Schwer vorstellbar, dass der Name der wohl bekanntesten Crypt-Compilation mal so selbstbezogen zu deuten war. Es ging ja mehr um diese Songs, die auf diesen Platten vom gar nicht so kleinen Friedhof der Popgeschichte zurückgeholt wurden, aber wohl nie so selbst um das eigene Schicksal. Dabei sah es mal echt lange so aus, als wären die BACK FROM THE GRAVE-Sampler selber am Ende gewesen. Dass da noch was kommt, hätten wohl nur wenige gedacht. "Echt lange" heißt in diesem Fall übrigens 18 Jahre. Selbst in den alternativsten Subkulturen eine Ewigkeit, an deren Anfänge sich kein Szenezombie noch erinnern kann.
Und jetzt? Ist es passiert, nicht einen, sondern gleich zwei neue BFTG-Sampler gibt's. Man hält's kaum aus.
Eigentlich unglaublich, dass es 18 Jahre her ist, seit die achte Compialtion dieser Reihe veröffentlicht wurde. 18 verdammte Jahre. Hast du damals ein Kind in die Welt gesetzt, hat es jetzt schon den Führerschein. Und du? Erinnerst dich vielleicht sehr gut daran, wie du in den 80ern und/oder 90ern volljährig warst und mit Muttis grauem Golf Zwo und deinen Jeansbekleideten Punkkumpels durch verschneite Landschaften zum NEWDEVILOBLIVIANSPAGANSLAUGHINGHYENASTURKS- Konzert in die nächste große Stadt gefahren seid. Und das in dieser biederen Karre, in der es so kalt war, dass dem Typen ganz links auf der Rückbank in der Nacht beim Rausch ausschlafen die Haare an der kondenswassergetränkten Innenscheibe festgefroren sind. War ja auf dem Weg zurück dann auch alles sehr eng – alle breit und voll, aber selig, denn neben den Erinnerungen an ein geiles Konzert war der der Wagen auch voll mit neuen Platten, für die man all sein Weihnachtsgeld von Oma hergegeben hat. Und einer hat eventuell auch den neuen Back-From-The-Grave-Sampler mitgenommen. Weil das gezeichnete Cover so geil aussah und die Euphorie war da. Obwohl man keine Band darauf kannte, weil das ja alles so obskure Amibands aus dem behüteten mittleren Westen waren, die 30 Jahre zuvor mal eine Single aufgenommen haben. Zuhause hat man dann beim ersten Hören einen Geschmack davon bekommen, dass Beat auch mal Punk sein konnte und Punk eben nicht erst mit dem Ramones und Slime anfing. Sondern dass auch 60ties-Bands ziemlich ruppig und irre war.
Nun also gleich in zweifacher Ausführung. Nach so langer Zeit musste es wohl die Doppelnummer sein. Was ja nur heißt, dass es da draußen noch so unglaublich viel unentdecktes Beatzeug gibt, das irgendwann mal in Acetat geritzt wurde. Plattenpresswerkbesitzer hätte man damals sein müssen!
Vielleicht kann man sich Tim Warren von Crypt Records als eine Mischung als Detektiv und Archäologe im Indiana Jones-Format vorstellen. Einer, der auch in die finstersten Ecken des amerikanischen Kontinents zieht um DAS eine Exemplar einer lang verschollenen 7inch zu finden. Jedenfalls als einen, der sich darum kümmert, dass diese Perlen der Teenbeat-Geschichte nicht komplett verloren gehen. Denn die Bands auf den BFTG-Samplern sind nie diejenigen, die 1000e von Platten verkauft haben. Es war wohl mehr wirkliche DIY-Arbeit von ein paar Jungs in den US-Provinzcombos , die unbedingt wie die Beatles, die Stones, die Sonics oder die Kinks klingen wollten – aber eben nicht nächtelang Konzertreihen in Hamburgs Beatschuppen hatten oder in London lebten, sondern die lokalen Garage-Rockhelden in irgendeinem Kaff in Arkansas, Indiana, New Jersey oder Tennessee waren. Die vielleicht 1-2 gute Songs hatten und diese dann in Eigenregie auf eine 100ter-Auflage Vinyl pressen ließen, um diese dann an Freunde, Verwandte und Groupies zu vertickern. Oder unterm Bett vergammeln ließen und später beim Yard Sale verramscht haben. Genau so entstehen Raritäten.
