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Donnerstag, 25. Februar 2016
So mok wi dat
Schneidige Ox- und Renfield-Autoren geben Vollgas auf der Lesebühne!
Hell yeah! Wieder eine Gegend weniger auf Herrn Flanell persönlicher "Da will ich mal eine Lesung machen"-Liste. Da gab's ja schon einiges. Die Pfalz, Rheinland, das Ruhrgebiet, Österreich, Schweiz - und jetzt:
Norddeutschland! Juhu, ab ins Warme!
Da alleine lesen aber nicht soviel Spaß macht wie in der Gruppe, sind in den nächsten Tagen drei Absolventen der Ox-Schreibschule für gepflegten Rock'n'Roll-Journalismus unterwegs. Alles weitere - jetzt!
Wenn es schon mal einen Newsletter aus dem Renfield-HQ gibt, dann auch mit ganz handfesten Informationen.
Denn heute starte die kleine, aber feine Ox-Lesetour durch Norddeutschland. Lars "Abel" Gebhardt, HC Roth und Gary Flanell reisen drei tage durchs Land und lesen aus ihren Werken. Wer is nu dit? fragt sich der/die eine oder andere vielleicht und was schreiben die überhaupt? der oder die nächste. Und wo kann ich mir das alles überhaut anschauen.
Alle diese Infos - gibt es jetzt:
Ox-Lesetour mit Lars Gebhardt, HC Roth und Gary Flanell
LARS GEBHARDT
wurde 1973 in Unna / Westfalen geboren. Er studierte Germanistik und Medienwissenschaften in Hamburg, wo er noch heute lebt und als Fotoredakteur arbeitet. Seit seiner Jugend schreibt er für diverse Musik-Magazine wie Ox, Mind The Gap oder Pankerknacker. In den 90er Jahren war Gebhardt Herausgeber und Chefredakteur des „Stay Wild“ Fanzines. 2013 erschien sein Debüt-Roman „Ein Goldfisch in der Grube“, dessen Nachfolger nun mit „Die Reise zur grünen Fee“ vorliegt.
H.C. ROTH (Graz)
Ox-Kolumnist, Radiomoderator, Buch-Autor (Der Flug des Pinguins – Edition Subkultur z.B.). Schreibt und liest allerhand seltsamen Kram, beispielsweise über besoffene Staubsauger, den Tod, Gitarre spielende Pinguine, das Leben, die Jugend. Auf dieser Tour wird er Auszüge aus seinen letzten Büchern sowie seinen noch titellosen im Mai 2016 erscheinenden Episoden-Roman lesen.
GARY FLANELL (Berlin)
Das Hirn hinter dem Renfield-Fanzine, der Gitarrenmann bei Ella Chord & Gary Flanell, Buchautor von „Stuntman unter Wasser“ (2014), Labelmogul bei der Kreuzberger Hinterhofplattenkaschemme John Steam Records und eine der Stimmen der SubCult-Radioshow auf dem Berliner Sender Pi-Radio. Im Übrigen schreibt er auch für das Ox. http://renfield-fanzine.blogspot.de/
Und wo genau?
Do 25.2. Hannover, Havana Cuba-Linden – ohne H.C. Roth aber mit Musik von Tom & Passi (Elisenstr. 27, 30451 Hannover)
Fr. 26.2. Bremen, Auszeit Rock'n'Roll Couchclub (Kleine-Annen-Str. 21, 28199 Bremen)
Sa 27.2. Hamburg, Tortuga Bar (Bleicherstraße 27, 22767 Hamburg)
Dienstag, 23. Februar 2016
2016 - was bisher geschah
Nachdem der Herr Flanell den Januar damit verbracht hatte, fußkrank, selbstmitleidig und dahinsiechend aus dem Fenster auf den Verwaltungstrakt eines Frauengefängnisses zu starren, brachte der Februar einiges neues.
Zum Beispiel eine geschlossene graue Wolkendecke. Tagelang kein Sonnenstrahl, nicht beim Aufstehen und nicht beim ZuBettgehen. Eine Regelmäßigkeit, die ihresgleichen suchte und den Herrn Flanell tief beeindruckte. Ähnlich bedeckt hielten sich auch Flanells Aktivitäten in der ersten Hälfte des zweiten Monats.
