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Donnerstag, 28. August 2025
Schön, wenn Egg bene dict Pt. OxO
DIE LIGA DER GEWÖHNLICHEN GENTLEMEN - EGG BENEDICT
Das 2025-Album der unterhaltsamsten Swinging-60ies-Indie-Soul-Pop-Retro-Vintage-Ska-all-das-und-mehr-Band des Landes. Schon der Titel klingt spitze. Ich habe keine Idee, was das sein soll, das könnte ich natürlich googlen, aber das wäre ja... schnöde.
Meine Überlegungen gehen in Richtung eines seltsamen Mixgetränks.
Ich hatte mal ein Buch mit Punschrezepten, darin gab es eine Anleitung für Kaiserpunsch, der mit rohem Ei zubreitet wurde. Puh. Ähnlich seltsam stelle ich mir Egg Benedict vor. Habe nun doch gegoogelt. Eigentlich Ei auf Brötchen mit was dazu. Sieht entgegen meiner Erwartungen recht appetitlich aus. Also, ich nehm's. Gibt's Maggi dazu?
Was ich auch gerne zu mir nehme, seit Monaten schon und über die Gehörgänge, ist das gleichnamige Album der LIGA DER GEWÖHNLICHEN GENTLEMEN. Läuft hier schon seit geraumer Zeit sehr oft und sehr oft komplett durch, oft als Soundtrack zu ischiasbedingter Morgengymnastik. Ich kenne sie mittlerweile sehr gut, die Songs auf der Platte.
Perfekt für ein paar Dehnungsübungen im Stehen geht es flott los: Zunächst der knackige Opener und Sofort-Mitschwing-Befehl aus dem Liga-Hauptquartier "Es ist immer Sommer irgendwo", gefolgt vom großartigen Disco-Smasher "Song für die ALU" - einer der wenigen aktuellen Pro-Gewerkschafts-Songs. Denke gerade daran, dass es ja in den 70er- und 80ern sehr viele Songs über die Relevanz der Gewerkschaften gibt. Mit Solidarität und so. Sowas macht eigentlich keiner mehr, oder? Wo ist denn das alles hin? Wird in Gewerkschaften nicht mehr gesungen? Ich befürchte, falls ja, dann nur der alte Traditions-Schmonzes. Aber weiter...
"Picknick auf Schloß Mühlenhof" ist nicht ganz mein Favorit, beschreibt halt eine lustige Landparty mit Frühschoppencharakter. Das ist mir ein bißchen zu sehr Alt-Herren-Art, aber textlich durchaus gewitzt. Dem folgt "Es ist Frühling" - ein leicht sehnsüchtig-nachdenklicher Indie-Pop-Schieber. Schön, und mit gewisser Melancholie. Kann ich gut mitgehen. Mache dazu eine seltsame Dehnübung mit abgeknicktem Unterschenkel.
Zur anschließenden Streckung der Muskeln im Schneidersitz dann "Sonniges Süd Schwabing" - luftiges Instrumental mit ordentlich Pfiff und Filmsamples von Werner Enke, vermute ich mal. Für dieses "Zur Sache Schätzchen"-60ies-München hatte die Liga eh immer schon ein Faible.
Dann der Hit des Albums, nein eigentlich der Opener zu einer ganzen Strecke von Hits des Albums - "Wenn du ein Problem hast". Geht erstmal los mit einer guten Geschichte und bietet dann: die finale Lösung all deiner Probleme! Verrate sie hier natürlich nicht, hör's dir einfach an. So muss man's einfach machen. Schön, wenn Songs zu Alltagshelfern werden.
Weiter im Eier-Album. Nächster Song, nächster Hit ist "Ich geh lieber allein" - diese ganze "You'll never walk alone"-Fußball-wir-stehen-alle-Zusammen-Atmo wird hier amüsant auseinandergenommen. Perspektivwechsel im deutschen Indie-Pop kann so gut sein und wird hier zum Hohelied des individuellen Voranschreitens. Macht zuweilen Sinn. Davon ausgehend ist die Wahlmöglichkeit zu haben, alleine ODER mit der Gruppe zu gehen, dann vielleicht das höchste Privileg. Sage ich als angehender Spaziergangswissenschaftler.
Befinde mich auf der Zielgerade der morgendliche Übungen - zum Abschuß eine Plank, eine Minute schaffe ich sicher. Dazu brauche ich einen entspannten Soundtrack, also passt "Ist Gunther da?" als schunkeliger Slow-Ska-Grower genau richtig. Inhaltlich ein wunderbare Mini-Alltagsszene (Ich schließ das Fahrrad an und hab einen Song im Kopf), jamaikanisch beinflusst vertont. Soche Daily-life-Miniaturen konnte die LIGA schon immer gut. So auch hier. I like.
Jetzt abschließend ins Ruhebad: "Paare vorm Kino" ist einer von diese charmanten LIGA-Pop-Songs, die auf Alltagsbeobachtungen beruhen und daraus eine hübsche romantische Geschichte entspinnen. Das ist chanson-, fast schon schlager-artig schön. Ganz ohne leichte Grauwolke geht es aber auch hier nicht ab, denn nach dem Kino muss man fix nach Haus, weil es morgen um 5 wieder wieder zur Schicht geht. Somit auch hier wieder die Referenz zur Working class, die sich auch immer wieder in den Lyrics von DLGDGG findet, war ja auch schon bei SUPERPUNK so. Diese Anspielungen auf das unprivilegierte Leben der arbeitenden Schicht ist gut, weil sie dir eben nicht zu sehr ins Gesicht gespuckt werden. Leider etwas unrealistisch, denn wer morgens um fuckin' 5 Uhr auf Arbeit sein muss, wird am Abend vorher sicher nicht ins Kino gehen. Aber ansonsten sehr schön.
Vorletzter Song und damit fast der krönende Abschluß (auch weil hier Andreas Dorau als Gastsänger am Start ist) wäre dann "Hedy Lamarrs siebter Mann". Auch das ein Hit, der live ebenso gut ankommen wird, wie die drei vorherigen Songs der Platte. Hedy wer? Leider etwas vergessen, die Frau Lamarr, aber sicher bin ich nicht der einzige, der nach diesem Tribute mal ihren Wikipedia-Eintrag gelesen hat. Interessante Lebensgeschichte. Wäre davon ab auch ein guter Name für ein Beiserl: Café Lamarr, oh I like!
Von dort könnte man gleich für einen Absacker rüber ins "Chez Delmonico" gehen, zufällig auch der Titel des Instrumentals, mit dem "Egg Benedict" schließt. Auch wieder subtile Ska-Rhythmik, dazu angenehme CARDIGANS-artige Easy-Listening-Sounds. Genau richtig, um die Gymnastik zu beenden.
Gary Flanell
P.S.: Memo für mich selbst: Mit der LIGA ein Interview machen. Nur übers Wetter reden. Kommt in den Lyrics ja oft vor. Also warum?
"EGG BENEDICT" von DIE LIGA DER GEWÖHNLICHEN GENTLEMEN ist 2025 auf Tapete Records erschienen.
Donnerstag, 14. August 2025
Schön, wenn' s noch disst Pt. R.A.P.
Rafael Schlauch: Battlerap
Real Talk: Für Battlerap habe ich aufgehört mich zu interessieren, als mein Juice-Abo auslief. Um die Zeit wurde noch überwiegend free gestylt, und es regierten nach meiner Erinnerung Royal Bunker-Typen in Lederjacken, zwischen die sich als Schiedsrichter nur Verrückte wie Staiger wagten: Kool Savas, M.O.R., Taktlo$, Morlock Dilemma, solche Kaliber halt. Das war irgendwie ganz lustig, aber auch eine ständige Wiederkehr des Immergleichen, und seit ich mal dabei war, als eine ohnehin schon fade Battle im Kato mehrfach in Keilereien ausuferte, wusste ich besseres mit meiner Zeit anzufangen und hab das Thema vergesssen.
Dass ich damals nur die Steinzeit des Battlerap miterlebt habe und sich seitdem allerhand getan hat, weiß ich nun aus dem Buch „Battlerap“ von Rafael Schlauch, der unter dem Namen Papi Schlauch selbst in der Disziplin written a capella unterwegs ist – also ohne Beat vom Plattenspieler und zuhause vorverfasst und auswendig gelernt! Diese Sparte hat die Freestyles von damals weitgehend abgelöst und damit komplexere Möglichkeiten der Beleidigung eröffnet, obwohl Schlagfertigkeit und Spontaneität weiterhin essentiell sind. Das hat möglicherweise mit der Battle-Sequenz im Eminem-Film „8 Mile“ zu tun, die auch für die deutsche Szene neue Standards setzte. Auch Schmauchs Faszination für die „Kunst der Beleidigung“ wurde durch „8 Mile“ geweckt, und so ließ er sich (ausgerechnet!) von seiner Mutter zur ersten Battle in Frankfurt a.M. fahren. Hier beginnt seine sehr persönlicher Bericht über die jüngere Geschichte des deutschen Battlerap, so wie er sie miterlebt hat.
Um die amerikanischen Wurzeln, die nicht zuletzt zu einer komplett englischen Terminologie führten, hält er sich nicht lange auf – Begriffe wie punchline, angle, rebuttal oder choke werden in einem Glossar bündig erklärt und sorgen gleichzeitig dafür, dass der Text sich teilweise wie der Bericht eines begeisterten Sportreporters klingt. So bietet die Lektüre keine umfassende Darstellung des Themas, sondern vor allem eine mit analytischen Passagen durchsetzte, subjektive Geschichte. Die erzählt Schmauch aber flott und mit der Leidenschaft eines Aktiven. Und nachdem ich zuerst nicht geglaubt habe, dass ich das Buch durchlesen würde, war ich selbst bald fasziniert.