Das war das Gute an den BFTG-Samplern. Plötzlich hatte man Songs, die keiner hatte. Von Bands, die keiner kannte und sie waren nicht viel schlechter als die Mainstream-60ies-Bands. Vielleicht etwas wackeliger gespielt, etwas räudiger aufgenommen und manchmal auch einfach billig kopiert. Aber genau dieses Unperfekte machte ja diese unzähligen und kurzlebigen Früh-Rock’n‘Rollbands so charmant. Und vielleicht erfüllten sie gerade dadurch den Wunsch nach Authentizität, dem ja jeder Musikfreak so gern hinterherhechelt.
Ich könnte versuchen, nur die wichtigsten oder besten der 30 Bands aufzählen, die auf BFTG 9 und 10 vertreten sind, zu erwähnen. Aber das funktioniert nicht. Denn es gibt hier nicht den unglaublich herausragenden einzelnen Song. Andersherum gibt es auch keinen absolut schlechten Track. Was hier ausgebuddelt wurde, soll nicht mit Namen glänzen. Denn das ist alles geil. Kann alles in einem Stück durchlaufen, egal ob man sich Volume 9 und 10 auf der einen CD anhört oder separat jeweils auf Vinyl (was den Vorteil hat, dass man das grandiose Artwork von No. 10 auch in angemessener Größe bewundern kann). Da ist kein Hänger oder Luschensong dabei. Und gerade mal zwei Coverversionen. Darauf zu verzichten gehört vielleicht auch zum Ethos des Sampler-Reihen-Herausgebers.
Was auch dazugehört, ist wohl die angemessene Informationsversorgung der gierigen Garagegemeinde mit Infos zu Bands und Songs, die nach 40-50 Jahren nochmal ans Licht gezerrt wurden. Deshalb diese beiden fetten Booklets, mit Infos zu wirklich jeder Band und jedem Song und Fotos und Abbildungen der Orginal-7inches. Was angesichts der schlechten Quellenlage ein Arbeitsaufwand ist, an dem sich manche Billo-Kompilation mal was abgucken kann.
Das Angebot von Samplerreihen, die allerlei obskure Rockmusik aus früheren Zeiten anbieten, ist mittlerweile riesig. Crypt Records hat neben den BFTG-Platten auch noch die mit frühem und obskuren Rock-a-Billy/Novelty-Songs versehene Sin Alley-Reihe aufgelegt, und das hat im Laufe der Jahre viele Nachahmer gefunden. Was aber die optische und inhaltliche Aufarbeitung (Cover! Artwork! Booklets! Infos!) angeht, kommen viele Sampler nicht mit.
18 Jahre. Lange Zeit für Rock’n’Roll. Da waren viele in den letzten 18 Jahren wohl mit anderen Sachen beschäftigt, als jeden Tag der dringenden Frage nachzugehen, wann denn die nächste BFTG-Compilation erscheint. Schande über uns alle, die wir damit nicht gerechnet haben. Und große Verneigung vor der Crypt-Crew für diese zwei wunderbaren Platten. (C)
Gary Flanell
Crypt Records
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Dienstag, 30. Dezember 2014
Dienstag, 23. Dezember 2014
Do they know it's Ebola?
Neues von Kunst Kacke Sound System!
Wenn alte englische Pop-Adlige und alte deutsche Punk-Adelige meinen, all ihre Kollegen von der Plattenfirma unter die Knute eines gemeinsamen miesen Pop-Songs zur Wiederherstellung der Kontinentalgesundheit zwingen zu müssen, ist es Zeit zum Eingreifen.
Das Berliner Kunst Kacke Sound System (https://www.facebook.com/KunstKackeSoundSystem) prangert an und zwar nach feinster kunstkackerischer Art:
Gleiches mit Gleichem vergeltend hat das Kollektiv von wechselnden Berliner Musikerinnen und Soundvirtuosen um Gary Flanell und Niki Matita eine Krachersingle hingelegt, die sich Geldof und Konsortien in die schmalztriefenden Engelslocken schmieren können.
Kein Trostpflaster hilft gegen eine dermaßen tödliche Krankheit wie Ebola und Charitas hat die Welt auch nicht verbessert. Es gibt sogar den begründeten Verdacht, dass Wohltätigkeit die wirtschaftlichen und sozialen Mißstände und die globale Ungerechtigkeit eher erhärtet und manifestiert. Kunst Kacke Sound System ist nicht an monetären Profiten interessiert. Alle Künstlerinnen und Künstler sind auf eigene Kosten ins Trickster-Gamma-Zett-Zwo-Pferdekopf7-Studio nach Kreuzberg gereist und haben ohne Gage mit vollem Einsatz auf Instrumenten gespielt, die sie zuvor nicht beherrschten.
Mit der Tophit "Do They Know It's Ebola" auf der A-Seite und dem besinnlichen "AmaMaman" als Gegenstück haben Veit Rausch, L.Küstennebel, I. Bell, Jeanne Neton, Niki Matita und Gary Flanell in einem Moment der Entladung und der temporären Befreiung innerer und äußerer Zwänge herrschaftsfreie Musik vom Feinsten entstehen lassen!
Davon dürfte bei Leuten wie Bob Geldof oder Campino herzlich wenig zu spüren gewesen sein als sie ihr süßliches Christengewäsch aufgezeichnet haben, denn was ist Weihnachten sonst? Ein Fest für die ganze Familie, alle Menschen werden Brüder, Ihr Kinderlein kommet?! In Guinea, wo die Ebolaviruserkrankung Anfang 2014 ihre epidemische Verbreitung begann, sind 90% der Bevölkerung muslimisch und kennen weder Maria, noch Josef oder Baby Jesus.
Die Radioweltpremiere der aktuellen Weihnachtssingle "Do They Know It's Ebola / AmaMaman" von Kunst Kacke Sound System ist am 23.12.2014 in der Sendung "Einheimische Gewächse" (https://www.facebook.com/EinheimischeGewachse) ab 23:30 Uhr auf colaboradio.
colaboradio ist in Berlin auf UKW 88,4 MHz oder im Internet weltweit zu empfangen: http://senderberlin.org/programm/sendung/23258.html#Einheimische%20Gewächse Ganz ohne Radio anzuhören gibt's das Statement des KuKaSoSy zu dem ganzen Charity-Klimbim hier:
http://www.mixcloud.com/minimatika/kunst-kacke-sound-system-do-they-know-its-ebola-a-seite-mastered
und die B-Seite hier:
http://www.mixcloud.com/minimatika/kunst-kacke-sound-system-amamaman-b-seite-mastered/ Niki Matita
Wenn alte englische Pop-Adlige und alte deutsche Punk-Adelige meinen, all ihre Kollegen von der Plattenfirma unter die Knute eines gemeinsamen miesen Pop-Songs zur Wiederherstellung der Kontinentalgesundheit zwingen zu müssen, ist es Zeit zum Eingreifen.
Das Berliner Kunst Kacke Sound System (https://www.facebook.com/KunstKackeSoundSystem) prangert an und zwar nach feinster kunstkackerischer Art:
Gleiches mit Gleichem vergeltend hat das Kollektiv von wechselnden Berliner Musikerinnen und Soundvirtuosen um Gary Flanell und Niki Matita eine Krachersingle hingelegt, die sich Geldof und Konsortien in die schmalztriefenden Engelslocken schmieren können.
Kein Trostpflaster hilft gegen eine dermaßen tödliche Krankheit wie Ebola und Charitas hat die Welt auch nicht verbessert. Es gibt sogar den begründeten Verdacht, dass Wohltätigkeit die wirtschaftlichen und sozialen Mißstände und die globale Ungerechtigkeit eher erhärtet und manifestiert. Kunst Kacke Sound System ist nicht an monetären Profiten interessiert. Alle Künstlerinnen und Künstler sind auf eigene Kosten ins Trickster-Gamma-Zett-Zwo-Pferdekopf7-Studio nach Kreuzberg gereist und haben ohne Gage mit vollem Einsatz auf Instrumenten gespielt, die sie zuvor nicht beherrschten.
Mit der Tophit "Do They Know It's Ebola" auf der A-Seite und dem besinnlichen "AmaMaman" als Gegenstück haben Veit Rausch, L.Küstennebel, I. Bell, Jeanne Neton, Niki Matita und Gary Flanell in einem Moment der Entladung und der temporären Befreiung innerer und äußerer Zwänge herrschaftsfreie Musik vom Feinsten entstehen lassen!
