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Donnerstag, 10. Juli 2025
Xmal Deutschland - ein Interview mit Anja Huwe Pt. II
Hier nun die zweite Rutsche des Interviews von Mr. Mandel mit Anja Huwe anlässlich der Veröffentlichung von „Gift: The 4AD Years“ von XMAL DEUTSCHLAND. Findige Renfield-Freunde haben sich den ersten Teil schon letzte Woche angeschaut. Für alle Spät-entdecker*innen, hier nochmal der Link.
Eric: Nochmal kurz zurück nach Hamburg. Wie habt ihr eure erste Platte aufgenommen? Was war das für eine Situation? War das so im Proberaum oder seid ihr ins Studio?
Anja: Wir saßen bei Alfred Hilsberg auf seinem Bett mit seinen drei Kanarienvögeln und haben ihm gesagt, pass mal auf, alle machen bei dir Platten, das machen wir jetzt auch mal. Und dann konnte er auch nicht anders, er musste dann Ja sagen.
Dann sind wir ins Hafenklangstudio gegangen, da wo alle hingingen und haben unsere erste Platte (Schwarze Welt, Zickzack 1981) aufgenommen. Und dann haben wir die zweite Platte (Incubus Succubus, Zickzack, 1982) auch aufgenommen, zusammen mit Frank Ziegert (Frank Z.), der hat sie dann sozusagen „produziert“. War auch im Hafenklang, da wo halt alle hingingen, alle Zickzack-Künstler, alles was da so in Hamburg sich mit Musik beschäftigte, ging eigentlich dahin.
E: War das stressig oder easy? Ihr habt ja wahrscheinlich ein paar Mal live gespielt zu dem Zeitpunkt.
A: Wenig, aber so ein bisschen. Ja, das war natürlich ungewohnt. Also wir waren ja nun noch nicht so richtig drin in der ganzen Geschichte. Wir wollten aber trotzdem eine Platte machen. Und soweit ich mich daran erinnern kann, war das kein Stress, aber es war jetzt auch nicht so einfach. Ich meine, wer war denn jemals vorher in einem Studio? Heute kann man das halt. Aber da war das ja eher ungewöhnlich.
E: Wie ging das dann los mit 4AD?
A: Mit 4AD ging es los, weil Alex Hacke von den Neubauten in meiner WG wohnte. Er war damals mit Christiane F. zusammen. Und Hacke meinte dann irgendwann (macht Hacke nach) „Ihr klingt so englisch, ihr solltet echt mal nach England jehn. Da jib’s so’n Label, weeßte, die heißen 4AD, also schickt da mal euern Scheiß hin und so.“ Und dann haben wir das auch gemacht. Ivo Watts-Russell, der das Label macht, fand es super, kam nach Hamburg und sagte dann so: „Ihr habt natürlich nicht so richtig viele Stücke, aber reicht für ein Album. Dann kommt mal schön nach London“. Da sind wir dann ins Blackwing [Studio] gegangen, was es leider nicht mehr gibt. Und da haben wir das Album (Fetisch, 4AD 1983) aufgenommen. Daraus resultierte unser erster Auftritt in London, im Venue mit den Cocteau Twins. Und dann haben wir selber noch eine Single-Show da gespielt, und so ging das eigentlich los. Dann kam das Album raus und dann knallte das.
E: Dann seid ihr in der Folge öfter in England gewesen...
A: Ja, permanent. Und dann eben Amerika und Japan und Europa. Also man hat sehr viel gespielt.
E: Wie fandet ihr das denn, in so komplett anderen Underground-Szenen, zu spielen?
A: Zum Teil haben wir schon relativ legendäre Dinger gespielt. Also in England natürlich Hacienda in Manchester, und auch große Dinger in London, Palace und Lyceum und so. In New York war es das Danceteria, und IBeam in San Francisco, also wirklich legendäre Clubs, das war schon toll. Unter den deutschen Bands war immer so eine leichte Competition, weil die Neubauten auch ähnliches machten, und Malaria auch. Da hieß es dann: Malaria, ah, die waren schon in Japan. Okay, machen wir auch. Das war schon lustig. Fast so wie Sport, ne? Wer war früher wo?
E: Gab es für dich einen Moment, dass du irgendwann gemerkt hast: Bühnen, Live-Spielen, andere Musiker treffen … genau das will ich jetzt immer machen? Musstest du dir auch mal darüber klar werden, dass das jetzt deine Zukunft ist?
