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Donnerstag, 14. August 2025
Schön, wenn' s noch disst Pt. R.A.P.
Rafael Schlauch: Battlerap
Real Talk: Für Battlerap habe ich aufgehört mich zu interessieren, als mein Juice-Abo auslief. Um die Zeit wurde noch überwiegend free gestylt, und es regierten nach meiner Erinnerung Royal Bunker-Typen in Lederjacken, zwischen die sich als Schiedsrichter nur Verrückte wie Staiger wagten: Kool Savas, M.O.R., Taktlo$, Morlock Dilemma, solche Kaliber halt. Das war irgendwie ganz lustig, aber auch eine ständige Wiederkehr des Immergleichen, und seit ich mal dabei war, als eine ohnehin schon fade Battle im Kato mehrfach in Keilereien ausuferte, wusste ich besseres mit meiner Zeit anzufangen und hab das Thema vergesssen.
Dass ich damals nur die Steinzeit des Battlerap miterlebt habe und sich seitdem allerhand getan hat, weiß ich nun aus dem Buch „Battlerap“ von Rafael Schlauch, der unter dem Namen Papi Schlauch selbst in der Disziplin written a capella unterwegs ist – also ohne Beat vom Plattenspieler und zuhause vorverfasst und auswendig gelernt! Diese Sparte hat die Freestyles von damals weitgehend abgelöst und damit komplexere Möglichkeiten der Beleidigung eröffnet, obwohl Schlagfertigkeit und Spontaneität weiterhin essentiell sind. Das hat möglicherweise mit der Battle-Sequenz im Eminem-Film „8 Mile“ zu tun, die auch für die deutsche Szene neue Standards setzte. Auch Schmauchs Faszination für die „Kunst der Beleidigung“ wurde durch „8 Mile“ geweckt, und so ließ er sich (ausgerechnet!) von seiner Mutter zur ersten Battle in Frankfurt a.M. fahren. Hier beginnt seine sehr persönlicher Bericht über die jüngere Geschichte des deutschen Battlerap, so wie er sie miterlebt hat.
Um die amerikanischen Wurzeln, die nicht zuletzt zu einer komplett englischen Terminologie führten, hält er sich nicht lange auf – Begriffe wie punchline, angle, rebuttal oder choke werden in einem Glossar bündig erklärt und sorgen gleichzeitig dafür, dass der Text sich teilweise wie der Bericht eines begeisterten Sportreporters klingt. So bietet die Lektüre keine umfassende Darstellung des Themas, sondern vor allem eine mit analytischen Passagen durchsetzte, subjektive Geschichte. Die erzählt Schmauch aber flott und mit der Leidenschaft eines Aktiven. Und nachdem ich zuerst nicht geglaubt habe, dass ich das Buch durchlesen würde, war ich selbst bald fasziniert.
Dass der langjährige Battle Host Ben Salomon 2018 das Handtuch warf, weil er den Antisemitismus in der Szene nicht mehr ertragen hat, habe ich noch mitbekommen und vermutlich so was gedacht wie: „Tja.“ Ich wusste aber nicht dass die Szene nicht zuletzt auf Salomons Initiative mit den Handgreiflichkeiten aufgehört hat und begonnen hat, Standards wie Homophobie, Sexismus, Antisemitismus und Rassismus zumindest teilweise Abstand zu nehmen.
Der Disput wurde dabei stets auf offener Bühne ausgetragen - sowie in anschließenden Interviews, Kommentarespalten und Reaction Video – und ist noch lange nicht abgeschlossen. Dem fügt Schauch selbst hinzu, dass Mutter-Verse, N*Wort und Vergewaltigungs-Fantasien auch deswegen auf dem Rückzug sind, weil sie einfach alt und abgenutzt sind. Denn auch das wusste ich vorher nicht: Dass sich die Kontrahenten der main matches oft monatelang auf die Gegner vorbereiten und bei der Suche nach einer Schwachstelle Insta-Profile, Interviews und alte Battles studieren oder auch mal auf deren Arbeitsstelle auftauchen. Alles für eine verbale Tracht-Prügel, die mittlerweile aber eher den Charakter von Moralpredigten oder mittlerweile sogar – noch erniedrigender – gut gemeintem Coaching von ganz oben herab annehmen.
Da die Gagen für eine Profi-Karriere nicht ausreichen haben alle Aktiven einen Beruf oder studieren, was – wie übrigens auch Tik Tok - enorme Angriffsflächen freilegt. Der von Ben Salomon eingeführte Kunstgriff der „Kunstfigur“, der verhindern sollte, dass die Kontrahenten die Dinge zu persönlich nehmen, ist längst wieder obsolet. Heute gibt’s dafür zwar nicht mehr paar aufs Maul, dafür wird deine komplette Biografien seziert und gegen dich verwendet. Einige Talente versuchen mit einem Labelvertrag einen Schritt in die Musikproduktion – die Resultate werden von ihren schadenfrohen Kontrahenten zuverlässig zerfetzt.
Und obwohl Humor eine der schärfsten Waffen ist, unterscheiden sich die written battles von der comedy, denn während Witzeerzähler ihr timing auf der Bühne über Monate zum idealen Witz zurechtschleifen, sind die Zeilen einer written battle nach einmaligem Gebrauch verbrannt. Niemand kann es sich in der Konkurrenz erlauben, sich zu wiederholen – das besorgen schon deine Gegner für dich. All das schildert Schmauch flüssig und verständlich anhand von Textbeispielen. Allerdings nimmt er es bei seinen Analyse gerne genau: Er markiert die Reime (was bei den Freiheiten, die sich die jungen Leute reimtechnisch so nehmen auch angebracht ist), erklärt sie sicherheitshalber noch mal, bevor er sie ins größere Ganze einordnet. Diese didaktischen Dreisprünge lesen sich aber schnell weg und passen zu seiner Bühnenfigur, die die Rolle des studierten Nerds kultiviert und die angesichts einer mittlerweile noch intellektuelleren und moralinsaureren Generation schon wieder alt aussieht. Die werden ihm sein Buch in künftigen Battles ordentlich um die Ohren hauen.
Mich jedenfalls hat „Battlerap“ inspiriert, an Sonntagen statt alter Saturday Night Life- und Key&Peele-Sketchen alte und mittlerweile auch aktuelle Battles zu schauen. Ich hab mich lange nicht mehr so gut amüsiert. Vielleicht, weil es in diesem Format keine Profis und kaum kommerziellen Schnickschnack gibt, Gegner sich mitunter die Siegesgagen teilen und aufm Weg zur Battle Fahrgemeinschaften bilden, HipHop also noch einigermaßen bei sich ist. Typen wie Ssynic, Yarambo, Nedal Nib oder Mikesch haben jetzt ein Gesicht für mich, und gegenwärtig mischt eine gewisse Lucky Lily den Jungsclub ziemlich systematisch auf. Macht euch Popcorn und probiert’s aus auf den von Papi Schlauch empfohlenen Plattformen wie DLTLLY (Don’t Let The Label Label You), Top Tier Takeover oder Future of Battlerap, es lohnt sich. Sein Buch liefert dazu eine gute Einführung.
Eric Mandel
Battlerap von Rafael Schlauch ist im Ventil Verlag erschienen, hat 246 Seiten und kostet 22,- €
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