Davon dürfte bei Leuten wie Bob Geldof oder Campino herzlich wenig zu spüren gewesen sein als sie ihr süßliches Christengewäsch aufgezeichnet haben, denn was ist Weihnachten sonst? Ein Fest für die ganze Familie, alle Menschen werden Brüder, Ihr Kinderlein kommet?! In Guinea, wo die Ebolaviruserkrankung Anfang 2014 ihre epidemische Verbreitung begann, sind 90% der Bevölkerung muslimisch und kennen weder Maria, noch Josef oder Baby Jesus.
Die Radioweltpremiere der aktuellen Weihnachtssingle "Do They Know It's Ebola / AmaMaman" von Kunst Kacke Sound System ist am 23.12.2014 in der Sendung "Einheimische Gewächse" (https://www.facebook.com/EinheimischeGewachse) ab 23:30 Uhr auf colaboradio.
colaboradio ist in Berlin auf UKW 88,4 MHz oder im Internet weltweit zu empfangen: http://senderberlin.org/programm/sendung/23258.html#Einheimische%20Gewächse Ganz ohne Radio anzuhören gibt's das Statement des KuKaSoSy zu dem ganzen Charity-Klimbim hier:
http://www.mixcloud.com/minimatika/kunst-kacke-sound-system-do-they-know-its-ebola-a-seite-mastered
und die B-Seite hier:
http://www.mixcloud.com/minimatika/kunst-kacke-sound-system-amamaman-b-seite-mastered/ Niki Matita
Dienstag, 9. Dezember 2014
Das Renfield-Team im Arbeitskampf
Kommt mir jetzt nicht mit Weihnachten. Ich weiß, die wäre ein billiger, aber immer guter Aufhänger, um einen Blogeintrag zu posten. Nutz ich aber nicht. Ich mach heute nicht mal 'ne Kerze an. Sondern beschäftige mich mit einer Frage, die einem am Ende des Jahres beim Blick ins winterliche Dunkel und mit Blick auf das näherkommende nächste Jahr gelegentlich doch mal kommt.
Wie wollen wir eigentlich leben?
Wie will ich eigentlich leben? Immer Hartz4? Immer öde stupide Arbeit? Immer solo? Immer nur eine Beziehung nach der anderen? Immer zynisch? Immer müde? Immer überfordert, krank und ausgebrannt? Immer im Reihenhaus oder immer WG? Immer Wagenburg, immer Hinterhof oder immer Blick auf den Plattenbau gegenüber? Immer Altbau oder immer Bungalow? Immer sicher? Immer volles Risiko? Immer geplant oder immer spontan? Immer nur schreien oder immer stumm? Immer nur laufen oder immer nur stillstehend? Immer nur agierend oder immer nur reagierend? Ok, reicht.
Kurze Antwort: Ich weiß es nicht. Ich glaube auch nicht, dass das irgendjemand auf diesem Planeten wirklich weiß. jedenfalls so, dass er/sie es in einem Satz erklären könnte. Es gibt wohl keine einfache Antwort auf diese Frage. Aber mit eben dieser Frage sind wir im Jahr 2014 nun wahrlich auch nicht die ersten. Wirklich nicht. Das haben sich schon ein paar andere Leute gefragt, ich wette sogar, seit ein paar Jahrtausenden fragen sich das immer irgendwelche Gestalten und meinen desöfteren eine simple Antwort darauf gefunden zu haben. Einige haben sogar schon Filme dazu gemacht.
Zu Beispiel diesen hier:
Das Jahr 01 (L’an 01)
"Das Jahr 01" ist einer der wenigen Spielfilme, die sich gründlich mit der Frage „wie wollen wir leben?“ beschäftigt. Eine sozialistische Übergangsphase, ein Zentralkomitee oder sonstige Instanzen, werden dafür nicht als nötig erachtet. An einem Tag um 15:00, ist es soweit: „Wir stoppen alles, denken nach und es ist echt nicht traurig!“.