A: Ich habe das einfach alles nur aus künstlerischen Gründen gemacht, weil ich das geil fand und weil ich mich da entwickeln konnte. Ich war ja auch ganz jung, ich habe mich da irgendwie so richtig freigeschaltet aus so einem doch eher konservativen Umfeld, was ja Deutschland zu der Zeit auch noch immer war. Ich hatte coole Eltern, aber dass ich jetzt mein Studium nicht angefangen hatte, das fanden die jetzt auch nicht so witzig, und dass ich jetzt so’ne Nummer mache. Aber für mich war dieses Musikmachen sehr aufregend und spannend.
Ich habe auch viele Künstler und Musiker getroffen, aber das war ja für mich keine Motivation. Ich fand das eher sehr enttäuschend, Leute zu treffen, deren Musik ich gut finde. Das waren für mich schon oft Leute, wo ich dachte, nee, das finde ich jetzt nicht schön - ich glaube, das möchte ich auch nicht mehr hören, wenn sie sich als so’ne Luftpumpen entpuppten. Das fand ich schwierig, aber ich fand das Umfeld eine ganze Zeit lang sehr interessant.
Aber bei mir ist das ganz oft so: Wenn ich verstehe, was ich da mache, verliere ich langsam das Interesse daran, denn dann hat das kein Excitement mehr, sondern dann geht es halt echt um die Wurst. Dann muss ich mich halt auch entscheiden. Und das konnten wir so eine Zeit lang gut machen und alles Mögliche entdecken, andere Länder und andere Formen des Aufnehmens und so. Eine Zeit lang war das super.
E: Habt ihr dann irgendwann gesagt, es geht nicht mehr? Oder gab es ein Ereignis oder ein Zerwürfnis am Ende?
A: Naja, wir waren fast sieben Jahre lang tagtäglich zusammen, und wir waren super gute Freunde. Irgendwann ermüdet sich das, wie in einer Beziehung. Und dann gab es natürlich Leute von außen, die da mal reingrätschen und auch mal sagen, passt mal auf Leute, ihr macht das alles super, aber es ist auch ein Job übrigens. Hier geht es auch um eine Menge Geld. Und wir sind nach zwei Alben zum Major gegangen. Da fingen natürlich auch die Schwierigkeiten an, weil natürlich auch so eine Plattenfirma dann irgendwann sagt: „Du bist die Frontperson? Überleg doch mal, ob du vielleicht eine Solokarriere machst.“ Das wollte ich aber nicht, weil ich Teil dieser Band war, und wir haben alles geteilt und es war alles ganz eng.
Und dann ging das schon so seinen Weg, so dass man natürlich auch untereinander in gewisse Schwierigkeiten kam. Und letztlich unterm Strich hatte sich alles irgendwann erschöpft. Wir hatten alles gesagt, wir waren überall. Der nächste Schritt wäre dann schon so einer gewesen, wie bei vielen Bands, da musst du irgendwann echt einen Cut machen. und sagen, okay, jetzt ist es ein Job. Und jetzt müssen wir auch gucken, dass das läuft, das Ding. Aber dazu waren wir zu kompromisslos. Wir haben das einfach nicht gemacht.
E: Was hast du danach gemacht?
A: Na, ich hab ja viel gemacht. Ich bin dann in die Techno-Szene eingetaucht. Das Heaven in London, das war so das erste, was ich mir reingezogen hatte. Das fand ich super, Acid House, und ich hab das dann auch weiter verfolgt.
Dann wurde ja der Sender Viva gegründet. Da haben Freunde von mir Konzept geschrieben für eine Techno-Sendung, Hausfrau hieß die, und da bin ich eingestiegen und habe als Producer und Editor und auch als Redakteurin gearbeitet und bin dann wieder durch die ganze Welt geflogen. Ich hab Interviews gemacht mit allen großen DJs auf diesem Planeten, die aber gar nicht wussten, dass ich von der Musik kam. Aber sie machten das gerne mit mir, weil sie merkten, die versteht das irgendwie, die stellt hier keine doofen Fragen.
Dann kriegte ich mal eine Green Card, dann war ich wieder in London, und irgendwann habe ich entschieden, dass ich einfach keine Lust mehr habe zu all dem, dieser ganzen Musikgeschichte. Ich bin dann wieder zur Kunst zurückgegangen, die ich ja immer auch gemacht habe, also Fotografie und meine ganzen Bilder und so weiter.