Erst die letzte Februarwoche brachte Schwung, wenn auch nicht am Himmel. Da war zunächst das Konzert von J. ROBBINS und DARIA in jenem Schnapsloch, das der Herr Flanell am liebsten frequentiert, ohne selber Schnaps zu trinken. Wenn der Herr Flanell eines Tages mal an dieses Konzert zurückdenken wird, dann wird ihm sicher eine Sache in Erinnerung beiben: Wie lieb und nett und sympathisch die anwesenden Menschen waren. Zunächst einmal die Musiker, egal ob es die Franzosen aus Angers oder der weithin bekannte Plattenproduzent und Gitarrist aus Baltimore war – alle fielen durch eine extreme Höflichkeit und Freundlichkeit auf.
Das gibt’s nicht oft, dachte der Herr Flanell. Oder – vielleicht gibt es das oft, aber nicht auf den Konzerten, auf denen der Herr Flanell so rumhängt. Da herrscht oft ein rauer Ton, weil alle glauben, wenn man in einer Rock-oder Punkband spielt, muss man auch gleich mal fordernd und unfreundlich sein.
Jedenfalls nicht so freundlich, wie die Bands an diesem Abend waren. Das scheint auch irgendwie auf das anwesende Publikum abgefärbt zu haben. Richtig viele Menschen waren es nicht, aber die, die da waren und teilweise extra 250 Kilometer aus Thüringen angereist kamen, waren ebenso respektvoll und nett wie die Musiker. Und dürfen sicher sein, einen Konzertabend erlebt zu haben, den es so nicht häufig gibt.
Einige waren sicher beeindruckt von den Las-Vegas-würdigen Lichtspielen, die aufgebaut wurden. Mit Lichterketten ausgestattete Verstärker und Boxen, die im Rhythmus der Musik flackern und blinken, haben bisher wohl kaum Musikgruppen ins Schnapsloch geschleppt. Vielleicht KISS, aber als die da waren, war der Herr Flanell leider nicht da. Das bedauert er aber nicht, denn bei DARIA und Mr. ROBBINS war es mindestens genauso gut.
Drei Tage später kam es zum nächsten Konzert, dem der Herr Flanell beiwohnen durfte. Da kam er schon ein bißchen aus der Puste. Aber nur ein bißchen, denn dieses Konzert fand zum Glück nicht tief in der Nacht statt, sondern am hellichten Samstagnachmittag. Das war gut, denn es hat sich herausgestellt, dass der Herr Flanell nachts lieber schläft. Es war auch zuvörderst gar kein Konzert, sondern eine Veröffentlichungnsparty für ein Expertenmagazin aus dem Bereich Fußball. Amateurfußball und die unteren Lifen des Landes, um genau zu sein.
AUF JAHRE UNSCHLAGBAR heißt das Heft – einem dieser unvergessenen Franz-Beckenbauer-Zitate folgend, die quasi in Stein gemeißelt auch jedem Bestechungsskandal standhalten werden. Ein Magazin, das den Interessierten über die Niederungen des Amateurfußballs informiert, immer mit dem Fokus auf dem Lieblingsverein der Herausgeber, Tennis Borussia Berlin.
Davon ab war es auch eine Premiere, denn zum ersten Mal, seit der Herr Flanell das neue Renfield-Hautquartier bezogen hat, gab es ein Konzert von, nunja, Bands mit Gitarrenverstärkung in dem hübschen Haus im Hinterhof. Das war spannend, fand der Herr Flanell. Denn wie sowas klingt, wusste keinerr so recht. Klar gabe s da schon Parties mit Verstärkung, aber große Verstärker und verzerrte Gitarren bisher noch nicht. Und eigentlich war ja alles ganz anders geplant, als es dann hinterher stattgefunden hat. Geplant war nämlich ein Auftritt einer Musikgruppe namens LITBARSKI und der einer Gruppe namens RASKOLNIKOFF. Beide Gruppen sind so heiß und neu, dass es nicht mal irgendwelche Links zu Webseiten gibt, auf denen man sich was von ihnen anhören kann. Gespielt haben dann allerdings nicht LITBARSKI,sondern eine Gruppe namens WEIGHTS aus dem benachbarten Proberaumkomplex. Weil LITBARSKI krank waren. Einer von dreien zumindest. Da kann man ja nicht spielen. Umso schöner, dass WEIGHTS dann spontan eingesprungen sind und so zu der Ehre gekommen sind, an einem Tag zwei Konzerte spielen zu dürfen – eins in der Lichtenberger Remise und abends eins im Prenzlauer Berger Kastanienkeller.
