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Sonntag, 20. August 2023

Schön, wenn Menschen Musik machen, Nostalgie-Edition Teil 2

Also. Nostalgie.
Auch wenn ich ihr eigentlich eher ablehnend gegenüber stehe, gab es doch neulich einen Moment, in dem ich anhand einer neuen Platte wirklich nostalgich wurde.
Auf Wegen, die ich nicht mehr so richtig nachvollziehen kann, bin ich auf VANILLA BLUE und derene zweite LP "Sweetheart" gestoßen. Eine Band aus Frankreich, genauer gesagt aus St. Etienne. Es kommt selten vor, dass ich über Bandcamp Platten kaufe, hier war es der Fall.
Denn VANILLA BLUE habe mich an den glücklichen Moment erinnert, an dem ich eine sehr rockige Art von Punk gehört habe. Bands wie MEGA CITY FOUR, NOZEMS, DEAD MOON, DOUGHBOYS, NOMADS. Waren und sind irgendwie geil. Keine Idee, dass man das oft als Garage-Punk bezeichnen konnte, es war einfach eine schöne relaxte Art von Punk, die nicht unter ein Label oder in eine Szene gepackt werden konnten. Eher Jeansjacke als Leerkutte passt da als Outfit. Und sicher gab es dafür schon große Vorbilder aus den USA oder Australien, wie THE SAINTS, CELIBATE RIFLES und ähnliches, aber die waren eben für mich in den 90ern nicht so greifbar.

Jedenfalls: Ich höre VANILLA BLUE zum erstenmal, dann zu zweiten Mal, zum dritten Mal. Und auf Bandcamp ein komplettes Album dreimal hintereinander hören, ist für mich schon ein Zeichen großer Liebe. Damit hatten sie mich soweit, dass ich mir über ihr Label NINETEENSOMETHING das orangene Vinyl bestellen musste. Großartige und abwechslungsreiche Songs sind das. Manchmal schleichen sich sogar Bläser ein, und quelle surprise - bei "Panic" hat sich JERRY A. von POISON IDEA als Gastsänger dazugestellt. Interessante Kombi, denn Poison Idea hätte ich als Verbindung zu dem Sound von VANILLA BLUE so gar nicht gesehen.



Die wahren Connaisseur*innen wissen natürlich, auch, dass "Vanilla Blue" der Titel eines Songs von NAKED RAYGUN ist. Die wiederum kenne ich nur sehr flüchtig, obwohl es mich musikalisch sicher ansprechen würde, habe ich mich mit denen noch nie näher beschäftigt. Aber Musikinteresse folgt nicht immer den logischen Wegen.



Darüberhinaus musste ich beim Hören als Vergleich nicht nur an MEGA CITY FOUR & Co. denken, sondern auch an einen eher obskuren Sampler, der hier immer noch im Regal steht, und für mich, ganz subjektiv, immer noch eine ganz großartige Compilation eben jener Bands war, die sich im Feld zwischen Punk und Garage tummelten.

"The Violence Inherent In The System" erschien 1991 in Frankreich, die meisten Bands kamen auch von dort, aber ein paar Combos auch aus Finnland, der Schweiz oder Schweden - wo es recht große Garage-Punk-Szenen gab. Mit NOISE ANNOYS war sogar eine Hamburger Band dabei, wobei ich finde, dass die im gesamten Setting soundmäßig eher rausstechen. Ich mag diesen Sampler immer noch, es ist für mich eine fast perfekte Zusammenstellung von gutem Garage/Punkrock. Songs wie "Surfin' in the bars" von den Nomads oder "Sex my soul on fire" von den BACKSLIDERS kennt wohl fast kein Mensch mehr, es sind aber immer noch Perlen.

Genauso wie "All around" von den SCUBA DRIVERS. Hübsch-melancholische Pop-Punk-Nummer, von einer Band, die wieviele andere Bands, damals nicht über ein Mini-Album und eine 7inch heausgekommen ist. Diese Mini-LP steht hier schon seit fast 30 Jahren im Regal, es gibt Momente, da lege ich sie immer noch gerne auf. "All Around" ist auch auf dem einen oder anderen Mix-Tape für Frauen, in die ich hemmungslos verschossen war, gelandet. Mehr Emotion zeigen, war mir damals leider nicht möglich. Dieser Song ist also schon sehr wichtig für meine kleine Nostalgie-Perspektive auf die Musik der 90er-Jahre.



Das führt mich wieder zu VANILLA BLUE und NINETEENSOMETHING"-Records. Denn beim Rumklicken auf deren Homepage stoße ich im Merch-Bereich nicht nur auf eine CD-Compilation eben jener SCUBA DRIVERS, sondern auch auf ein T-Shirt der Band. Dass es diesen usammenhang zwischen lang vergangenen und ganz aktuellen Bands gibt, die einen solchen Sound gespielt haben, freut mich natürlich wie Bolle. Ich mache mir aber nichts vor: Das ist schon ziemliches Schubladenwissen und nicht von großer popkultureller Relevanz. Aber egal - Relevanz Firlefanz. Für einen Moment ist das Leben beim Hören dieses Songs und all dem anderen Kram, der sich auf der NINETEENSOMETHING-Seite findet, so leicht wie damals zwischen 19 und 22, als ein gutes Mix-Tpe oder eine gute CD reichte, um den Sommer gut zu machen. Und das ist meine kleine Quelle von Nostalgie, aus der ich mir ab und zu einen Schluck gönne. Aber nur manchmal.

Gary Flanell

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