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Donnerstag, 22. Mai 2025
Schön, wenn du es mir gibst, baby
LA RATA - GIVE IT TO ME
Eine Graphic Novel, ein Schnelldurchlauf durch die Musikgeschichte der Frauen. Jede Doppelseite eine Kurzbiografie einer Legende. Was sie alle verbindet: der Struggle.
Begonnen im frühen 20. Jahrhundert in New Orleans, im Rotlichtviertel von Storyville, mit den ersten Schwarzen Musikerinnen, die sich gegen die generelle Unterdrückung ihrer Ethnie und zusätzlich dem alles überwachenden Patriarchat durchsetzen mussten.
Blues-Legenden wie Ma Rainey und Big Mama Thornton zeigen, wie sie ihr ganzes Wesen und Leben in die Musik gesteckt haben, sie setzten Meilensteine für die Befreiung der Frauen – und ernteten von der Öffentlichkeit und den Medien nur Häme und Niedermachung. Das Geld der zahlreich verkauften Platten ging an irgendwelche Produzenten und ihre Labels.
Gladys Bentley, die schon in den 30ern als Butch-Lesbe auftrat – mit Zylinder, Frack und Gehstock – musste sich später doch wieder der Unterdrückung beugen und sogar Östrogen einnehmen, um ein „normales“ Leben als Hausfrau am Herd für einen Ehemann zu führen.
Billie Holiday wurde durch ihren Erfolg zum Opfer ihrer eigenen Exzesse – und wegen Drogenbesitzes zwangsweise in eine Psychiatrie eingewiesen. Aus der fortlaufenden Unterdrückung konnte sie sich nie erholen.
Neben ihr teilen auch Nina Simone, Whitney Houston, Amy Winehouse und Britney Spears diese Geschichte. Heute sind diese Frauen Bilder der Unterdrückung durchs Patriarchat – ihre Leben waren kurz und schmerzhaft. Und auch das ist eines der Merkmale, dass alle Biografien bis mindestens zu den Nullerjahren gemeinsam haben: Sie lebten schnelle und schmerzhafte Leben, geprägt von Ausbeutung und Verleugnung. Auch sexueller Missbrauch kommt in so vielen dieser Biografien vor.
Aber trotzdem kommt immer wieder eine neue Frau auf die Bühne, die der Welt einen noch größeren Mittelfinger zeigt – und noch mehr ihre vermeintlich schwache Weiblichkeit durch sexuelle Handlungen auf der Bühne preisgibt. Und sie schämt sich nicht! Sie präsentiert sich lustvoll den schockierten Augen und beherrscht in ihrer ganzen sexuellen Kraft die Bühne. Kein Mann kann ihr während der Show das Standbein absägen!
Als Ende der 70er der Punk dazukommt, vermischt sich die sexuelle Energie mit einer guten Portion roher Gewalt und Anarchismus. Eine Kombination, die am Patriarchat rüttelt – und mich als Leserin begeistert.
Durch La Ratas Give it to me habe ich einen ganz neuen Respekt gewonnen – nicht nur für die Werke der unbezwingbaren Rebellinnen, sondern auch dafür, dass ihr ganzes Leben Teil des Werkes ist. Es motiviert geradezu, all die Bürokratie und den Alltag, durch den wir uns herumöden, hinzuschmeißen – und eben doch einfach nur Kunst zu machen und die Welt, so wie sie uns gefällt …
Nichts mit: Krieg deinen Scheiß auf die Reihe … Nee!
Lass mich meinen Scheiß rausschreien – auch wenn ich nie einen einzigen Ton treffe und die Stimme am Schluss versagt.
Welchen Regeln sollen wir denn noch befolgen oder vertrauen, wenn sie immer nur der Unterdrückung gedient haben?
Die Frage nach dem Werk oder dem Künstler stellt sich hier irgendwie neu … Das Werk an sich ist großartig – aber die Künstlerin dahinter hat gekämpft! Und darum ist das Werk so stark geworden.
Das Buch trägt uns durch die Geschichte bis heute und schafft einen wundervollen Überblick über die Fortschritte, die der Feminismus bzw. die Vorkämpferinnen bereits erzielen konnten. Auf den letzten Seiten sehen wir einen Zeitstrahl über die wichtigsten Internet-Ereignisse von 2014 bis 2019 zum Hashtag #FreeBritney. Es ist ein riesiger Unterschied im Vergleich zu den anfänglichen Seiten – aber dennoch besteht der Struggle eben noch weiter.
Give it to me ist eine Graphic Novel, die es catchy auf den Punkt bringt und uns dazu ermutigt, jeder Art von Diskriminierung immer und immer wieder zu widersprechen – für die Freiheit aller Einzelnen und Andersartigen, sowie jeder Kultur, Religion, Geschlecht oder Hautfarbe.
Vicci Aurora
Give it to me von La Rata ist im Laurence King Verlag erschienen.
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