Ist das Rock'n'Roll? Könnte man diskutieren. Nicht zu diskutieren ist die Tatsache, dass man durchaus mal am Nachmittag ein Punkkonzert in Berlin veranstalten und dazu Kaffee und ein Solikuchenbuffet für die Flüchtlingshilfe anbieten kann. Funktioniert prima und nicht nur für ehrenhaft ergraute Menschen, denen für das übliche Konzerteinerlei in den Nächten des Wochenendes zu anstrengend ist.
Das alles ging dem Herrn Flanell durch den Kopf, als er nach dem WEIGHTS/
RASKOLNIKOFF-Konzert abends wieder in sein liebstes Schnapsloch einfiel und dort vom Tresen noch ein Konzert, und zwar von den Kindern aus der Krachmacher-
straße BALG und ANTIHAIRBALL, erleben durfte. Da war ihm noch nicht ganz klar, dass es das mittlerweile dritte Konzert innerhalb von vier Tagen war. Ob das zuviel oder zuwenig oder sonst irgendwie von Belang sein könnte, hat sich dem Herrn Flanell auch nicht am nächsten Sonntag erschlossen, als er, ein Käsebrot kauend, versuchte, sein derzeitiges Lieblingslied „Shining light“ von ASH, mitzupfeifen.
Was ihm aber sehr belangvoll erschien, war der Plan, die Rezension der neuen Platte von DRESSY BESSY mit dem Titel „KINGSIZED“ auf diesen Blog zu stellen...
Aus der Abteilung „Wir wollten schon anrufen und nachfragen, ob das noch was wird“: Sieben Jahre ist es her, seit DRESSY BESSY eine Platte rausgebracht haben. Davor ging es eigentlich immer recht flott bei Tammy Ealom und ihren Bandkollegen. Seit 1997 wurde alle zwei-drei Jahre eine EP oder eine LP rausgehauen. Bis 2008 „Holler and Stomp“ erschien. Und dann acht Jahre lang wenig passierte.
Im Hause Yep Roc Records scheint die Geduld gegenüber der Band aber groß zu sein, denn wer wartet schon sieben Jahre, bis eine Band mal mit neuen Aufnahmen rüberkommt? Und auf wen würde man warten? Gut, bei Guns'n'Roses haben einige noch länger gewartet. Aber DRESSY BESSY sind ja keine schmierige Sleaze-Rentnerkapelle und zur regelmäßigen Befüllung der Gossip-Seiten des Internets taugen sie auch nicht. Zum Glück. Dafür kommen DRESSY BESSY aus Denver. Dafür können sie nichts. Ich weiß auch gar nicht, ob das schlimm ist, aus Denver zu kommen. Vielleicht ist es ja besser als Los Angeles, wo man den ganzen Tag surfen, braun werden und tätowiert sein muss, um im Schnellrestaurant mal eine Fettbemme zu bekommen. Wo liegt das eigentlich, dieses Denver? Ich werde es rausfinden und wenn ich Joan Collins anrufen muss. Wenn ich das getan habe, kann ich vielleicht der Frage, warum es acht Jahre gedauert hat, bis ein neues DB-Album erschienen ist, noch eher auf den Grund gehen. An der Musik liegt es nicht so recht.