Von nun an wird alles mögliche umgewälzt oder abgeschafft (entfremdete Arbeit, Geld, Privateigentum, Knäste…). Das Spiel, die Lust, die Wissenschaft, die Kunst wird von jedem, der es möchte, angeeignet.
Das Jahr 01 basiert auf dem gleichnamigen Comic und wurde Anfang der 70er Jahre überwiegend in Frankreich gedreht. Wer die Regisseure sind, ist – auch wenn sie teilweise Karriere gemacht haben – vollkommen unwichtig. Es ist ein kollektives Spiel, ohne Hauptdarsteller_innen. Deshalb kann man im Vorspann keine Namen lesen: „Es sind so viele und sie werden sich schon erkennen“.
labournet.tv hat die ersten deutschen Untertitel erstellt.
Und genau den Film schaut sich die RENFIELD-Crew und alle, die es mit ihr tun wollen, am kommenden Donnerstag ab 21 Uhr an.
Stattfinden wird diese rein private Veranstaltung im schönsten selbstorganisierten Schnapsloch Berlins ab 20 Uhr und wer mag, darf hinterher auch noch gern mit allen Anwesenden bei geistigen Getränken über seine Antwort auf die oben genannten Frage diskutieren..
Die Deutschen Untertitel werden im Rahmen der Veranstaltung auf CDs zu Verfügung gestellt.
Wie wollen wir eigentlich leben?
Wie will ich eigentlich leben? Immer Hartz4? Immer öde stupide Arbeit? Immer solo? Immer nur eine Beziehung nach der anderen? Immer zynisch? Immer müde? Immer überfordert, krank und ausgebrannt? Immer im Reihenhaus oder immer WG? Immer Wagenburg, immer Hinterhof oder immer Blick auf den Plattenbau gegenüber? Immer Altbau oder immer Bungalow? Immer sicher? Immer volles Risiko? Immer geplant oder immer spontan? Immer nur schreien oder immer stumm? Immer nur laufen oder immer nur stillstehend? Immer nur agierend oder immer nur reagierend? Ok, reicht.
Kurze Antwort: Ich weiß es nicht. Ich glaube auch nicht, dass das irgendjemand auf diesem Planeten wirklich weiß. jedenfalls so, dass er/sie es in einem Satz erklären könnte. Es gibt wohl keine einfache Antwort auf diese Frage. Aber mit eben dieser Frage sind wir im Jahr 2014 nun wahrlich auch nicht die ersten. Wirklich nicht. Das haben sich schon ein paar andere Leute gefragt, ich wette sogar, seit ein paar Jahrtausenden fragen sich das immer irgendwelche Gestalten und meinen desöfteren eine simple Antwort darauf gefunden zu haben. Einige haben sogar schon Filme dazu gemacht.
Zu Beispiel diesen hier:
Das Jahr 01 (L’an 01)
"Das Jahr 01" ist einer der wenigen Spielfilme, die sich gründlich mit der Frage „wie wollen wir leben?“ beschäftigt. Eine sozialistische Übergangsphase, ein Zentralkomitee oder sonstige Instanzen, werden dafür nicht als nötig erachtet. An einem Tag um 15:00, ist es soweit: „Wir stoppen alles, denken nach und es ist echt nicht traurig!“.
Von nun an wird alles mögliche umgewälzt oder abgeschafft (entfremdete Arbeit, Geld, Privateigentum, Knäste…). Das Spiel, die Lust, die Wissenschaft, die Kunst wird von jedem, der es möchte, angeeignet.
Das Jahr 01 basiert auf dem gleichnamigen Comic und wurde Anfang der 70er Jahre überwiegend in Frankreich gedreht. Wer die Regisseure sind, ist – auch wenn sie teilweise Karriere gemacht haben – vollkommen unwichtig. Es ist ein kollektives Spiel, ohne Hauptdarsteller_innen. Deshalb kann man im Vorspann keine Namen lesen: „Es sind so viele und sie werden sich schon erkennen“.
labournet.tv hat die ersten deutschen Untertitel erstellt.
Und genau den Film schaut sich die RENFIELD-Crew und alle, die es mit ihr tun wollen, am kommenden Donnerstag ab 21 Uhr an.
Stattfinden wird diese rein private Veranstaltung im schönsten selbstorganisierten Schnapsloch Berlins ab 20 Uhr und wer mag, darf hinterher auch noch gern mit allen Anwesenden bei geistigen Getränken über seine Antwort auf die oben genannten Frage diskutieren..
