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Donnerstag, 24. April 2025

Schön, wenn die Trauergäste Musik machen Pt. I+I+I


DOC WENZ & THE MELANCHOLICS - The EPs Vol. I-III

Schon die frühere Band von Joachim "Doc" Wenz, die MARDI GRAS BB, war jetzt nicht unbedingt das, was am Rosenmontag im Rheinland spielen würde. Was ich sagen will: Wenn Doc Wenz jetzt eine neue Band hat, die eine leicht bedrückte Stimmung transportiert, dann überrascht das nicht gerade. Mit so einer Grundeinstellung kann ich mich sehr gut anfreunden, und die übrigen Mitglieder der Depressive Underground Brigade sicher auch.

Schon das Cover begeistert: Da sind sie also, der Doc und die Melancholics. Stehen da so rum, traurig bis verstört schauend, irgendwie an Slade auf dem Cover ihres 72er-Album Slayed erinnernd, nur ohne Gestik, voll bekleidet und insgesamt eher passiv-abwartend und runtergedimmter laune. Vier traurig dreinschauende ältere Herren, von denen ich mir gut vorstellen könnte, dass sie entweder öfter mal kollektiv als Begräbniskapelle oder als einzelne Besucher einer sozialbestattung gebucht werden. Das äußere Paket stimmt also schon mal und auch musikalisch geht's hier sehr, nunja, melancholisch zu.

Die gedrückte Stimmng zieht sich duchs komplette Album, das ja eher eine Compilation der von bisherigen EPs ist. Finde diese Tatsache, dass das alles schon mal irgendwie veröffentlicht wurde, ja eher nicht so relevant. Aber eine gute Wahl, das Material mal so kompakt auf eine LP zu packen. Denn EPs, so schön das Format sein mag, sind doch ganz schön unübersichtlich und eher was für die sehr aufmerksamen Sammler. Dann lieber alles auf einer LP, die rauf und runter gespielt wird.


11 Songs gibt es (dies eigentlich eine sehr karnevaleske Anzahl an Titeln) und 11 mal wird alles aufgefahren, was den Menschen am Abspielgerät einen tiefen Seufzer aus dem Herzerl holen kann. Da ist die einsame pedal steel guitar (war sofort verliebt), die brüchig heisere Stimme vom Doc und die wirklich gut dazu passende Backing band. Sobald eine pedal steel im Spiel ist, fällt die Einordnung oft leicht. Irgendwas mit Country. Oder Western. Im Fall vom Doc und den Melanchoikern fällt oft der Begriff Americana, und auch der passt, ich halte ihn aber für recht unscharf. Was ist denn Americana? All das Countryzeug, das nicht hemdsärmelig-raubauzig oder US-patriotisch rüberkommt, sondern eher etwas verschrobener und nicht gerade mainstream-tauglich? Wenn das ungefähr die Genrebeschreibung ist, dann passen Doc Wenz & The Melancholics hervorragend in diese Schublade, in der sich die leiseren, gebrocheneren Outsider tummeln.

Aber: Country allein trifft musikalisch nicht komplett, was die Band so spielt. Denn auf diesen Songs kommen andere Dinge mit rein. Sogenannter Blue-Eyed Soul (very charming) oder gar reggae-artiges, denn manchmal tupft der Bass auch eher dub-artig durch die Songs - was zu der eher dunklen Grundstimmung sehr gut passt. Songtitel wie "So lonely I could die" (Hank-Williams-Alarm!), "In Times of trouble" oder "Last Hooray" vermitteln schon eine leicht unheilvolle Atmosphöre und zeigen, wohin die Reise stimmungsmäßig geht. Und das sind nur drei Titel. Was auch sehr schön kommt: Die Coverversion des Bubblegum_Smashers "Sugar Sugar". Im Original von den Archies, wird der Song vom Doc mit einer konzentrierten Tinktur schwarzer Galle überzogen. Es passt trotzdem wunderbar, quelle surprise. So latent muss ich, auch wenn es musikalisch nicht ganz passt, an Bonnie Prince Billy oder an David Bermans PURPLE MOUNTAINS denken. Rein von der Atmo geht das hier auch schon in Richtung "All my happiness is gone". und das ist ein großartiger Song auf einer großartgen Platte von einer großartigen Band.

Was hier auch noch passt, außer der beerdigungstauglichen Oberbekleidung der Bandmitglieder auf dem Cover, ist der Sound. Das ist alles sehr hübsch abgemischt, klingt schön warm und nie schrill oder überladen, sondern wohltuend minimalistisch runtergedimmt. Wie die Mimiken auf dem Cover. Wie man selber halt stimmungsmäßig ist, wenn die Melancholie an die Tür im Oberstübchen klopft und für einige Zeit Einlass begehrt.

Wäre das Leben eine 1-Zimmer-Wohnung, dann wäre dieses Album das Rollo am einzigen Fenster. Die Jalousie, dies immer runtergezogen wäre, damit nicht zuviel Licht hineinschiene. Dafür wäre alles drinnen immer angenehm kühl und ruhig. Und das beste: Der Staub des nachdenklichen Gemüts könnte nicht im Sonnenlicht tanzen, denn dafür wäre es zu dunkel. Schönes Ding, Doc. Grüße an die Band.

Gary Flanell

"The EPs Vol. I - III" von Doc Wenz & The Melancholics ist als LP auf OFF LABEL RECORDS erschienen.

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