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Mittwoch, 25. Oktober 2023

Die Skizzen von Kurosawa


Seit etwa 12 Jahren wohne ich nun in Deutschland. Mal hier, mal da, aber über die Hälfte davon und mit Unterbrechungen in Berlin. Dennoch gibt es Tage, wo ich das Gefühl habe hier überhaupt nicht her zu gehören. Dank ein running-gag von mein Vater war ich mir schon sehr früh von POTUS nummer 35, JFK, und sein Position zum Berliner-Sein bewusst.
Wenn ein Typ der nicht mal in Berlin gewohnt hat sich ein Berliner nennen kann, warum sollte ich das dann nicht?

Aber als ich mich an einen letzten Juni-Tag ein kleines Arbeitspäuschen nehme und durch die Straßen von Kreuzberg spaziere, merke ich wie sich doch ein gewisses Gefühl langsam breit macht.
Ist es die Sonne, die nur so halbherzig durch grauen Wolken scheint aber doch den Fernsehturm glänzen lässt? Ist es das typische Niederländische Ehepaar was sich über die Preis von Brötchen beschwert und von den ich mich dringend mental distanzieren möchte?
In meine weite, etwas schlabberige Hosen, mit Sandalen an den Füßen und eine Club-Mate, latsche ich zu der Comic Laden in Arbeitsnähe auf der suche One-Shots, Independent-Comics und Artbooks, und das Gefühl wird größer und größer.

All das hat daran beigetragen, dass die unsterblichen Wörter von John Fitzgerald „Jack“ Kennedy voller Stolz und Gusto durch mein Kopf schießen, als wäre ich 26. Juni 1963 da gewesen:

„Ich denke, ich bin heute gefühlt dann vielleicht doch schon ein bisschen ein Berliner glaube ich.“

Mit diesem starken Gefühl der örtlichen Zugehörigkeit mach ich mich 60 Jahren und 3 Tagen später weiter auf den Weg nach den Comic Laden Modern Graphics. Bevor ich reingehe schaue ich neugierig ins Schaufenster und da steht es ja auch schon. Zwischen jede Menge größere und buntere Buchen sehe ich ein kleines, schlichteres Büchlein mit den Wörter „Akira Kurosawa“. Hat einer der wichtigste Filmmachern der Welt auch mal gezeichnet?
Das Cover, ein bisschen versteckt hinter den größeren Bücher drum herum, zeigt neben der Name des Direktors süße kleine Samurai Kritzeleien und ein großen Frosch, letzteren in einen typisch Japanischen Tuschen-Stil.

Die Idee, dass so ein Meister der Filmwelt auch ausreichend kleine Kritzeleien gemacht und gesammelt hat für ein Band, fasziniert mich.
Bestimmt ist Herr Kurosawa eines Tages, irgendwo zwischen Rashomon (1950) und Madadayo (1993) aufgestanden, hat sich ne Kippe angezündet, lamentiert das Toho ihm noch immer kein Godzilla Film drehen lässt und sich aus der Frust ans Zeichnen gesetzt hat.



Oder vielleicht würden die ganzen Skizzen und Zeichnungen von seine Enkelkinder auf den Dachboden gefunden. Voller Staub und Spinnenwebern waren sie, und die Enkelkinder haben sie liebevoll saubergemacht für die Nachwelt und ihren Portmonee.

So oder so, mir war ziemlich klar das ich es haben wollte. Doch das Buch steht im Schaufenster. Das darf man doch nicht einfach so nehmen, oder? Ich stöbere der Anstand halber noch etwas durch den Laden. Hatte ich sowieso vor, aber statt dabei nur entspannt ohne viel zu denken die viele Bücher und Comics und Merchandise anzugucken, denke ich ständig an das Kurosawa Buch.

Enfin, nach den ganzen Laden beachtet zu haben entscheide ich mir ein weiteren Comic zu genehmigen. In Junji Itos Cat Diary: Yon & Mu kauft die Verlobte von Horror Mangaka Junji Ito zwei Kätzchen. Die Geschichten sind sehr Süß und witzig, weil Katzen. Sie sind auch fürchterlich grotesk und düster gezeichnet, weil Junji Ito.

Und dann, dann tue ich es einfach: Ich grapsche das Kurosawa Buch im Schaufenster. Die Legalität dieser Aktion ist mir noch immer ein Rätsel, also kündige ich sofort an bei der Kasse, dass ich diesem eingeschweißten Buch mit meine dreckige kleine Finger wie ein Krimineller zu mir genommen habe um es zu kaufen. Voll okay, anscheinend.
Ob ich ein Kassenzettel will? Eigentlich immer. Heute aber irgendwie nicht. Den Junji Ito comic habe ich durchgeblättert und kannte ich schon. Das Kurosawa Band ist sogar noch in Folie, und ob perfekt oder bloß gut, ich kann mir nicht vorstellen das es mir nicht gefallen wurde.
„Nö, recht herzlichen dank“, sage ich mit ein Lächeln und wünsche den Verkäufer ein wunderschönen Tag. Dadurch wirke ich natürlich nochmal so extra wie ein wasch-echter Berliner.

