Angora Club - Hasenangst
Was ziehen wir heute an, was ziehen wir heute an, wo gehen wir heute hin?
Dicken Parka raus und ab nach Norddeutschland. Erst ins Flache, dann ins Tief. Langsam vortasten.
Dorthin, wo die Jungs-Punkbands so klingen, als könnte man an einem verregneten Sonntagnachmittag in der Einfamilienhaus-Siedlung nichts anderes tun, als in der Tempo-30-Zone rumzustehen oder Unterschlupf in dem Holzhäuschen auf dem neu gestalteten Spielplatz (für den du natürlich seit mindestens 10 Jahren zu alt bist) zu suchen.
Während am Himmel bleistiftgraue Wolken den ersten geilen Gig beim mehrmonatigen Rock-against-Sun-Festival abliefern. Dazu Tropfen deine LEATHERFACE-Kapu, deine Vans, deine olle Jeans und deine vegane Baseballjacke durchnässen.
Du stehst aber weiter rum, siehst das Wasser auf deine Finger-Tattoos platschen und rauchst. Denn bald ist Probe.
Du und deine drei Buddies. Habt früher schon eine Punk-Band gehabt. Hieß wie eine Hass-Figur von den Simpsons, passt ja zu einer Punkband. Jetzt habt ihr eine neue. Wo der Unterschied ist, keine Ahnung, erzähl du es mir. Der Name klingt ganz süß. Und das Cover ist es auch, herrje. Kaninchen, keine Hasen. Die werden oft verwechselt, keiner weiß warum. Kaninchen sind süßer, auch die auf dem Cover eurer Platte. Kulleraugen und Kindchenschema - so süüüß! Aber drinnen, da ist es dann so deprimierend wie eben das nie endende Schlechtwetter in der flachen Trostlosigkeit, die ihr so gut kennt. Und das ist ein bißchen der hübsche Gegensatz zu eurer Musik. Was auch die Faszination ausmacht. Süß und manchmal bitter. So ist wohl alles und immer.
Wetten, ihr mal Turbostaat gehört, und auch mal Pascow? Nicht nur eine Platte, sondern einige, was? Deswegen um so schöner, dass ihr auf diesem Label gelandet seid. Mal ehrlich, wo sonst könntet ihr hinpassen? Ich weiß es nicht. Soundmäßig genau das, was man dort erwartet. Und nein, ihr seid nicht einfach so langweilige Klone, wirklich, ihr macht das schon gut. All die Melancholie und die Tristesse, ich kenne das und mag es. Diese kurzen treffenden Texte, manchmal alle so nah dran an der Depression. Das wirkt. Doch, schon gut das alles. Nicht die Revolution, aber ein guter musikalischer Taschenwärmer.
(F auf der 26-teiligen Renfield-Rezensions-Skala)
P.S: Überlege, ob ich mir das süße große Kaninchen im Inlay nicht als Tattoo-Motiv klaue. Aber dann erkennt eventuell jemand, dass das von eurer Platte ist und hält mich für den Die-hard-AngoraClub-Fan. Das wäre schmeichelhaft, aber trotz Sympathie nicht ganz der Fall.
Gary Flanell
Angora Club - Hasenangst ist im Mai 2020 auf Kidnap Music erschienen.
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