Und dann wollte ich einfach raus. Ich wollte mich einfach mal mit mir selber beschäftigen, und das war auch eine ganz gute Sache. Ich habe es sehr genossen, und genieße es immer noch, in meinem eigenen Umfeld zu bleiben und habe mich auch nie irgendeiner Galerie angeschlossen oder so. Ich wollte nicht mehr in Abhängigkeiten sein. Das ziehe ich auch bis heute durch, obwohl ich auch in meinem Solo-Album natürlich ein Label habe in den USA. Aber die denken auch genauso. Also wir sind da sehr frei, wie wir uns verhalten können. Das sind ja auch ganz andere Zeiten. Das ganze Geschäft ist ja eh ganz anders.
E: Wie kam es jetzt zu diesem Re-Issue? Von wem kam da die Initiative? Und hast du mit den anderen aus der Band (Foto rechts: Mick Mercer) dann darüber auch jetzt noch mal ein Treffen gehabt?
A: Ja.
E: Wahrscheinlich ging es dabei um Rechte und so...
A: Nö. Es ging einfach darum, dass ich gesagt habe, das ganze Zeug gab es alles jahrzehntelang nicht. Und das ist mein künstlerisches Erbe, ich wollte das irgendwie mal wieder haben. Die Leute schreiben mir ja ständig irgendwie, wo ist denn das? Und wieso kriege ich das nicht? Und dann habe ich mich mit 4AD in Verbindung gesetzt und habe denen gesagt, wir müssen ja jetzt mal was machen. Ich will, dass es mal wieder auf den Markt kommt.
Und dann ging es lange hin und her, bis wir drauf kamen, okay, man könnte auch so eine Box machen, wo man alles kollektiert. Die 4AD-Zeit versteht sich, die anderen Sachen liegen bei Majors, da traut sich im Moment keiner ran, aber das kommt auch alles wieder raus. Das ging über eine sehr lange Zeit, dieser Prozess. Es musste remastered werden und das Artwork musste neu gemacht werden, und so weiter. Das hat sehr lange gedauert, aber ich bin froh, dass es so ist, weil es sehr viel hinter sich hergezogen hat. Ich habe ja gleichzeitig mein Album gemacht und spiele ja jetzt auch live. Das ist eine Kaskade von Releases, damit habe ich gar nicht gerechnet, aber ich finde es auch irgendwie toll.
Vielen Dank an Anja Huwe für das Interview!
XMAL DEUTSCHLAND Album-Discografie:
Fetisch (1983)
Tocsin (1984)
Viva (1987)
Devils (1989)
„Gift: The 4AD Years“ von XMAL DEUTSCHLAND ist im Mai 2025 auf 4AD erschienen.
Donnerstag, 3. Juli 2025
Xmal Deutschland - Ein Interview mit Anja Huwe Pt. I
Soweit ich mich erinnern kann sind XMAL DEUTSCHLAND (Foto rechts: Kevin Cummins) schon immer dagewesen, aber auch permanent unter meinem Radar geblieben. Was dazu führte dass sie noch mysteriöser blieben, als die Bands, die ich gut fand (z.B. GUN CLUB oder BAD BRAINS), weil’s ja damals kein Internet gab sondern nur Spex und Gerüchte. Als das losging, dass mir die Band von Youtube zugespielt wurde, hatte ich das wohl eher britischen oder amerikanischen Initiativen zu verdanken, denn in der feuilletonistischen Festschreibung der Deutschen Punk- und New-Wave-Geschichte zählte die Band irgendwie weniger als die Neubauten oder Malaria, obwohl sie, wie wir gleich sehen werden, mit beiden zu tun und nicht wenig gemeinsam hatten.
Vielleicht lag das einfach daran, dass sie in einem für diesen Historisierungsprozess besonders einflussreichen Text - Jürgen Teipels O-Ton-Compilation „Verschwende deine Jugend“ - nicht auftauchten. Vielleicht haben Gudrun Gut, Blixa Bargeld und Alexander Hacke ihr musikalisches Erbe auch etwas ausgiebiger zur Marke aufgebaut als Xmal-Deutschland-Sängerin Anja Huwe, die sich nach dem Ende der Band erstmal in anderen Gebieten umschaute.
