Moloko Plus No. 43, September 2011
Ja, Schande ueber mein Haupt, mistkuebelweise. Dafuer, dass das MP jetzt fast schon ein Jahr durch meine Wohnung geistert und ich es nicht hinbekommen habe, ein paar Zeilen dazu zu schreiben. Andererseits hat es dabei auch den guten Drei-Zimmer-Weg genommen, den alle guten Zines in dieser Wohnung nehmen, wenn sie ausfuehrlich und intensiv gelesen werden. Der Drei-Zimmer-Weg geht so: Erst fuer geraume Zeit in mein Schlafgemach, wo es als Bettlektuere dient. Dann nach ein paar Wochen nehme ich es wie zufaellig mit ins Bad, als Toilettenlektuere, wo es dann abermals einige Zeit verbringt. Als letzte Station wird es dann – wahrscheinlich nach einer guten Morgentoilette – mit in die Kueche genommen, und zwar weil ich einen Artikel – vielleicht die traurige, aber doch packende Story ueber den Essener Fussballer und Bankraeuber Willi Kraus (So eine tragische Ruhrpottlegende. Macht ihr dann bitte in 20 Jahren auch eine Story ueber Breno von Bayern?) oder die Interviews mit HARDTIMES-Saenger Philippe Wagner, den RADIO DEAD ONES, YOUTH BRIGADE, Pierpaolo vom italienischen Punkrock-Goldgraeber-Label Rave Up Records oder das huebsche Feature ueber Upton Sinclairs Buch „Der Dschungel“ - nochmal genauer lesen will. Es gibt also genug in diesem Heft zu entdecken, von Kolumnen und Rezis will ich gar nicht reden, und alles tief im Streetpunk/Working-Class-Milieu verwurzelt. Aber schon cool, dass die Molokomacher, ausgehend von ihrer Vorliebe fuer Streetpunk, obskuren Punkrock und Fussball, immer noch neue Ideen aus ihren – wahrscheinlich adaequat rasierten Koepfen – graben. (Moloko Plus, Feldstr. 10, 46286 Dorsten, http://www.moloko-plus.de)
Demokhratia/ Mondo Gecko – Split LP
Waere ich nicht vor ein paar Wochen ueberredet worden, mal wieder auf ein Konzert in die Koepi zu latschen, dann waere wohl auch diese wunderbare Platte an mir vorbeigegangen. Denn dort haben Demokhratia gespielt und moeglicherweise war es das erste Mal, dass somit eine Hardcoreband aus Algerien in der Koepi auf der Buehne stand. Im Renfield gibt es seit je her ein Faible fuer, na, sagen wir mal obskure Bands, die aber allemal unterstuetzenswert sind, von daher hat diese Split schon fast allein ein paar Bonuspunkte sicher. Noch interessanter ist allerdings die Tatsache, dass MONDO GECKO, die Band auf der B-Seite aus Israel kommt. Vielleicht ist sowas erst durch den arabischen Fruehling moeglich geworden, aber dass mal eine israelische Band zusammen mit einer arabischen kooperiert, ist schon an sich grossartig. Abgesehen von diesen formalen Wunderwerk gibt’s natuerlich auch Musik. DEMOKHRATIA spielen die Art von Hardcore-Punk, wie man ihn nun mal in besetzten Haeusern gern hoert, schnell, vielleicht nicht extrem abwechslungsreich, aber huebsch wuetend. Fuer MONDO GECKO ist das lang nicht die erste Platte, deshalb gehen sie etwas ausgefuchster, aber nicht weniger verrueckt vor. Ist mordsschnell, manchmal fast schon fast chaotisch und mit soviel Ideen ausgestattet, dass andere Bands daraus gut 2 Platten machen koennten. (G) (u.a. von Darbouka Rec., Kawaii Rec, Fraction Production u.a.)
Punkappella – NewYork ultra underground Star
Grosse Vermutung: Moeglicherweise hat Punk manchmal doch noch mehr mit Experiment und Kunst zu tun, als mit dem Klischee von lauten Gitarren und halbwegs wilden Modeaccesoires. Zu dieser Vermutung komme ich an diesem verregneten Samstagnachmittag durch die Single von Punkappella. Was das genau fuer ein Projekt ist, kann ich nicht genau sagen, es scheint jedoch eine Art von Kooperation zwischen slowenischen und amerikanischen Undergroundkuenstlern zu sein. Die Slowenen kommen aus dem Umfeld der Uralt-Punkband CZD, aufgenommen wurde das ganze bereits 1995. Nueja sagt der Kaffeetrinker, es ist schon geil, was alles so auf Vinyl gepresst wird. Denn was der Bandname verspricht, haelt die Musik, die naemlich ausschliesslich a cappella intoniert wird. Stell dir vor, die minimalistischen Lyrics der Ramones wuerden als Gedicht in vertont. Da kann mann doch als Beispiel mal den kompletten Text von „Angry“ zitieren: „You are angry. So angry. Why are you so angry?“ Peng, das war's. Als Text fuer eine Punkband ebenso kompatibel wie fuer ein gutes Dada-Kunstprojekt mit aehnlicher Denke. Fuer die kurze Verwirrung am Abend schon geil, allerdings fuer viele bestimmt auch schlicht Kunstkacke. (L) (Front Rock Records)
Equal Minds Theory – same
Der Anfang ist schon mal grossartig, weil er wie eine moderne Interpretation von Black Sabbath' Intro des gleichnamigen Songs klingt. Danach gibt’s das volle Brett, naemliches aus Hardcore, schnellem Metal und einigen interessanten Elektroeffekten und gewitzt schraegen Breaks zusammengezimmert wurde. Also darf man das ruhig wohl Metalcore nennen, der artworkmaessig zum Glueck ohne Totenkopfschnickschnack auskommt und jedem Fuze-Leser mit CONVERGE oder DILLINGER ESCAPE PLAN-Shirt ans Herz legen. Fuer mich zarte Seele ist das nur in ausgewaehlten Stunden des Zwielichts was, dann allerdings so richtig. Und wie schon Franz Beckenbauer sagt: Spielen koennen's, die Jungs. In diesem Fall uebrigens russische Jungs aus Moskau, die aber auch ohne den sogenannten Exotenbonus ueberzeugen. (J) (http://equalmindstheory.bandcamp.com)
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