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Donnerstag, 3. Juli 2025

Xmal Deutschland - Ein Interview mit Anja Huwe Pt. I


Soweit ich mich erinnern kann sind XMAL DEUTSCHLAND (Foto rechts: Kevin Cummins) schon immer dagewesen, aber auch permanent unter meinem Radar geblieben. Was dazu führte dass sie noch mysteriöser blieben, als die Bands, die ich gut fand (z.B. GUN CLUB oder BAD BRAINS), weil’s ja damals kein Internet gab sondern nur Spex und Gerüchte. Als das losging, dass mir die Band von Youtube zugespielt wurde, hatte ich das wohl eher britischen oder amerikanischen Initiativen zu verdanken, denn in der feuilletonistischen Festschreibung der Deutschen Punk- und New-Wave-Geschichte zählte die Band irgendwie weniger als die Neubauten oder Malaria, obwohl sie, wie wir gleich sehen werden, mit beiden zu tun und nicht wenig gemeinsam hatten.

Vielleicht lag das einfach daran, dass sie in einem für diesen Historisierungsprozess besonders einflussreichen Text - Jürgen Teipels O-Ton-Compilation „Verschwende deine Jugend“ - nicht auftauchten. Vielleicht haben Gudrun Gut, Blixa Bargeld und Alexander Hacke ihr musikalisches Erbe auch etwas ausgiebiger zur Marke aufgebaut als Xmal-Deutschland-Sängerin Anja Huwe, die sich nach dem Ende der Band erstmal in anderen Gebieten umschaute.


In den Youtube-Videos von Xmal Deutschland beeindruckte sie mich mit ihren entrückten kleinen Tänzen und dann dieser eiskalte Stimme, mit der sie über Fetische, Inccubi/Succubi und S/M sang. Als Performerin auf einer Ebene mit Danielle Dax, als Sängerin mit Siouxsie Sioux, und die Musik klang wie eine Mischung aus Banshees, Cure und Sisters. Als dann angekündigt wurde, dass 4AD die ersten beiden Alben der Band plus Singles-B-Seiten und Remixe als schmales Boxset wieder veröffentlichen würde, war klar, dass es Zeit war, eine Wissenslücke zu schließen. (Foto rechts: Jan Siephoff)

Was lief da eigentlich mit XMAL DEUTSCHLAND? Sogar der Spiegel witterte wegen der allgemeinen Resonanz einen „Hype“, aber den Quatsch kann ich mal lesen, wenn ich wieder beim Arzt bin. Privileg der Mitgliedschaft im Renflied-Schreibverein: Ich konnte einfach einen Termin vereinbaren und selber nachfragen, wie das damals lief mit XMAL DEUTSCHLAND, unter der Bedingung, dass ich alles noch mal sauber abschreibe und Gary schicke. Blöderweise war ich zum Zoom-Gespräch eine Viertelstunde spät dran, so dass Anja mir erst mal ne knallharte Hamburger Schulter zeigte. Später ging’s dann besser, aber die Zeit war knapp, drum konnten wir auch nur an den Oberflächen kratzen. Lasst’s euch eine Einladung sein, selber noch mehr über XMAL DEUTSCHLAND rauszufinden, es lohnt sich.

Eric: Hallo Anja, Ich muss zugegeben, dass ich euch zwar gut finde, aber nicht viel über euch weiß, vielleicht weil ich aus Berlin bin...
Anja: Was hat das denn damit zu tun, wir waren doch dauernd in Berlin?

E: Ja, aber ich war zu klein (als ihr euch aufgelöst habt, war ich erst 15).
A: Ach so.

E: Kannst du erzählen, wie ihr euch für die erste Bandversion und für die ersten Aufnahmen zusammengefunden habt?
A: Wir haben Freunde gehabt, die in Bands spielten. Und dann haben wir uns gedacht, dann können wir ja auch deren Instrumente benutzen. Und dann haben wir uns gedacht, dann machen wir auch mal eine Band. So wie viele andere auch.

E: Welche Freunde waren das? Und wo war so euer Schwerpunkt sozial? Also euren Kneipen?
A: Slime, Coroners, Front, Palais Schaumburg, Neubauten, Abwärts, selbstverständlich. Und Kneipen? Das Krawall 2000, das Subito, natürlich die Markthalle, da wo man sich dann halt so rumtrieb in Hamburg.

E: Aus welchen anderen Bands kamt ihr? War Ex-Maldeutschland deine erste?
A: Keiner war vorher in anderen Bands. Manuela, die Gitarristin, spielte mit Freundinnen und so, aber keiner von uns war vorher in Bands.

E: Okay. Und dynamisch, ward ihr beide so die treibende Kraft dahinter oder wer hatte die Initiative?
A: Welche Initiative wofür?