In den Youtube-Videos von Xmal Deutschland beeindruckte sie mich mit ihren entrückten kleinen Tänzen und dann dieser eiskalte Stimme, mit der sie über Fetische, Inccubi/Succubi und S/M sang. Als Performerin auf einer Ebene mit Danielle Dax, als Sängerin mit Siouxsie Sioux, und die Musik klang wie eine Mischung aus Banshees, Cure und Sisters. Als dann angekündigt wurde, dass 4AD die ersten beiden Alben der Band plus Singles-B-Seiten und Remixe als schmales Boxset wieder veröffentlichen würde, war klar, dass es Zeit war, eine Wissenslücke zu schließen. (Foto rechts: Jan Siephoff)
Was lief da eigentlich mit XMAL DEUTSCHLAND? Sogar der Spiegel witterte wegen der allgemeinen Resonanz einen „Hype“, aber den Quatsch kann ich mal lesen, wenn ich wieder beim Arzt bin. Privileg der Mitgliedschaft im Renflied-Schreibverein: Ich konnte einfach einen Termin vereinbaren und selber nachfragen, wie das damals lief mit XMAL DEUTSCHLAND, unter der Bedingung, dass ich alles noch mal sauber abschreibe und Gary schicke. Blöderweise war ich zum Zoom-Gespräch eine Viertelstunde spät dran, so dass Anja mir erst mal ne knallharte Hamburger Schulter zeigte. Später ging’s dann besser, aber die Zeit war knapp, drum konnten wir auch nur an den Oberflächen kratzen. Lasst’s euch eine Einladung sein, selber noch mehr über XMAL DEUTSCHLAND rauszufinden, es lohnt sich.
Eric: Hallo Anja, Ich muss zugegeben, dass ich euch zwar gut finde, aber nicht viel über euch weiß, vielleicht weil ich aus Berlin bin...
Anja: Was hat das denn damit zu tun, wir waren doch dauernd in Berlin?
E: Ja, aber ich war zu klein (als ihr euch aufgelöst habt, war ich erst 15).
A: Ach so.
E: Kannst du erzählen, wie ihr euch für die erste Bandversion und für die ersten Aufnahmen zusammengefunden habt?
A: Wir haben Freunde gehabt, die in Bands spielten. Und dann haben wir uns gedacht, dann können wir ja auch deren Instrumente benutzen. Und dann haben wir uns gedacht, dann machen wir auch mal eine Band. So wie viele andere auch.
E: Welche Freunde waren das? Und wo war so euer Schwerpunkt sozial? Also euren Kneipen?
A: Slime, Coroners, Front, Palais Schaumburg, Neubauten, Abwärts, selbstverständlich. Und Kneipen? Das Krawall 2000, das Subito, natürlich die Markthalle, da wo man sich dann halt so rumtrieb in Hamburg.
E: Aus welchen anderen Bands kamt ihr? War Ex-Maldeutschland deine erste?
A: Keiner war vorher in anderen Bands. Manuela, die Gitarristin, spielte mit Freundinnen und so, aber keiner von uns war vorher in Bands.
E: Okay. Und dynamisch, ward ihr beide so die treibende Kraft dahinter oder wer hatte die Initiative?
A: Welche Initiative wofür?
E: Für die Bandgründung. Welche Songs, welchen Style wollen wir machen? Kam das dynamisch zwischen euch oder hatte da jemand einen Plan?
A: Nö, wir sind auf Konzerte gegangen, da haben wir uns kennengelernt und wir haben Musik gehört. Wir waren Musiklover und wir fanden uns irgendwie gut. Und dann haben wir uns dazu entschlossen, eben auch das zu machen, was andere Leute gemacht haben, nämlich Punk - ohne Musik zu können und zu wissen, wie das überhaupt wirklich geht. Und die Leute, mit denen wir zu tun hatten, unser Umfeld oder auch Bands, die wir so gesehen hatten, das hat uns natürlich inspiriert. Und die Philosophie, dass jeder kann alles, war natürlich gegeben. Ob das jetzt Musik war oder Mode oder Kunst, also die jungen Wilden, das war ja alles irgendwie. Leute kamen irgendwo her und machten irre Sachen, so wie sie Bock hatten. Das war eine gewisse Anarchie und das fanden wir gut.
E: Hattet ihr von Anfang an so elektronische Sounds, den Synthesizer dabei?
A: Wir hatten Keyboards, aber das war eher zweitrangig. Wir waren schon sehr gitarrenlastig. Dass wir Keyboards hatten, sprach natürlich dagegen, überhaupt eine Punkband zu sein, aber wir waren ja immer anders als alle anderen. Das war auch Sinn der Sache.