Auf der Platte findet sich nämlich nicht allzuviel revolutionäres, das eine 2920-tägige Wartezeit rechtfertigt. Wäre der Begriff Pop-Punk nicht bis in alle Ewigkeit von irgendwelchen Green-Day-Klonen besetzt, dann würde das KINGSIZED am besten beschreiben. Zeitliche Einordnung: Ende der 80er/Anfang der 90er. THE BANGLES klingen da durch, die RUNANWAYS ebenso wie die EYELINERS. Bei „These modern guns“ sogar ein wenig was von GARBAGE und bei „Cup O' Bang bang“ sind es latent die PIXIES. Alles keine schlechten Referenzen, aber eben auch keine, die mich mehr als eine Augenbraue hochziehen lassen. Da hilft auch die ganze Armee von semi-prominenten Gästen nicht, die fast auf jedem Song von KINGSIZED mitgespielt haben.
Peter Buck von R.E.M hat für zwei Songs vorbei geschaut, Andy Shernoff von den DICTATORS auch, sowie der ein oder andere Kollege diverser anderer Indiebands. So richtig spannend ist das alles also leider nicht geworden. Dafür sehr solide, wie man es einer Band, die seit den 90ern unterwegs ist und nunmher sieben Alben in ihrem Werk zählne kann, durchaus zutrauen kann.
Aber vielleicht sollte man insgesamt keine melodischen Indie-Schrammel-Pop-Platten hören, wenn man innovative Musik sucht. Dafür könnten DRESSY BESSY ganz souverän den Soundtrack zu einem Remake von Filmen wie Reality Bites oder Singles liefern. Komödien, in denen die junge Winona Ryder rehäugig in die Kamera schaute und mit denen vor zwanzig Jahren all die Grungemädels und ihre holzfällerhemdtragenden Kinnbartfreunde ins Kino gelockt werden sollten. Ist ja schon mal was.
(K) Gary Flanell
Erst die letzte Februarwoche brachte Schwung, wenn auch nicht am Himmel. Da war zunächst das Konzert von J. ROBBINS und DARIA in jenem Schnapsloch, das der Herr Flanell am liebsten frequentiert, ohne selber Schnaps zu trinken. Wenn der Herr Flanell eines Tages mal an dieses Konzert zurückdenken wird, dann wird ihm sicher eine Sache in Erinnerung beiben: Wie lieb und nett und sympathisch die anwesenden Menschen waren. Zunächst einmal die Musiker, egal ob es die Franzosen aus Angers oder der weithin bekannte Plattenproduzent und Gitarrist aus Baltimore war – alle fielen durch eine extreme Höflichkeit und Freundlichkeit auf.
Das gibt’s nicht oft, dachte der Herr Flanell. Oder – vielleicht gibt es das oft, aber nicht auf den Konzerten, auf denen der Herr Flanell so rumhängt. Da herrscht oft ein rauer Ton, weil alle glauben, wenn man in einer Rock-oder Punkband spielt, muss man auch gleich mal fordernd und unfreundlich sein.
Jedenfalls nicht so freundlich, wie die Bands an diesem Abend waren. Das scheint auch irgendwie auf das anwesende Publikum abgefärbt zu haben. Richtig viele Menschen waren es nicht, aber die, die da waren und teilweise extra 250 Kilometer aus Thüringen angereist kamen, waren ebenso respektvoll und nett wie die Musiker. Und dürfen sicher sein, einen Konzertabend erlebt zu haben, den es so nicht häufig gibt.
Einige waren sicher beeindruckt von den Las-Vegas-würdigen Lichtspielen, die aufgebaut wurden. Mit Lichterketten ausgestattete Verstärker und Boxen, die im Rhythmus der Musik flackern und blinken, haben bisher wohl kaum Musikgruppen ins Schnapsloch geschleppt. Vielleicht KISS, aber als die da waren, war der Herr Flanell leider nicht da. Das bedauert er aber nicht, denn bei DARIA und Mr. ROBBINS war es mindestens genauso gut.
Drei Tage später kam es zum nächsten Konzert, dem der Herr Flanell beiwohnen durfte. Da kam er schon ein bißchen aus der Puste. Aber nur ein bißchen, denn dieses Konzert fand zum Glück nicht tief in der Nacht statt, sondern am hellichten Samstagnachmittag. Das war gut, denn es hat sich herausgestellt, dass der Herr Flanell nachts lieber schläft. Es war auch zuvörderst gar kein Konzert, sondern eine Veröffentlichungnsparty für ein Expertenmagazin aus dem Bereich Fußball. Amateurfußball und die unteren Lifen des Landes, um genau zu sein.