Das Buch heißt im ganzen: „Akira Kurosawa und der meditierender Frosch“. Auf der Rückseite eine Abwanderung einer der weltweit Bekanntesten Haikus, über ein Frosch der so von „plumps“ im Teich springt. Unter den schelmischen Frosch steht Reprodukt. Neben Akira Kurosawa steht, an einer etwas verlorene Stelle, das Wort „Mahler“.

„Aha, weil er ja gemalt hat“, denke ich mir, und realisiere den Fehler den du jetzt bestimmt schon siehst sehr langsam. Denn trotz meine 12 Jahren Erfahrung mit den Uhreinwohnern dieses Landes habe ich gelegentlich noch meine Schwierigkeiten. Umlaute? Die verteile ich nach Gutdünken wie Gewürze über meine Sätze. Die ganze Fälle? Gar nicht erst mit Anfangen die zu lernen.

Es fängt an mit ein Comic-Adaption von Tagebuch eintrage einer Österreichischen Autor. Ungewöhnlich, aber eigentlich spannend. Und passend auch, denn es geht darüber wie schön es ist Geschichten zu erfinden aber wie anstrengend es manchmal ist diesen dann zu verwirklichen als, in diesem Fall, eine Bühnenproduktion. Die darauffolgende Comics irritieren dann schon etwas mehr. Ein Charakter spricht mit Österreichischen Akzent, es geht um sehr spezifische Ereignisse in der Deutschsprachige-Comicwelt und so werde ich mir so langsam von meinem Fehler bewusst.

„Mahlen“ und „malen“. Vor etwa 9 Jahre habe ich diesen Fehler schon mal gemacht. Vorher und seitdem garantiert auch, aber da ist es noch mal ein Ding gewesen. Wie hätte es auch kein Ding sein können, den „Insekten mahlen macht mir Spaß“ kann man verständlicherweise nicht einfach so stehen lassen.

Ich seufze. Kennedy und mein Vater düsen gemeinsam mit dem Auto nach Dallas und aus meine Gedanken raus um Platz zu machen für die Stimme meiner Mutter:

„Ein Lernmoment.“

Ich nehme es hin. Ich akzeptiere es. Ich war impulsiv und der Preis dafür ist anscheinend €16,-. Resigniert Blätter ich durch den Comic.
Der Autor, Nicolas Mahler, ist mittlerweile in Japan gelandet und eröffnet eine Ausstellung zu seine Werken in einem Manga-Museum. Später sehen Leser*innen die klassische japanischen Tuschbilder, von Mahler als Maler nachgemalt. Auch der frecher Frosch vom Cover ist dabei. Es kommt ein bisschen Wut hoch. Wütend bin ich sehr selten. Ausrasten weil ich mir von ein Person unfair behandelt fühle und kein andere Verteidigung sehe passiert auch kaum.

Anfänglich galt mein Wut nur das Marketingteam von Reprodukt: Lumpengesindel das ein so groß möglichen Publikum erreichen will anstatt dafür zu sorgen, dass hauptsächlich die richtige Zielgruppe den Comic kauft.
Indem man zum Beispiel den Namen des Autors nicht massiv viel kleiner schreibt als den Namen eines viel bekannteren Menschen, idealerweise vor einem lebensgroßen Frosch welchen in einem Komplett anderen Zeichen-Stil als der Rest des Comics. Ach, und mit 2 kleine süße Samurai, die nur auf 1/4 der Seiten eine Rolle spielen. Doch es stellt sich heraus, auch Herr Mahler ist in dieser Nummer nicht unschuldig.



Auf Seite 114 entschuldigt sich der Autor bei diejenige Leser*innen, denen das Buch gekauft haben weil sie dachten, es wäre Material von Akira Kurosawa. Zum Ausgleich bietet er Trivia an, gefühlt direkt aus'm Wikipedia-Artikel. Noch wie war ich so sauer auf A5 Papier.
Bestimmt sind die Comics ganz gut, vor allem wenn man sich dafür interessiert selber hauptberuflich (Comic)-Autor*in zu werden in einer der D-A-CH Länder.
Diejenige Geschichten in welchen der Autor von Begegnungen mit anderen interessante Autor*innen oder Künstler*innen fand ich am meisten Unterhaltsam, aber alles wo das Natterngezücht von Reprodukt primär über sich selbst oder seine Gedanken schreibt, da war ich aus unterschiedlichen Gründen raus.

Denn in die ewige Wörter von John Fitzgerald Kurosawa, einstiger Daimyo von Berlin:

Ein Tropfen fällt
Schaut, das Gefäß ist randvoll
Die Erbitterung

Bernard Fruithagel

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