Dass der langjährige Battle Host Ben Salomon 2018 das Handtuch warf, weil er den Antisemitismus in der Szene nicht mehr ertragen hat, habe ich noch mitbekommen und vermutlich so was gedacht wie: „Tja.“ Ich wusste aber nicht dass die Szene nicht zuletzt auf Salomons Initiative mit den Handgreiflichkeiten aufgehört hat und begonnen hat, Standards wie Homophobie, Sexismus, Antisemitismus und Rassismus zumindest teilweise Abstand zu nehmen.
Der Disput wurde dabei stets auf offener Bühne ausgetragen - sowie in anschließenden Interviews, Kommentarespalten und Reaction Video – und ist noch lange nicht abgeschlossen. Dem fügt Schauch selbst hinzu, dass Mutter-Verse, N*Wort und Vergewaltigungs-Fantasien auch deswegen auf dem Rückzug sind, weil sie einfach alt und abgenutzt sind. Denn auch das wusste ich vorher nicht: Dass sich die Kontrahenten der main matches oft monatelang auf die Gegner vorbereiten und bei der Suche nach einer Schwachstelle Insta-Profile, Interviews und alte Battles studieren oder auch mal auf deren Arbeitsstelle auftauchen. Alles für eine verbale Tracht-Prügel, die mittlerweile aber eher den Charakter von Moralpredigten oder mittlerweile sogar – noch erniedrigender – gut gemeintem Coaching von ganz oben herab annehmen.
Da die Gagen für eine Profi-Karriere nicht ausreichen haben alle Aktiven einen Beruf oder studieren, was – wie übrigens auch Tik Tok - enorme Angriffsflächen freilegt. Der von Ben Salomon eingeführte Kunstgriff der „Kunstfigur“, der verhindern sollte, dass die Kontrahenten die Dinge zu persönlich nehmen, ist längst wieder obsolet. Heute gibt’s dafür zwar nicht mehr paar aufs Maul, dafür wird deine komplette Biografien seziert und gegen dich verwendet. Einige Talente versuchen mit einem Labelvertrag einen Schritt in die Musikproduktion – die Resultate werden von ihren schadenfrohen Kontrahenten zuverlässig zerfetzt.
Und obwohl Humor eine der schärfsten Waffen ist, unterscheiden sich die written battles von der comedy, denn während Witzeerzähler ihr timing auf der Bühne über Monate zum idealen Witz zurechtschleifen, sind die Zeilen einer written battle nach einmaligem Gebrauch verbrannt. Niemand kann es sich in der Konkurrenz erlauben, sich zu wiederholen – das besorgen schon deine Gegner für dich. All das schildert Schmauch flüssig und verständlich anhand von Textbeispielen. Allerdings nimmt er es bei seinen Analyse gerne genau: Er markiert die Reime (was bei den Freiheiten, die sich die jungen Leute reimtechnisch so nehmen auch angebracht ist), erklärt sie sicherheitshalber noch mal, bevor er sie ins größere Ganze einordnet. Diese didaktischen Dreisprünge lesen sich aber schnell weg und passen zu seiner Bühnenfigur, die die Rolle des studierten Nerds kultiviert und die angesichts einer mittlerweile noch intellektuelleren und moralinsaureren Generation schon wieder alt aussieht. Die werden ihm sein Buch in künftigen Battles ordentlich um die Ohren hauen.
Mich jedenfalls hat „Battlerap“ inspiriert, an Sonntagen statt alter Saturday Night Life- und Key&Peele-Sketchen alte und mittlerweile auch aktuelle Battles zu schauen. Ich hab mich lange nicht mehr so gut amüsiert. Vielleicht, weil es in diesem Format keine Profis und kaum kommerziellen Schnickschnack gibt, Gegner sich mitunter die Siegesgagen teilen und aufm Weg zur Battle Fahrgemeinschaften bilden, HipHop also noch einigermaßen bei sich ist. Typen wie Ssynic, Yarambo, Nedal Nib oder Mikesch haben jetzt ein Gesicht für mich, und gegenwärtig mischt eine gewisse Lucky Lily den Jungsclub ziemlich systematisch auf. Macht euch Popcorn und probiert’s aus auf den von Papi Schlauch empfohlenen Plattformen wie DLTLLY (Don’t Let The Label Label You), Top Tier Takeover oder Future of Battlerap, es lohnt sich. Sein Buch liefert dazu eine gute Einführung.
Eric Mandel
Battlerap von Rafael Schlauch ist im Ventil Verlag erschienen, hat 246 Seiten und kostet 22,- €
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