AUF JAHRE UNSCHLAGBAR heißt das Heft – einem dieser unvergessenen Franz-Beckenbauer-Zitate folgend, die quasi in Stein gemeißelt auch jedem Bestechungsskandal standhalten werden. Ein Magazin, das den Interessierten über die Niederungen des Amateurfußballs informiert, immer mit dem Fokus auf dem Lieblingsverein der Herausgeber, Tennis Borussia Berlin.
Davon ab war es auch eine Premiere, denn zum ersten Mal, seit der Herr Flanell das neue Renfield-Hautquartier bezogen hat, gab es ein Konzert von, nunja, Bands mit Gitarrenverstärkung in dem hübschen Haus im Hinterhof. Das war spannend, fand der Herr Flanell. Denn wie sowas klingt, wusste keinerr so recht. Klar gabe s da schon Parties mit Verstärkung, aber große Verstärker und verzerrte Gitarren bisher noch nicht. Und eigentlich war ja alles ganz anders geplant, als es dann hinterher stattgefunden hat. Geplant war nämlich ein Auftritt einer Musikgruppe namens LITBARSKI und der einer Gruppe namens RASKOLNIKOFF. Beide Gruppen sind so heiß und neu, dass es nicht mal irgendwelche Links zu Webseiten gibt, auf denen man sich was von ihnen anhören kann. Gespielt haben dann allerdings nicht LITBARSKI,sondern eine Gruppe namens WEIGHTS aus dem benachbarten Proberaumkomplex. Weil LITBARSKI krank waren. Einer von dreien zumindest. Da kann man ja nicht spielen. Umso schöner, dass WEIGHTS dann spontan eingesprungen sind und so zu der Ehre gekommen sind, an einem Tag zwei Konzerte spielen zu dürfen – eins in der Lichtenberger Remise und abends eins im Prenzlauer Berger Kastanienkeller.
Ist das Rock'n'Roll? Könnte man diskutieren. Nicht zu diskutieren ist die Tatsache, dass man durchaus mal am Nachmittag ein Punkkonzert in Berlin veranstalten und dazu Kaffee und ein Solikuchenbuffet für die Flüchtlingshilfe anbieten kann. Funktioniert prima und nicht nur für ehrenhaft ergraute Menschen, denen für das übliche Konzerteinerlei in den Nächten des Wochenendes zu anstrengend ist.
Das alles ging dem Herrn Flanell durch den Kopf, als er nach dem WEIGHTS/
RASKOLNIKOFF-Konzert abends wieder in sein liebstes Schnapsloch einfiel und dort vom Tresen noch ein Konzert, und zwar von den Kindern aus der Krachmacher-
straße BALG und ANTIHAIRBALL, erleben durfte. Da war ihm noch nicht ganz klar, dass es das mittlerweile dritte Konzert innerhalb von vier Tagen war. Ob das zuviel oder zuwenig oder sonst irgendwie von Belang sein könnte, hat sich dem Herrn Flanell auch nicht am nächsten Sonntag erschlossen, als er, ein Käsebrot kauend, versuchte, sein derzeitiges Lieblingslied „Shining light“ von ASH, mitzupfeifen.
Was ihm aber sehr belangvoll erschien, war der Plan, die Rezension der neuen Platte von DRESSY BESSY mit dem Titel „KINGSIZED“ auf diesen Blog zu stellen...
Aus der Abteilung „Wir wollten schon anrufen und nachfragen, ob das noch was wird“: Sieben Jahre ist es her, seit DRESSY BESSY eine Platte rausgebracht haben. Davor ging es eigentlich immer recht flott bei Tammy Ealom und ihren Bandkollegen. Seit 1997 wurde alle zwei-drei Jahre eine EP oder eine LP rausgehauen. Bis 2008 „Holler and Stomp“ erschien. Und dann acht Jahre lang wenig passierte.