E: Für die Bandgründung. Welche Songs, welchen Style wollen wir machen? Kam das dynamisch zwischen euch oder hatte da jemand einen Plan?
A: Nö, wir sind auf Konzerte gegangen, da haben wir uns kennengelernt und wir haben Musik gehört. Wir waren Musiklover und wir fanden uns irgendwie gut. Und dann haben wir uns dazu entschlossen, eben auch das zu machen, was andere Leute gemacht haben, nämlich Punk - ohne Musik zu können und zu wissen, wie das überhaupt wirklich geht. Und die Leute, mit denen wir zu tun hatten, unser Umfeld oder auch Bands, die wir so gesehen hatten, das hat uns natürlich inspiriert. Und die Philosophie, dass jeder kann alles, war natürlich gegeben. Ob das jetzt Musik war oder Mode oder Kunst, also die jungen Wilden, das war ja alles irgendwie. Leute kamen irgendwo her und machten irre Sachen, so wie sie Bock hatten. Das war eine gewisse Anarchie und das fanden wir gut.


E: Hattet ihr von Anfang an so elektronische Sounds, den Synthesizer dabei?
A: Wir hatten Keyboards, aber das war eher zweitrangig. Wir waren schon sehr gitarrenlastig. Dass wir Keyboards hatten, sprach natürlich dagegen, überhaupt eine Punkband zu sein, aber wir waren ja immer anders als alle anderen. Das war auch Sinn der Sache.

E: War das ungewöhnlich oder doch schon normal, mit Synthesizern zu arbeiten?
A: Das war schon eher ungewöhnlich, ja. Aber es war einfach nicht so entscheidend. Es basierte ja nun nicht unbedingt auf Keyboards, was wir da gemacht haben. Gitarren und Vocals waren der Hauptfaktor. Die Keyboards fielen da eigentlich gar nicht so auf.

E: Bei deinem Gesang, an wem hast du dich orientiert? Ich würde sagen, klar, Siouxsie.
A: Völlig falsch. Siouxsie kannte ich überhaupt nicht. Ich habe halt gesungen wie sie, weil: sie konnte ja am Anfang auch nicht singen. Ich konnte es ja auch nicht anfangs, und das ist einfach ein logischer Weg gewesen. Sowohl sie hat es irgendwann gelernt, als dann eben auch ich. Ich habe wurde ja oft mit der verglichen, aber ich habe die gar nicht wahrgenommen. Singende Frauen gab’s ja damals gar nicht, und so war das für mich gar nicht relevant, sondern eher so der Wall of Sound von Musik, also was das emotional mit mir gemacht hat, das hat mich interessiert. Gesang war auch nicht so wichtig, ehrlich gesagt, und ich habe mich nicht als Sängerin gesehen. Ich war Teil einer Band, fünftes Mitglied dieser Band. So habe ich auch mich gesanglich verhalten. Ich habe mich immer dagegen gewehrt, erstens bestimmte Texte zu singen, die alle anderen auch auf deutsch gesungen haben. Und zweitens, mich mit einer bestimmten Form der Phrasierung auseinandersetzen. Ich habe einfach nur dagegen gesetzt. Das war meine Art, wie ich damit umgegangen bin.

E: Cool.
A: Naja, es blieb mir ja nichts anderes übrig.


E: In den Videos, die ich immer mal wieder gesehen habe, war ich immer wieder beeindruckt von deiner Präsenz und dener Art zu tanzen: Sehr kühl war und so fast ein bisschen selbst versunken, aber halt saucool.
A (schmunzelt): Das war natürlich der ganzen Situation geschuldet. Wie ich schon sagte, ich wollte einfach nicht so sein wie andere. Das ist meine Persönlichkeit. Ich bin jetzt auch nicht so extrovertiert. Ich kann zwar auf einer Bühne agieren und ich sehe mich auch als so eine Art Performer, aber ich sehe mich nicht als eine typische Sängerin. Ich kann das zwar heute, aber damals gab es da eine gewisse Wand zwischen uns und dem Publikum. Das hat man einfach damals auch so akzeptiert. Ich habe ja auch nicht mit denen [im Publikum] geredet. Ich hab da mein Ding gemacht und dann war es das. Ich wollte da gar keine Beziehung aufbauen, das fand ich völlig daneben. Das war einfach so, wie es war, und ich glaube nicht aus Unkenntnis, sondern einfach, weil das ein Teil der ganzen Geschichte war. Also hat man das nicht gemacht. Genauso wie die ja zum Beispiel nicht getanzt haben. Die standen ja meistens nur so da.

E: Naja, was du dabei natürlich aufbaust, ist dann eine Aura, und Unnahbarkeit ist ja vielleicht auch ne Beziehung. Dass in Hamburg nicht getanzt wurde, kann ich mir vorstellen. Ebenso Berlin. War das dann anders, als ihr nach England kamt?
A: Ja, also getanzt kann man das ja nicht nennen, das war ja Gehopse. Das haben sie schon gemacht. Aber eigentlich eher weniger. Ich glaube, die waren auch ein bisschen paralysiert durch diese Erscheinungen da auf der Bühne (lacht). Aber in England war es schon ein bisschen anders, das kann man sagen. Und je weiter man nach Norden kam, desto wilder wurde es auch. Da wurde auch nicht nur getanzt und gepogt, sondern da wurde auch gespuckt, gerotzt. Da waren die Emotionen schon sehr stark. Das führte bei uns natürlich dazu, dass wir uns im Gegenteil immer mehr zurücknahmen, weil wir uns dachten, was ist denn jetzt hier los? Das war schon sehr anders.

Den zweiten Teil des Interviews mit Anja Huwe gibt's am 10.07.2025 auf dem Renfield-Blog.