THE SHAGGS waren so eine Band. YOUTH BRIGADE auch. DEATH, diese schwarzen Protopunks auch und die MmmmBop-Teenies von HANSON ebenso. Alles Bands, die man rein formal ins Genre der Drei-Geschwister-Bands stecken könnte. Falls einem beim Plattensortieren so gar nichts einfällt.
So ist's auch bei JACK OF NONE, jene Band, deren CD "who's listening to van gogh's ear?" hier vor einigen Wochen ankam. Dahinter stecken A.G., Maxine und Julian Syjuco. Alle drei Kinder des avantgardistischen Künstlerehepaars Cesare und Jean-Marie Syjuco,die ihrerseits beide im Kunstbetrieb auf den Philippinen richtig große Nummern. Und das seit Jahren.
Nun beschäftige ich mich im Alltag eher selten mit philippinischen Avantgardekünstlern und deren Kindern, muss aber sagen, dass JACK OF NONE mich mit ihrer Platte sofort gepackt haben. Und das lag nicht an der Drei-Geschwister-Konstellation. Oder an einem möglichen Exotenbonus.
Denn den gibt es nicht mehr. Hey, es ist 2016 und einer der Effekte der Globalisierung mag doch sein, dass Pop (inklusive aller Subkulturen) wirklich auch im hintersten Winkel der Welt (ok, super eurozentristischer Ansatz, sorry) empfangen und rezipiert und interpretiert wird. Wer sich immer noch erstaunt fragt, wie es etwa um die Punkszene der Philippinen bestellt ist, schaut sich a) ganz fix im Netz um (und findet da unter Pinoy Punk eine Menge Links), oder fragt b) mal den Kollegen Mika vom Alleiner Thread-Zine, denn den kann man getrost als Experten für Philippinopunk bezeichnen oder hört sich c) nochmal die SubCult-Sendung zum Thema an. Aber das ist nur ein Abschweif.
JACK OF NONE haben mit straight vorgetragenem Punkrock wenig zu tun. Eher kann man sie mit ihrer kühlen Ausstrahlung und Ambivalenz in der Nähe von frühen Wave- und Postpunkbands verorten. Was sie wiederum ganz interessant macht. Keine Ahnung, was ich erwartet habe, aber Platte, die wie der Soundtrack zu einem nie gedrehten David-Lynch-Film daherkommt, war es sicher nicht.
Dabei fängt alles erstmal recht easy an: Der Opener "Hotel Carcass" startet mit einem locker lounge-artigen Basslauf, zu dem sich eine recht kryptische Spoken word-Story gesellt. Kaum tröpfelte das an einer schwitzigen Sommernacht aus den Boxen, dachte ich schon, JoN wären sowas wie eine südostasiatische Version von NOUVELLE VAGUE. Nur ohne Coverversionen. Wäre ja auch ganz charmant, dachte ich und tupfte mir den Schweiß von der Stirn.
Was dann im weiteren Verlauf kommt, ist nicht ganz so eingängig, aber gerade deshalb umso spannender. Diese etwas spröden drei Philipinos experimentieren munter mit Electro, Alternative Rock und Industrial-Sounds. Legen über all das auch gern mal einen Metal-Gitarrensound, der auch einer Rammstein oder Marilyn Manson-Platte gut stehen würde.
Was noch zur Verwirrung oder besser gesagt Vielfalt beiträgt, aber auch gut ins Gesamtbild passt, ist die Stimme der Sängerin Maxine. Die wird durch allerlei Effekte so verfremdet, als würde eine androgyne Apple-Siri auf LSD ihr Albumdebut geben. Dass es der Sound engineer zuweilen etwas zu gut mit der Bearbeitung der Stimmtracks gemeint hat - geschenkt.
Dank all dieser Sounds zusammen mit den gedichthaft vorgetragenen Texten, bewegt sich "who's listening to van gogh's ear?" ziemlich locker auf der Kante zwischen Kunst, Experiment und Pop. David Lynch würde das bestimmt mögen, Andy Warhol sicher auch. Auch wenn mir nach mehrmaligem Hören immer noch das eine oder andere Fragezeichen durch den Schädel mäandert, muss ich sagen: Lieber so eine atmosphärische Platte, die ich mir gut in einer schwülen Opiumhöhle vorstellen kann, auf deren Sofas sich IAMX, PJ Harvey und Siouxsie zu den No-Wave-Performanzen von Lydia Lunch räkeln(reicht jetzt auch mal mit Verweisen, oder?), als die hundertste Punkplatte, bei der sofort alles offensichtlich und eindeutig ist.
(E) wie Exotenbonus up my ass auf der 26-stufigen Renfield-Rezensions-Bewertungs-Skala.
Gary Flanell
jackofnone.net
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