- und Frontcover die Rede ist... Auch das Coverartwork von Johan Schreier ist wunderbar: Bunt wie ein 80er-Jahre-Teenage-Bubblegum-Comic, bissl an frühe Punkscheiben wie von THE MODERNETTES erinnernd und somit in sich auch sehr passend zur Musik.
Festzustellen bleibt: NUNFYOURBEESWAX haben hier eigentlich nur Hits ins Vinyl gepresst und wer nur ein bißchen was mit der Art von Rockmusik anfangen kann, die die Silbe Garage in sich trägt, sollte sich HABLO RARO geben - egal ob auf Spotify, Bandcamp oder im Plattenladen eures Vertrauens.
Gary Garage Flanell
HABLO RARO ist über die Bandcampseite von NUNOFYOURBEESWAX erhältlich.
P.S.: Beste Songs? "All I Know" - so ein richtiger Hüftschwinger mit geilem Gitarrenthema, das mich an einen südamerikanischen Garagerock-Kracher erinert, dessen Name mir aber partout nicht einfällt. Und zweitens: "Never will" - ein unglaublich süßes Stück Pop-Punk, es gibt nichts schöneres, um die B-Seite dieses Album zu beenden.
Labels:
Berlin,
Garage Punk,
Garage Rock,
Gary Flanell,
Hablo raro,
Herbie Mann,
Hunter S. Thompson,
Nunofyourbeeswax,
Punk Global,
Review,
San Sebastiaon
Donnerstag, 13. März 2025
Die Renfield-Musiklehre Pt. I: Schön, wenn 200 Tonnen Eisen singen
Das Telharmonium
Hier ist noch einmal der steinalte Azubi. Diesmal erzähl ich Euch einen Schwank aus meiner Jugend, als sintemalen der erste elektrische Synthesizer gebaut wurde. Ein titanisches Unterfangen eines gewissen Thaddeus Cahill am Ende des vorvorigen Jahrhunderts. Mittels additiver Klangsynthese, die ein 200 Tonnen wiegender Apparillo bewerkstelligte: voilà das Telharmonium!
Und das keineswegs wegen Wilhelm Tell und seiner Harmonika, sondern weil dieser Visionär aus Iowa von Anbeginn vernetzt dachte. Nämlich neuartige Klänge an zahlende Abonnenten via Telefon zu versenden - sozusagen ein Prequel zu Spotify.
Doch schalten wir etwas zurück: 1895 reichte besagter Herr ein Patent ein, auf dem man vor allem zahnradartige Wellen und sogenannte Rheostat-Bürsten sieht. Das war dem Patentamt zu wenig, aber Cahill war zugleich Anwalt und klagte sich sozusagen ein. Sein Claim lautete: „Das Telharmonium erlaubt es dem Spieler den Nachklang einer Orgel mit der Ausdrucksstärke eines Pianos zu kombinieren, die musikalische Intensität einer Violine mit der Polyphonie einer Streichergruppe und das Timbre und die Kraft der Bläser mit dem tonalen Spektrum einer Orgel. Indem es die „Defekte“ dieser traditionellen Instrumente korrigiert, wird das überlegene Telharmonium diese obsolet machen.“
Gut gebrüllt, protoelektronischer Tonerzeugungstiger, er hatte nämlich Hermann Helmholtz‘ „Die Lehre von den Tonempfindungen“ gelesen, der 1862 publikumswirksam postulierte, dass alle Klänge der Welt aus einer Mischung aus (Sinus)-Grundschwingungen und Obertönen bestehen. Und so kam dann der kernige Cahill ins Spiel. Dank einer Fabrik in Hollyoke, Massachusetts, wo 50 Ingenieure, Mechaniker und Helfer eine ganz dickes Gespann diverser Dynamos zusammenschraubten zum Listenpreis von 200.000 Dollar.
Da sieht man dann einen jungen Stift neben einer enormen Walze mit jeweils in Dreier- bzw. Fünferschritten enger stehenden Zahnkränzen stehen, die mittels gewaltiger Motoren via Transmissionsriemen in Rotation versetzt wurden und dann an besagten Rheostat-Bürstchen vorbei sausten und somit anfangs recht „drahtige“ bzw. kratzige Klänge erzeugten. Sprich zu viel Rauschen, weswegen Cahill alsbald auf modulierbare magnetische Induktion umstieg. Um diese vor Erfindung von Röhren und Verstärkern hörbar zu machen, jagte er sagenhafte 15.000 Watt und bis zu 1 Ampere hindurch, während handelsübliche Telefone eher mit Nanoampere arbeiteten.
Denn verblüffender Weise machte er sich zu Lautsprechern wenig eigene Gedanken. Stattdessen montierte er riesige Schalltrichter vor herkömmliche Telefonhörer jener Zeit und kaschierte das Ganze gern mit Blumengestecken (das Auge hört mit). Die Dinger tröteten somit am Rand ihrer Belastungsgrenze, was dann auch AT&T dazu bewog, Dr, Cahill die weitere Telefonnetznutzung zu untersagen.
