„Man muss ja nicht jeden Quatsch mitmachen, nur weil es biologisch möglich ist!“
War das entspannend, dieses Buch zu lesen. Wie der erste Cuba Libre einer langen Nacht oder ein Nachmittag Seriengucken mit meiner Lieblingsfreundin. Oder mit meinem Kind zusammen ganz laut singen. Das sind alles Tätigkeiten, die dazu beitragen, dass ich mich wieder fähig fühle, mit allem klarzukommen, was mir das Leben so an den Kopf werfen mag. Genauso geht es mir nach der Lektüre des neuen Buchs von Sarah Diehl. Es trägt den schönen Titel „Die Uhr, die nicht tickt“. Die biologische nämlich.
Übrigens hat die Renfield-Crew dieses Buch schon von verschiedenen Seiten her angepackt, und so wird Sarah am Donnerstag, dem 13.November um 20.30 Uhr in der SubCult-Radioshow auf Pi-Radio 88,4 ein Gespräch mit Renfield's very own Niki Matita führen.
Das werde ich mir auf jeden Fall anhören. Obwohl diese biopolitische „Streitschrift“ für das kinderlose Glück mir eigentlich gar nicht viel Neues erzählt hat. Die Erfindung der Kleinfamilie, des Mutterbildes und noch anderer Vorstellungen, die viele für selbstverständlich halten: das ist bekannt, wenn man sich je damit beschäftigt hat, das wird alles kurz, klug und nachvollziehbar dargestellt und gezeigt, wie Frauen gezielt politisch und sozial manipuliert werden, um sich schuldig zu fühlen, wenn sie nicht die ihnen zugedachte Rolle übernehmen. Irgendwann wiederholt es sich dann auch ein bisschen.
Inhaltlich ist Sarahs Punkt, dass das Ticken der biologischen Uhr in erster Linie eine gesellschaftliche Forderung ist und dass es ganz einfach eine Menge Leute gibt, die solches nicht verspüren. Die einfach keinen Kinderwunsch haben und keine Lust, sich einreden zu lassen, dass sie das doch sicher noch bereuen würden.
Aber eigentlich geht es um etwas anderes bei diesem Buch: Um Solidarität. Deswegen habe ich jetzt nach dem Lesen so gute Laune, und das, obwohl ich schon reichlich Kinder habe und die Unterstützung dabei, mich vielleicht dagegen entscheiden zu wollen, etwas spät kommt.
Indem sie die verschiedenen Frauen erzählen lässt, führt Sarah vor, wie stark die Schuldzuweisung und Ausgrenzung der freiwillig kinderlosen Frau in unserer Gesellschaft tatsächlich ist. Sie wollte ursprünglich auch kinderlose Männer befragen, stellte dabei aber fest, dass diese deutlich weniger von besagter Schuldzuweisung und Ausgrenzung betroffen sind und daher oft gar nicht wussten, was sie zu ihren Fragen sagen sollten, außer, dass sie eben keine Kinder wollen – wo war noch mal das Problem?
Gerade damit macht sie deutlich, wie dringend wir alternative gesellschaftliche Formen brauchen, die nicht nur die freiwillig Kinderlosen, sondern auch die mehrfach ge- und oft überforderten Mamas von dem gesellschaftlichen Druck befreien könnten, dem sie gleichermaßen ausgesetzt sind. Und der sich als schlechtes Gewissen von innen und als Klischeevorstellungen und blöde Fragen von außen manifestiert und uns unnötig das Leben erschwert.
Das eigentliche Thema dieses Buches ist die Solidarität, die wir brauchen, um uns eine lebenswerte Gesellschaft aufzubauen, in der es um ein glückliches und erfülltes Leben geht. Und davon werden auch die Kinder nur profitieren, egal, wer sie geboren hat und wer sie erzieht, liebt und für sie sorgt. Darauf den zweiten Cuba Libre einer langen Nacht. Und morgen dann singen auf dem Spielplatz.
Viola Nova
Sarah Diehl: Die Uhr, die nicht tickt
Arche Literatur Verlag
Hardcover
256 Seiten
ISBN 978-3-7160-2720-2
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