Am Ende kaufe ich doch noch zwei 7inches. Die Songs habe ich schon auf Gaspard Royants-CD-Compilation, aber so ganz rational kann man das bei Plattensammlern eh nie erklären, warum sie was kaufen. Vielleicht ist es eine Mischung aus Kalkül (Die Dinger könnten ja irgendwann mal was wert sein), Genuss (die Songs waren im Set am besten) und schlicht und ergreifend Sucht. Nach neuen Platten.
Garspard Royant ist für einen Promo–Gig mit seiner Band nach Berlin in den Fluxbau gekommen. Heißt: Das Ding ist irgendwie nicht öffentlich. Dafür ist der Laden voll mit–zig Menschen der Gattung Irgendwas-mit-Medien-Typen. Gehöre ich ja auch irgendwie zu. Schließlich wurde Royants Single-Compilation im aktuellen Renfield rezensiert und in der SubCult-Radioshow auch gespielt. Trotzdem fremdele ich mit all diesen jungen und gut gekleideten Menschen um mich rum. Sehen irgendwie alle sehr glatt aus. Und ich hab mein bestes Hemd angezogen.
Die Backing- Band kommt in der guten alten Rock/Beat-Besetzung daher. Gitarre, Bass, Schlagzeug, kein Keyboard. Sehen alle drei aus, als könnten sie auch in einer angesagten Indierockkapelle spielen. Gaspard Royant hat eine leichte Ähnlichkeit mit Ken Jebsen und steckt in einem weißen Sakko, das auch Elvis schon in jungen Jahren getragen haben könnte. Auch sonst sieht er sehr geschniegelt aus. Frisch rasiert, gut gescheitelte Frisur, dazu Lackschühchen. Hat auch was von einem Nachkriegs-Eisdielenverkäufer. Ein ordentlicher junger Dandy, den man so auch als Schwiegersohn herzeigen könnte. Das Outfit passt natürlich spitze zu dem Sound, denn der ist auch ziemlich retro. Sixties-Beat, frühe Beatles, frühe Stones, frühe Kinks, Northern Soul, Ye-Ye-Pop – alles drin. Immer ordentlich Twang auf der Gitarre, alles immer sehr treibend und tanzbar. Klar, wenn die Snare durchpeitscht, dann kriegt selbst die softeste Beatnummer einen guten Drive. Dazu englische Texte, die vielleicht nicht sehr tiefsinnig, aber recht smart sind, und mit unglaublichem Schmelz in der Stimme vorgetragen werden. Ein Schnulzensänger ist Gaspard Royant zwar nicht, aber nah dran. Die Posen und Moves der Crooner der späten 50er bis zu den frühen 60ern hat er jedenfalls gut und genau einstudiert.
Fünf Singles hat Gaspard Royant in den letzten Jahren rausgebracht, diese gibt es nochmal zusammen auf der Compilation „10 Hit Wonder“. Jede andere Band hätte sich wahrscheinlich nach zwei 7inches auf das Projekt Langspielplatte gestürzt. Aber in Hinsicht auf das Format hat der Franzose sich an den Künstlern der frühen Rock’n’Roll- und Beatgeneration gehalten. Heißt: Erst mal Singles rausballern, was das Zeug hält. Für das größere Vorhaben einer eigenständigen LP mit all ihren konzeptionellen Raffinessen scheint erst mal keine Zeit gewesen zu sein. Da die Menge aber irgendwas haben will, außer einen Song nach dem anderen kleckerweise gereicht zu bekommen musste wohl im Herbst eine Kompilation hinterher.
Schon während des zugegeben sehr unterhaltsamen Gigs bin ich ein wenig zwiegespalten. Denn einerseits ist dieses Retroding, das Royant konsequent durchzieht, schon charmant. Ein wenig moderner als aus Omas Wurlitzer klingt das schon, wenn auch nicht so, wie das die BLACK KEYS, THE WHITE STRIPES oder THE STROKES fabrizieren. Nicht so dreckig und laut wie manche Garage-Band. Denn dafür sind die Songs von Gaspard Royant einfach zu glatt. Er wirkt wie ein Star aus der Zeit, als es noch Sendeschluss und schwarz-weiß-Fernsehen gab. Smart, beweglich, sich von der Monitorbox zu den schmachtenden Mädels Publikum runterbeugend und am Ende noch auf den Tresen springend. Macht alles Laune, wirkt aber wie ein Re-Enactment goldener Showzeiten, als die Verhältnisse noch klar waren – eben wie in den goldenen 60ern. Selbst als die in der Zugabe sogar Jim Morrison zitiert wird, bleibt das alles zu lieb. Da ist nichts Gefährliches, nichts Bedrohliches, nichts Außenseiter-mäßiges, nichts was die Rock’n’Roll-Darsteller in den frühen Zeiten so faszinierend machte.
Vielleicht sind es die Brüche, die mir bei Gaspard Royant ein wenig fehlen. Entertainerfigur ja, aber warum das Ganze nicht ein bisschen überziehen, etwas karikieren oder mit etwas Ironie versehen? Aber vielleicht will heute niemand mehr gravierende Irritationen in der Darstellung so einer Figur, keine seltsamen Verweise, kein unvorhergesehenen Wahnsinn. Vielleicht gab es in den letzten 30 Jahren doch zuviele Provokateure auf den Bühnen, so dass das Publikum heute lieber was einfach authentisch Wirkendes sehen will. Ohne Verwirrung. Oder ist die Tatsache, dass da einer so authentisch seine Beat-Musik spielt, dass er auch vor 50 Jahren zu Ruhm und Geld hätte kommen können, heutzutage schon so richtig alternativ? Gaspard Royant ist auch nach dem Konzert am Plattenstand einfach ein netter Typ und signiert fleißig, was man ihm an Tonträgern und Merchandise hinhält. Profi halt. So gesehen ist Gaspard Royant ein Künstler, zu dem du gut mit deiner Mutter oder deiner Oma hingehen kannst. Die würden es auch gut finden, schließlich fanden sie die Stones und die Beatles ja auch ganz gut, als sie mal jung waren. Aber damit passt er genauso gut ins Frühstücksfernsehen von Sat.1 wie in den zu einem irgendwie alternativen Radiosender gehörenden Fluxbau.
Gary Flanell
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen