Sonntagnachmittag, halb vier. Der erste Kaffee kämpft gegen den letzten Cuba Libre von heute Nacht und scheint zu gewinnen. Draußen trölen die Herbststürme und haben ein bisschen jahreszeituntypische Musik ins Haus geweht, zufälligerweise zweimal was, das grob in Richtung Ska geht und gleichzeitig zweimal was von Destiny, die ja gar nicht weit von hier ihr Hauptquartier haben.
The Beatdown – Walkin’ proud
Garage Ska – gibt’s das? Und falls ja, was darf man sich darunter vorstellen? Vielleicht sowas, wie es diese Kanadier in zwei Tagen aufgenommen haben: Ska mit einem wirklich rauen Sound, wie man ihn irgendwann im Jahr 1964 oder so mit den neuesten Bandgeräten der Zeit nicht besser hinbekommen hätte. Die Snare knallt wie eine Peitsche, der Bass blubbert und die Gitarren sind so wunderbar schrill wie bei Sonics unterm Sofa. Aber dass das alles so schön "nicht schön" klingt und einen gewissen Rausch-Charme hat, ist bestimmt beabsichtigt, jede Wette. Bevor ich jetzt mit mir selber eine unsinnige und zeitraubende Diskussion anfange, wie vintage man denn sein und seine Retrospielchen treiben darf, will ich noch feststellen, dass ja nicht nur der Sound hier die Musik macht, denn auch Songs schreiben können The Beatdown. Natürlich klingt hier der old school Ska der 60er-Jahre durch, aber so ganz sind 50 Jahre Musikgeschichte dann doch nicht an ihnen vorbeigegangen. Man flirtet mit Surf und Rocksteady und das Songwriting an sich ist auch gar nicht so übel. Mein Favorit ist das etwas melancholisch rüberkommende „On the other side“ mit dieser wunderbaren Surfgitarre mittendrin – hat schon fast was von den Mad Caddies, Slackers oder Aggrolites in Lo-Fi. Also: Schön knarzig, das Ganze und doch nicht zu angestrengt auf dem Retrotrip unterwegs. Find ich gut. (G) (Destiny, www.myspace.com/jointhebeatdown)
The Offenders – Lucky enough to live
Weiter im Text. Muss ja zugeben, dass das ganze Red-Skin-Ding nie so meins war. Ist wie bei Rehen auf der Wiese: Von weitem beobachtet ist alles schoen und ich finde gut, dass es sie gibt, aber näher rangekommen bin ich nie so recht. Dabei ist die Musik ja oft nie so übel. Die Offenders aus Italien sind in diesem Revier schon länger eine Größe, was man ja auch immer ganz gut an dem Trojan-Logo erkennen kann (wenn man es denn kennt - da wäre vielleicht mal eine kleine Lehrstunde in Ikonographie fällig) und so richtig üble Platten haben sie bisher nicht abgeliefert, die meisten waren sogar abwechslungsreicher als ich es von irgendwelchen Skincombos erwartet hätte. So verhält es sich auch bei der Platte mit der lebensfrohen Musik und dem dazu total im Gegensatz stehenden Cover. Was ich den Herren hoch anrechne ist ihre Offenheit gegenüber anderen Stilen. Über 13 Songs sich in ein gleichförmiges Ska-Geschunkel reinzusegeln ist nicht ihr Ding, deswegen ist es umso erfreulicher, dass viele der Songs auch ganz wunderbare Pop-, Beat- und eben auch Punkeinflüsse drin haben. So fühl ich mich teilweise an The Jam, aber manchmal auch an The Clash oder gar die Blues Brothers erinnert. Jetzt sollte noch ein findiger Booker die Offenders mit Bobby Sixkiller auf Tour schicken, dann wär alles töfte. (H) (Destiny, http://theoffenders.eu)
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