Die Deutschen Untertitel werden im Rahmen der Veranstaltung auf CDs zu Verfügung gestellt.
Labels:
dystopie,
Fertig,
frohes fest,
Gegenwart,
guten Rutsch,
Kacksalat,
L'an 01,
The year zero 01,
Utopie,
watwillickeigentlich,
watwollnwireigentlich,
Zukunft
Dienstag, 2. Dezember 2014
Crooning 'round the Monatsende
Am Ende kaufe ich doch noch zwei 7inches. Die Songs habe ich schon auf Gaspard Royants-CD-Compilation, aber so ganz rational kann man das bei Plattensammlern eh nie erklären, warum sie was kaufen. Vielleicht ist es eine Mischung aus Kalkül (Die Dinger könnten ja irgendwann mal was wert sein), Genuss (die Songs waren im Set am besten) und schlicht und ergreifend Sucht. Nach neuen Platten.
Garspard Royant ist für einen Promo–Gig mit seiner Band nach Berlin in den Fluxbau gekommen. Heißt: Das Ding ist irgendwie nicht öffentlich. Dafür ist der Laden voll mit–zig Menschen der Gattung Irgendwas-mit-Medien-Typen. Gehöre ich ja auch irgendwie zu. Schließlich wurde Royants Single-Compilation im aktuellen Renfield rezensiert und in der SubCult-Radioshow auch gespielt. Trotzdem fremdele ich mit all diesen jungen und gut gekleideten Menschen um mich rum. Sehen irgendwie alle sehr glatt aus. Und ich hab mein bestes Hemd angezogen.
Die Backing- Band kommt in der guten alten Rock/Beat-Besetzung daher. Gitarre, Bass, Schlagzeug, kein Keyboard. Sehen alle drei aus, als könnten sie auch in einer angesagten Indierockkapelle spielen. Gaspard Royant hat eine leichte Ähnlichkeit mit Ken Jebsen und steckt in einem weißen Sakko, das auch Elvis schon in jungen Jahren getragen haben könnte. Auch sonst sieht er sehr geschniegelt aus. Frisch rasiert, gut gescheitelte Frisur, dazu Lackschühchen. Hat auch was von einem Nachkriegs-Eisdielenverkäufer. Ein ordentlicher junger Dandy, den man so auch als Schwiegersohn herzeigen könnte. Das Outfit passt natürlich spitze zu dem Sound, denn der ist auch ziemlich retro. Sixties-Beat, frühe Beatles, frühe Stones, frühe Kinks, Northern Soul, Ye-Ye-Pop – alles drin. Immer ordentlich Twang auf der Gitarre, alles immer sehr treibend und tanzbar. Klar, wenn die Snare durchpeitscht, dann kriegt selbst die softeste Beatnummer einen guten Drive. Dazu englische Texte, die vielleicht nicht sehr tiefsinnig, aber recht smart sind, und mit unglaublichem Schmelz in der Stimme vorgetragen werden. Ein Schnulzensänger ist Gaspard Royant zwar nicht, aber nah dran. Die Posen und Moves der Crooner der späten 50er bis zu den frühen 60ern hat er jedenfalls gut und genau einstudiert.
Fünf Singles hat Gaspard Royant in den letzten Jahren rausgebracht, diese gibt es nochmal zusammen auf der Compilation „10 Hit Wonder“. Jede andere Band hätte sich wahrscheinlich nach zwei 7inches auf das Projekt Langspielplatte gestürzt. Aber in Hinsicht auf das Format hat der Franzose sich an den Künstlern der frühen Rock’n’Roll- und Beatgeneration gehalten. Heißt: Erst mal Singles rausballern, was das Zeug hält. Für das größere Vorhaben einer eigenständigen LP mit all ihren konzeptionellen Raffinessen scheint erst mal keine Zeit gewesen zu sein. Da die Menge aber irgendwas haben will, außer einen Song nach dem anderen kleckerweise gereicht zu bekommen musste wohl im Herbst eine Kompilation hinterher.