E: War das ungewöhnlich oder doch schon normal, mit Synthesizern zu arbeiten?
A: Das war schon eher ungewöhnlich, ja. Aber es war einfach nicht so entscheidend. Es basierte ja nun nicht unbedingt auf Keyboards, was wir da gemacht haben. Gitarren und Vocals waren der Hauptfaktor. Die Keyboards fielen da eigentlich gar nicht so auf.
E: Bei deinem Gesang, an wem hast du dich orientiert? Ich würde sagen, klar, Siouxsie.
A: Völlig falsch. Siouxsie kannte ich überhaupt nicht. Ich habe halt gesungen wie sie, weil: sie konnte ja am Anfang auch nicht singen. Ich konnte es ja auch nicht anfangs, und das ist einfach ein logischer Weg gewesen. Sowohl sie hat es irgendwann gelernt, als dann eben auch ich. Ich habe wurde ja oft mit der verglichen, aber ich habe die gar nicht wahrgenommen. Singende Frauen gab’s ja damals gar nicht, und so war das für mich gar nicht relevant, sondern eher so der Wall of Sound von Musik, also was das emotional mit mir gemacht hat, das hat mich interessiert. Gesang war auch nicht so wichtig, ehrlich gesagt, und ich habe mich nicht als Sängerin gesehen. Ich war Teil einer Band, fünftes Mitglied dieser Band. So habe ich auch mich gesanglich verhalten. Ich habe mich immer dagegen gewehrt, erstens bestimmte Texte zu singen, die alle anderen auch auf deutsch gesungen haben. Und zweitens, mich mit einer bestimmten Form der Phrasierung auseinandersetzen. Ich habe einfach nur dagegen gesetzt. Das war meine Art, wie ich damit umgegangen bin.
E: Cool.
A: Naja, es blieb mir ja nichts anderes übrig.
E: In den Videos, die ich immer mal wieder gesehen habe, war ich immer wieder beeindruckt von deiner Präsenz und dener Art zu tanzen: Sehr kühl war und so fast ein bisschen selbst versunken, aber halt saucool.
A (schmunzelt): Das war natürlich der ganzen Situation geschuldet. Wie ich schon sagte, ich wollte einfach nicht so sein wie andere. Das ist meine Persönlichkeit. Ich bin jetzt auch nicht so extrovertiert. Ich kann zwar auf einer Bühne agieren und ich sehe mich auch als so eine Art Performer, aber ich sehe mich nicht als eine typische Sängerin. Ich kann das zwar heute, aber damals gab es da eine gewisse Wand zwischen uns und dem Publikum. Das hat man einfach damals auch so akzeptiert. Ich habe ja auch nicht mit denen [im Publikum] geredet. Ich hab da mein Ding gemacht und dann war es das. Ich wollte da gar keine Beziehung aufbauen, das fand ich völlig daneben. Das war einfach so, wie es war, und ich glaube nicht aus Unkenntnis, sondern einfach, weil das ein Teil der ganzen Geschichte war. Also hat man das nicht gemacht. Genauso wie die ja zum Beispiel nicht getanzt haben. Die standen ja meistens nur so da.
E: Naja, was du dabei natürlich aufbaust, ist dann eine Aura, und Unnahbarkeit ist ja vielleicht auch ne Beziehung. Dass in Hamburg nicht getanzt wurde, kann ich mir vorstellen. Ebenso Berlin. War das dann anders, als ihr nach England kamt?
A: Ja, also getanzt kann man das ja nicht nennen, das war ja Gehopse. Das haben sie schon gemacht. Aber eigentlich eher weniger. Ich glaube, die waren auch ein bisschen paralysiert durch diese Erscheinungen da auf der Bühne (lacht). Aber in England war es schon ein bisschen anders, das kann man sagen. Und je weiter man nach Norden kam, desto wilder wurde es auch. Da wurde auch nicht nur getanzt und gepogt, sondern da wurde auch gespuckt, gerotzt. Da waren die Emotionen schon sehr stark. Das führte bei uns natürlich dazu, dass wir uns im Gegenteil immer mehr zurücknahmen, weil wir uns dachten, was ist denn jetzt hier los? Das war schon sehr anders.
Den zweiten Teil des Interviews mit Anja Huwe gibt's am 10.07.2025 auf dem Renfield-Blog.
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