Im Hause Yep Roc Records scheint die Geduld gegenüber der Band aber groß zu sein, denn wer wartet schon sieben Jahre, bis eine Band mal mit neuen Aufnahmen rüberkommt? Und auf wen würde man warten? Gut, bei Guns'n'Roses haben einige noch länger gewartet. Aber DRESSY BESSY sind ja keine schmierige Sleaze-Rentnerkapelle und zur regelmäßigen Befüllung der Gossip-Seiten des Internets taugen sie auch nicht. Zum Glück. Dafür kommen DRESSY BESSY aus Denver. Dafür können sie nichts. Ich weiß auch gar nicht, ob das schlimm ist, aus Denver zu kommen. Vielleicht ist es ja besser als Los Angeles, wo man den ganzen Tag surfen, braun werden und tätowiert sein muss, um im Schnellrestaurant mal eine Fettbemme zu bekommen. Wo liegt das eigentlich, dieses Denver? Ich werde es rausfinden und wenn ich Joan Collins anrufen muss. Wenn ich das getan habe, kann ich vielleicht der Frage, warum es acht Jahre gedauert hat, bis ein neues DB-Album erschienen ist, noch eher auf den Grund gehen. An der Musik liegt es nicht so recht.
Auf der Platte findet sich nämlich nicht allzuviel revolutionäres, das eine 2920-tägige Wartezeit rechtfertigt. Wäre der Begriff Pop-Punk nicht bis in alle Ewigkeit von irgendwelchen Green-Day-Klonen besetzt, dann würde das KINGSIZED am besten beschreiben. Zeitliche Einordnung: Ende der 80er/Anfang der 90er. THE BANGLES klingen da durch, die RUNANWAYS ebenso wie die EYELINERS. Bei „These modern guns“ sogar ein wenig was von GARBAGE und bei „Cup O' Bang bang“ sind es latent die PIXIES. Alles keine schlechten Referenzen, aber eben auch keine, die mich mehr als eine Augenbraue hochziehen lassen. Da hilft auch die ganze Armee von semi-prominenten Gästen nicht, die fast auf jedem Song von KINGSIZED mitgespielt haben.
Peter Buck von R.E.M hat für zwei Songs vorbei geschaut, Andy Shernoff von den DICTATORS auch, sowie der ein oder andere Kollege diverser anderer Indiebands. So richtig spannend ist das alles also leider nicht geworden. Dafür sehr solide, wie man es einer Band, die seit den 90ern unterwegs ist und nunmher sieben Alben in ihrem Werk zählne kann, durchaus zutrauen kann.
Aber vielleicht sollte man insgesamt keine melodischen Indie-Schrammel-Pop-Platten hören, wenn man innovative Musik sucht. Dafür könnten DRESSY BESSY ganz souverän den Soundtrack zu einem Remake von Filmen wie Reality Bites oder Singles liefern. Komödien, in denen die junge Winona Ryder rehäugig in die Kamera schaute und mit denen vor zwanzig Jahren all die Grungemädels und ihre holzfällerhemdtragenden Kinnbartfreunde ins Kino gelockt werden sollten. Ist ja schon mal was.
(K) Gary Flanell
Dienstag, 9. Februar 2016
Nun zeige ich euch euer Land
Oh, dieses Österreich! Oh, diese Kulturförderung!
Sie registrieren spätestens ab Sommer keine Flüchtlinge mehr und bis dahin nur in „Tageskontingenten“, sie regieren ganze Länder blau und scheuen vielerorts auch nicht die offensiv geäußerte Menschenfeind-
lichkeit. Aber sie geben Geld für Kultur aus. Nicht nur für die bereits erwähnte vergoldete Hochkultur, sondern für lebendige Subkultur.
So ist die Frauenabteilung der Stadt Wien 2012 hingegangen und hat Musikerinnen eingeladen, eine Neuinterpretation von Arbeiterinnen- und Kampfliedern vorzunehmen. Mit der durchaus einsichtigen Überlegung, dass selbige kein Mensch mehr kenne, geschweige denn singe, und das doch irgendwie schade sei – aber auch mit der Frage, ob denn das Lied noch eine politische Artikulation sei? Fuck yeah!
Das Resultat ist eine Doppel-CD, trocken betitelt „re:composed“, mit einem ausführlichen Booklet dabei – und das Ganze gibt es UMSONST zu bestellen unter frauen@wien.gv.at. Dank der emsigen Kollegin Niki Matita ist dieser interessante Tonträger - wenn auch mit einiger Verspätung - im Renfield-Hauptquartier gelandet. Kuratiert hat Ulrike Mayer, die Wiener Initiatorin des Girls Rock Camp ist und Kulturarbeit als ein „Einmischen in gesellschaftliche, politische und kulturelle Debatten“ versteht. Da es sich um Extrem-Intertextualität handelt, also um Neuerfindungen, die sich in mehrfacher Weise auf andere Texte beziehen, ist es interessant, die Geschichten zu lesen, wie die jeweiligen Musikerinnen mit ihren Stücken umgegangen sind. Aber die Stücke überzeugen auch unmittelbar völlig ohne Kontext, musikalisch, textlich und, fuck yeah, politisch.
„Es hat sich was getan im Land, zumindest was Musik betrifft“, stellt Mieze Medusa lakonisch fest, „wir brauchen neue Lieder, die alten singen wir nicht mehr.“ Sie hat die Internationale recomposed – das heißt, abgeschafft. An ihre Stelle setzt sie einen Spoken Word Appell, nicht an die internationale Solidarität, sondern an Schneewittchen, ob sie wisse, wie man den gläsernen Sarg zerschlägt: „Hast du da Erfahrungswert, gilt der auch für Decken?“ Schlag nicht zu zaghaft, rät Schneewittchen, wart nicht zu lange. Bisher gibt es nur „Worte als Hülsen, Erklärung als Absicht, Vertröstung auf morgen... das geht sich halt leider in diesem Jahr wieder nicht aus...“
Das Original ganz fallen zu lassen ist ein Extrem der Interpretationen, andere Künstlerinnen haben 'ihren' Song einfach nachgespielt, etwa Stefanie Sourials „Bella Ciao“. Dazwischen gibt es jede Menge Variation. Cherry Sunkist und Ana Threat setzen experimentell-elektronisch um, auch das „Wiedner Spital“ von Laminadyz, ursprünglich eine Grusel-Moritat über Prostitution und Geschlechtskrankheit, wird zur Klanginstallation. Mika Vember lässt das von KZ-Gefangenen geschriebene „Ravensbrücklied“ vielstimmig durcheinander sprechen.
Angie Domdeys „Unter dem Pflaster liegt der Strand“ aus den 70ern wird von Vera Kropf, der Frontfrau der Wiener-Berliner Indie-Kapelle Luise Pop, hingegen originalgetreu interpretiert. Auch „Drei rote Pfiffe“ stammt aus den 70ern und erzählt die wahre Geschichte der Partisanin Helena „Jelka“ Kucher. Sie tritt als alte Dame im Kreis ihrer Enkel auf, die sagt: „Nun zeige ich euch euer Land.“ Am Ende fordert sie sie auf: „Jetzt trampeln sie wieder auf euren Rechten herum – erinnert euch meiner Geschichte.“
„Auf auf zum Kampf“ schließlich war erst ein Soldatenlied, wurde dann etwa 1919 von Linken umgeschrieben und 1930 von der SA okkupiert. Was macht man wohl damit? Na klar, die „Biedermeierversion“! Der Zeitgeist wird optimal eingefangen von Mimu mit dem neuen Text: „Auf auf zum Kampf, zum Kampf... weiß jemand, worum es geht?“ Mit Piepsstimme und kindlichem Händeklatschen flöten sie: „Ich bleibe gern und viel bequem bei mir daheim... Der Glaube an Veränderung ist verloren, und die moderne Zeit, die ist mir zu komplex.“
Alissa Wyrdguth
Sie registrieren spätestens ab Sommer keine Flüchtlinge mehr und bis dahin nur in „Tageskontingenten“, sie regieren ganze Länder blau und scheuen vielerorts auch nicht die offensiv geäußerte Menschenfeind-
lichkeit. Aber sie geben Geld für Kultur aus. Nicht nur für die bereits erwähnte vergoldete Hochkultur, sondern für lebendige Subkultur.