Schon während des zugegeben sehr unterhaltsamen Gigs bin ich ein wenig zwiegespalten. Denn einerseits ist dieses Retroding, das Royant konsequent durchzieht, schon charmant. Ein wenig moderner als aus Omas Wurlitzer klingt das schon, wenn auch nicht so, wie das die BLACK KEYS, THE WHITE STRIPES oder THE STROKES fabrizieren. Nicht so dreckig und laut wie manche Garage-Band. Denn dafür sind die Songs von Gaspard Royant einfach zu glatt. Er wirkt wie ein Star aus der Zeit, als es noch Sendeschluss und schwarz-weiß-Fernsehen gab. Smart, beweglich, sich von der Monitorbox zu den schmachtenden Mädels Publikum runterbeugend und am Ende noch auf den Tresen springend. Macht alles Laune, wirkt aber wie ein Re-Enactment goldener Showzeiten, als die Verhältnisse noch klar waren – eben wie in den goldenen 60ern. Selbst als die in der Zugabe sogar Jim Morrison zitiert wird, bleibt das alles zu lieb. Da ist nichts Gefährliches, nichts Bedrohliches, nichts Außenseiter-mäßiges, nichts was die Rock’n’Roll-Darsteller in den frühen Zeiten so faszinierend machte.
Vielleicht sind es die Brüche, die mir bei Gaspard Royant ein wenig fehlen. Entertainerfigur ja, aber warum das Ganze nicht ein bisschen überziehen, etwas karikieren oder mit etwas Ironie versehen? Aber vielleicht will heute niemand mehr gravierende Irritationen in der Darstellung so einer Figur, keine seltsamen Verweise, kein unvorhergesehenen Wahnsinn. Vielleicht gab es in den letzten 30 Jahren doch zuviele Provokateure auf den Bühnen, so dass das Publikum heute lieber was einfach authentisch Wirkendes sehen will. Ohne Verwirrung. Oder ist die Tatsache, dass da einer so authentisch seine Beat-Musik spielt, dass er auch vor 50 Jahren zu Ruhm und Geld hätte kommen können, heutzutage schon so richtig alternativ? Gaspard Royant ist auch nach dem Konzert am Plattenstand einfach ein netter Typ und signiert fleißig, was man ihm an Tonträgern und Merchandise hinhält. Profi halt. So gesehen ist Gaspard Royant ein Künstler, zu dem du gut mit deiner Mutter oder deiner Oma hingehen kannst. Die würden es auch gut finden, schließlich fanden sie die Stones und die Beatles ja auch ganz gut, als sie mal jung waren. Aber damit passt er genauso gut ins Frühstücksfernsehen von Sat.1 wie in den zu einem irgendwie alternativen Radiosender gehörenden Fluxbau.
Gary Flanell
Garspard Royant ist für einen Promo–Gig mit seiner Band nach Berlin in den Fluxbau gekommen. Heißt: Das Ding ist irgendwie nicht öffentlich. Dafür ist der Laden voll mit–zig Menschen der Gattung Irgendwas-mit-Medien-Typen. Gehöre ich ja auch irgendwie zu. Schließlich wurde Royants Single-Compilation im aktuellen Renfield rezensiert und in der SubCult-Radioshow auch gespielt. Trotzdem fremdele ich mit all diesen jungen und gut gekleideten Menschen um mich rum. Sehen irgendwie alle sehr glatt aus. Und ich hab mein bestes Hemd angezogen.
Die Backing- Band kommt in der guten alten Rock/Beat-Besetzung daher. Gitarre, Bass, Schlagzeug, kein Keyboard. Sehen alle drei aus, als könnten sie auch in einer angesagten Indierockkapelle spielen. Gaspard Royant hat eine leichte Ähnlichkeit mit Ken Jebsen und steckt in einem weißen Sakko, das auch Elvis schon in jungen Jahren getragen haben könnte. Auch sonst sieht er sehr geschniegelt aus. Frisch rasiert, gut gescheitelte Frisur, dazu Lackschühchen. Hat auch was von einem Nachkriegs-Eisdielenverkäufer. Ein ordentlicher junger Dandy, den man so auch als Schwiegersohn herzeigen könnte. Das Outfit passt natürlich spitze zu dem Sound, denn der ist auch ziemlich retro. Sixties-Beat, frühe Beatles, frühe Stones, frühe Kinks, Northern Soul, Ye-Ye-Pop – alles drin. Immer ordentlich Twang auf der Gitarre, alles immer sehr treibend und tanzbar. Klar, wenn die Snare durchpeitscht, dann kriegt selbst die softeste Beatnummer einen guten Drive. Dazu englische Texte, die vielleicht nicht sehr tiefsinnig, aber recht smart sind, und mit unglaublichem Schmelz in der Stimme vorgetragen werden. Ein Schnulzensänger ist Gaspard Royant zwar nicht, aber nah dran. Die Posen und Moves der Crooner der späten 50er bis zu den frühen 60ern hat er jedenfalls gut und genau einstudiert.
