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Donnerstag, 12. Juni 2025

Schön, wenn die Sonne nie aufgeht

LAIBACH - ALAMUT

Der erste Sänger von Laibach erhängte sich kurz nach einem Auftritt in Zagreb an einem typisch slowenischen Heuschober.

Ein Schulfreund von mir glaubte, das seien so Jugo-Hillbilly-Nazis. Auch ich rätselte 1989, als ich in Jugoslawien vor dessen Zerfall weilte: „Darob erschien Ljubljana: An den Rändern dräuten Plattenbauten und dahinter direkt die Karawanken. Womit kein hartes Reitervolk (mit geschwärzten Gesichtern) gemeint war (wie ich weiland vielleicht gedacht hätte), sondern ein 120 km langer Zug der Kalkalpen, der wohl vom keltischen Wort für „Hirsch“ (karv) abstammt. Mitten in der Stadt buckelt der Burghügel, um den die plätschernde Laibach (Ljubljanica) leiwand ihre Schleife legt. Es gibt italienisch anmutende Kirchen, französisch inspirierte Museen, eine opulente Oper plus kakanische Cafés (damals zumeist im somnambulen Zustand) - und das alles mit weniger als 300.000 Einwohnern (wie Neukölln ohne Gropiusstadt)!

Ich erinnere Ljubljana indes hauptsächlich als leicht zerkratzte Glasvitrine hinter der ganz besonders grobschlächtige Würste liegen, während draußen ein O-Bus an Drähten vorbei bullert. Gegenüber und ringsum ragten typische Tito-Kastenwürfel stumpfgrau bis dumpfbraun. Vielleicht waren es ja auch K&K-Kastenwürfel hinter einer titoesken Sparverschalung, sämtliche Ornamente abgeschlagen, abgeschliffen oder eben durch diese sozialistische Soßenglasur überdeckt. Dank des Smogs experimenteller Diesel-Gemische - aus was für jakutischen Bohrlöchern bzw. raffinierter Partisanen-Petrolschlämpe waren die bitte gebraut? Ich weiß noch, wie ich damals überlegte, in welcher konkreten Verbindung eigentlich die Band Laibach und die Stadt Ljubljana zueinander standen. Nun, wahrscheinlich in einer ähnlichen wie besagte Gemische zum Motor...“

Sprich ein streng riechendes Treibmittel für eine reichlich individualistische Bewegung. Gerade weil besagte Band Uniformen trug und monumentale Minenarbeiterromantik mit Nazi-Todeskult sowie italienischem Futurismus Marke Mussolini kreuzte, schien sie jedweden Pathos von innen zu zerfressen. Somit ganz im Sinne Freuds die Traumata „durcharbeitend“. Sie gehörten zum größeren, losen Verbund der „Neuen Slowenischen Kunst“ (auch im Original auf deutsch) und waren in Jugoslawien von 1983 bis `87 verboten, nachdem sie bei einem Konzert zeitgleich einen Revolutionsfilm plus einen Porno im Hintergrund projizierten. Als Tito also mit einem Penis clashte, stürmte die Miliz die Bühne…

Aber das sollte dann alles ganz anders werden. „Nichts ist wahr, alles ist erlaubt“, wiederholt der slowenische Autor Vladimir Bartol in seinem 1938 in Triest unter dem Eindruck des Faschismus verfassten Roman „Alamut“, den er sarkastisch Benito Mussolini widmete. Alamut war die Hauptfestung der Nizariten mit dem „Alten vom Berge“ (so nannte ihn zuerst Marco Polo), dem wir die Assassinen und das Wort Haschisch verdanken – sowie viel später das Videospiel Assassin‘s Creed. Dabei war Hassan-i-Sabah auch ein großer Gelehrter (Spezialgebiet Geometrie), aber unerbittlich im Kampf gegen die Seldschuken.

Ebenso unerbittlich arbeitet Laibach, wobei sie von provozierend über propagandistisch, psychoanalytisch, bis exorzistisch vorgehen. Mittels affirmativer Überidentifizierung, so sagt jedenfalls Slavoj Žižek, der slowenische Großdenker und Laibach-Apologet. Deutsche kommen da häufig seltsam drauf (siehe oben) oder verweisen auf Rammstein, aber die Band selbst verlautbarte schon so perplex-aphoristische Sachen wie, sie seien auf die selbe Art Nazis, wie Hitler Maler gewesen sei – und Rammstein wäre Laibach für Teens. Mit dieser doppelbödigen Mixtur bespielten sie bereits Nordkorea. Nun aber steht der Iran im Fokus in ihrem Werk Alamut. Manchmal klingt das wie der Soundtrack von 2001 ohne Walzer. Epische Klangreisen von bis zu 20 Minuten Länge, die von elegischen Schichtungen (Secret Gardens) bis zu dystopischem Getöse (War) alles umfassen – ergänzt durch Farsi-Verse Omar Khayyams und Mahsati Ganjawis und natürlich Milan Fras‘ Knarzbass, der auf slowenisch verkündet: „Ich kenne weder Grausamkeit noch Gnade, ich verfolge nur meinen Plan“ (Meditation II), Fürwahr, und das passt auch wie die Faust aufs Auge zu Laibach.

Für meinen Geschmack war das früher zu bombasto-martialisch, dafür bin ich offensichtlich nicht genügend traumatisiert. Bis mich vor ein paar Jahren Mina Špiler eiskalt & glutheiß erwischte. Sie bringt mich jedes mal nahezu um mit ihrer ätherischen Halbtonsenkung am Ende von „vor Sonnen- Aufgang“, sobald sie wiederholt „die Sonne hell“, weine ich wie ein Schlosshund. Untermalt von einem Video, welches den Atomkeller in Haigerloch unter der Schlosskirche zeigt, wo ein letztes Aufgebot im NS-Staat an der Kernspaltung forschte. Der Sonnenaufgang als Atompilz – das ist eben auch Laibach für Dich!

Und wer ist heute der Führer der Nizariten? Der Aga Khan und seine jeweilige Begum (meist ein schnittiges Fotomodell)! Der reichste Erbmonarch ohne Land, denn sein Reich ist der Glaube und die direkte Abstammung von Fatima, der Tochter Mohammeds. Erst vor wenigen Wochen wechselten wir zu Aga Khan V, dem fünfzigsten Nizariten-Iman, weil sein Vater in Lissabon das Leben aushauchte. Dort steht nämlich der Diwan, der Hauptsitz der Nizariten. So now you know.

A Bit Father out

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