So ist die Frauenabteilung der Stadt Wien 2012 hingegangen und hat Musikerinnen eingeladen, eine Neuinterpretation von Arbeiterinnen- und Kampfliedern vorzunehmen. Mit der durchaus einsichtigen Überlegung, dass selbige kein Mensch mehr kenne, geschweige denn singe, und das doch irgendwie schade sei – aber auch mit der Frage, ob denn das Lied noch eine politische Artikulation sei? Fuck yeah!
Das Resultat ist eine Doppel-CD, trocken betitelt „re:composed“, mit einem ausführlichen Booklet dabei – und das Ganze gibt es UMSONST zu bestellen unter frauen@wien.gv.at. Dank der emsigen Kollegin Niki Matita ist dieser interessante Tonträger - wenn auch mit einiger Verspätung - im Renfield-Hauptquartier gelandet. Kuratiert hat Ulrike Mayer, die Wiener Initiatorin des Girls Rock Camp ist und Kulturarbeit als ein „Einmischen in gesellschaftliche, politische und kulturelle Debatten“ versteht. Da es sich um Extrem-Intertextualität handelt, also um Neuerfindungen, die sich in mehrfacher Weise auf andere Texte beziehen, ist es interessant, die Geschichten zu lesen, wie die jeweiligen Musikerinnen mit ihren Stücken umgegangen sind. Aber die Stücke überzeugen auch unmittelbar völlig ohne Kontext, musikalisch, textlich und, fuck yeah, politisch.
„Es hat sich was getan im Land, zumindest was Musik betrifft“, stellt Mieze Medusa lakonisch fest, „wir brauchen neue Lieder, die alten singen wir nicht mehr.“ Sie hat die Internationale recomposed – das heißt, abgeschafft. An ihre Stelle setzt sie einen Spoken Word Appell, nicht an die internationale Solidarität, sondern an Schneewittchen, ob sie wisse, wie man den gläsernen Sarg zerschlägt: „Hast du da Erfahrungswert, gilt der auch für Decken?“ Schlag nicht zu zaghaft, rät Schneewittchen, wart nicht zu lange. Bisher gibt es nur „Worte als Hülsen, Erklärung als Absicht, Vertröstung auf morgen... das geht sich halt leider in diesem Jahr wieder nicht aus...“
Das Original ganz fallen zu lassen ist ein Extrem der Interpretationen, andere Künstlerinnen haben 'ihren' Song einfach nachgespielt, etwa Stefanie Sourials „Bella Ciao“. Dazwischen gibt es jede Menge Variation. Cherry Sunkist und Ana Threat setzen experimentell-elektronisch um, auch das „Wiedner Spital“ von Laminadyz, ursprünglich eine Grusel-Moritat über Prostitution und Geschlechtskrankheit, wird zur Klanginstallation. Mika Vember lässt das von KZ-Gefangenen geschriebene „Ravensbrücklied“ vielstimmig durcheinander sprechen.
Angie Domdeys „Unter dem Pflaster liegt der Strand“ aus den 70ern wird von Vera Kropf, der Frontfrau der Wiener-Berliner Indie-Kapelle Luise Pop, hingegen originalgetreu interpretiert. Auch „Drei rote Pfiffe“ stammt aus den 70ern und erzählt die wahre Geschichte der Partisanin Helena „Jelka“ Kucher. Sie tritt als alte Dame im Kreis ihrer Enkel auf, die sagt: „Nun zeige ich euch euer Land.“ Am Ende fordert sie sie auf: „Jetzt trampeln sie wieder auf euren Rechten herum – erinnert euch meiner Geschichte.“
„Auf auf zum Kampf“ schließlich war erst ein Soldatenlied, wurde dann etwa 1919 von Linken umgeschrieben und 1930 von der SA okkupiert. Was macht man wohl damit? Na klar, die „Biedermeierversion“! Der Zeitgeist wird optimal eingefangen von Mimu mit dem neuen Text: „Auf auf zum Kampf, zum Kampf... weiß jemand, worum es geht?“ Mit Piepsstimme und kindlichem Händeklatschen flöten sie: „Ich bleibe gern und viel bequem bei mir daheim... Der Glaube an Veränderung ist verloren, und die moderne Zeit, die ist mir zu komplex.“
Alissa Wyrdguth
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