Fünf Singles hat Gaspard Royant in den letzten Jahren rausgebracht, diese gibt es nochmal zusammen auf der Compilation „10 Hit Wonder“. Jede andere Band hätte sich wahrscheinlich nach zwei 7inches auf das Projekt Langspielplatte gestürzt. Aber in Hinsicht auf das Format hat der Franzose sich an den Künstlern der frühen Rock’n’Roll- und Beatgeneration gehalten. Heißt: Erst mal Singles rausballern, was das Zeug hält. Für das größere Vorhaben einer eigenständigen LP mit all ihren konzeptionellen Raffinessen scheint erst mal keine Zeit gewesen zu sein. Da die Menge aber irgendwas haben will, außer einen Song nach dem anderen kleckerweise gereicht zu bekommen musste wohl im Herbst eine Kompilation hinterher.
Schon während des zugegeben sehr unterhaltsamen Gigs bin ich ein wenig zwiegespalten. Denn einerseits ist dieses Retroding, das Royant konsequent durchzieht, schon charmant. Ein wenig moderner als aus Omas Wurlitzer klingt das schon, wenn auch nicht so, wie das die BLACK KEYS, THE WHITE STRIPES oder THE STROKES fabrizieren. Nicht so dreckig und laut wie manche Garage-Band. Denn dafür sind die Songs von Gaspard Royant einfach zu glatt. Er wirkt wie ein Star aus der Zeit, als es noch Sendeschluss und schwarz-weiß-Fernsehen gab. Smart, beweglich, sich von der Monitorbox zu den schmachtenden Mädels Publikum runterbeugend und am Ende noch auf den Tresen springend. Macht alles Laune, wirkt aber wie ein Re-Enactment goldener Showzeiten, als die Verhältnisse noch klar waren – eben wie in den goldenen 60ern. Selbst als die in der Zugabe sogar Jim Morrison zitiert wird, bleibt das alles zu lieb. Da ist nichts Gefährliches, nichts Bedrohliches, nichts Außenseiter-mäßiges, nichts was die Rock’n’Roll-Darsteller in den frühen Zeiten so faszinierend machte.
Vielleicht sind es die Brüche, die mir bei Gaspard Royant ein wenig fehlen. Entertainerfigur ja, aber warum das Ganze nicht ein bisschen überziehen, etwas karikieren oder mit etwas Ironie versehen? Aber vielleicht will heute niemand mehr gravierende Irritationen in der Darstellung so einer Figur, keine seltsamen Verweise, kein unvorhergesehenen Wahnsinn. Vielleicht gab es in den letzten 30 Jahren doch zuviele Provokateure auf den Bühnen, so dass das Publikum heute lieber was einfach authentisch Wirkendes sehen will. Ohne Verwirrung. Oder ist die Tatsache, dass da einer so authentisch seine Beat-Musik spielt, dass er auch vor 50 Jahren zu Ruhm und Geld hätte kommen können, heutzutage schon so richtig alternativ? Gaspard Royant ist auch nach dem Konzert am Plattenstand einfach ein netter Typ und signiert fleißig, was man ihm an Tonträgern und Merchandise hinhält. Profi halt. So gesehen ist Gaspard Royant ein Künstler, zu dem du gut mit deiner Mutter oder deiner Oma hingehen kannst. Die würden es auch gut finden, schließlich fanden sie die Stones und die Beatles ja auch ganz gut, als sie mal jung waren. Aber damit passt er genauso gut ins Frühstücksfernsehen von Sat.1 wie in den zu einem irgendwie alternativen Radiosender gehörenden Fluxbau.
Gary Flanell
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