Aus Furcht sonst ganze Fernmeldeämter zum Glühen zu bringen. Und gewisse frühe Telefonkunden hatten sich bereits über irritierende Klangkaskaden beim Verbindungsaufbau beschwert, bzw. erlebten ihre akustische Begegnung der dritten Art. Daher ließ er nun einen verbesserten „Mk II“ über x-Waggons und zahllose Droschken an den Broadway in New York karren, in die sogenannte „Telharmonic Hall“. Dort bewundeten ergriffene Zuhörer zudem eine gewisse Lightshow dank Kohlebogenlampen, weil William Duddell zuvor entdeckt hatte, dass diese Lampen ein je nach Stromstärke variierendes Zischen oder Fauchen von sich gaben.
Durch bis zu vier Tastaturen, diverse Register, Fußpedale sowie einer Kupplung-ähnlichen Vorrichtung konnten ein bis zwei musikalische Operateure eine Vielzahl von Klängen generieren, indem das Signal von zwölf Tonhöhen-Wellen mit diversen Oberton-Wellen addiert wurde für ein Klangerlebnis über sechs Oktaven. Die Maschinerie musste natürlich durch schwere Zementdecken vom Auditorium getrennt sein, denn sie hatte die Anmutung einer Umspannstation, die Nebengeräusche eines Walzwerks und die Kraftaufnahme einer Aluminiumschmelze. Darum hat sich das auch nie wirklich durchgesetzt, und Dr. Cahill ging bankrott.
Doch die Hammond-Orgel ist die niedliche Minischwester des Telharmonium-Titanen. „Die jetzige Maschine passt am besten zu höheren Formen von Musik. Sie tut sich eher schwer mit dem Razzmatazz des rag-time, was vielleicht ein Vorteil ist.“, so schrieb ein gewisser Ray Baker 1903, aber da sollte er sich gewaltig irren! Der selbe weitschauender Journalist verkündete zudem, dass wahre Demokratie erst erreicht wäre durch erstklassige Kunst und Musik für Jedermann (das Patriarchat winkt, fürs Frauenwahlrecht musste die US-Damenwelt noch siebzehn weitere Jahre kämpfen).
Aber auch damit sollte er sich irren. Doch immerhin inspirierte das italienische Futuristen und Komponisten wie Edgar Varèse, der 1915 klägliche Überreste des Telharmoniums eher enttäuscht vorfand. Und was wünschte sich Frank Zappa von seinen Eltern zum 15. Geburtstag? Einen Anruf bei Edgar Varèse (was sie ihm gewährten)!
Bit Father Out
(Bild Wikipedia: Von User Chris 73 on en.wikipedia - [1], Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=1347777)
Donnerstag, 6. März 2025
Schön, wenn der Skit tritt Pt. III
ZWEILASTER - wieherd
Da wird man ja vor unbedarfter Naivität fast umgehauen. Und das durchaus positiv.
Es ist auch eine Art Charme-Offensive, mit der man als Hörer hier konfrontiert wird. So herrlich unbekümmert schrammeln sich ZWEILASTER auf ihrem inzwischen dritten Longplayer durch die Songs. Bedient wird sich da bei altem Punk Rock, New Wave, Pop und ordentlich Neuer Deutscher Welle.
Das Ergebnis erinnert mich historisch an BÄRCHEN & DIE MILCHBUBIES, zeitgenössisch an ACHT EIMER HÜHNERHERZEN. Doch irgendwie auch noch und doch mittendrin. Sensibel, zerbrechlich, nachdenklich, fernab aufgesetzter Rock-Attitüden kommen die dreizehn Songs auf „wieherd“ daher, genau wie die Texte, die eine gewisse Skurriltät nicht entbehren können.
Titel wie „Herbsttagsstimmungslieder“, „Frösche im Pool“ oder „Wir fahren in die Berge“ werfen Fragen auf, lassen einen aber nicht alleine. Man hat das Gefühl mit den beiden Stuttgarter*innen im Proberaum zu sitzen und ihnen beim Fertigstellen des Albums zuzuhören.
Denn irgendwie hat es auch etwas Unfertiges und somit auch Zerbrechliches an sich. Womit wir wieder beim Charme des Unperfekten wären. Doch was heißt das schon? Geh raus und mach dein Ding, war doch mal die Parole im Punk. Und das beherzigen ZWEILASTER sehr genau. Darin sind sie dann schon fast wieder perfekt. Oder vielmehr konsequent. Hört mal rein. Es gibt so manch originelle Idee zu entdecken.
Abel Gebhardt
Die LP wieherd von ZWEILASTER ist auf Tomatenplatten erschienen.
Abonnieren
Posts (Atom)