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Donnerstag, 7. November 2024

Schön, wenn in Australien noch Musik gemacht wird Pt. IXU


AMYL & THE SNIFFERS - CARTON DARKNESS

"Zehn Minuten", sagt Gary. "Stell dir am besten die Uhr. Und wenn der Alarm bimmelt..." Was einmal klappt, klappt sicherlich auch ein zweites Mal. Und vielleicht dann nochmal und nochmal, bis einigermaßen sicher ist, dass es wohl immer klappt. Sicherheit rules. Sehr erleichternd.

Denn: ich bin belastet. Habe Fragen und brauche Beruhigung. Was ist passiert?!

Rückblende.
"Kylie kommt!" Yeah, nix wie hin! Ach verdammt, das dauert ja noch eine Ewigkeit. Egal, die Vorfreude ist auch schon prima. Huch! Wasn das derweil? Andere weiblich-dominierte Musik, zwar nur aus der Konserve, aber warum auch nicht. Mal höan. Und seit dem dritten Durchlauf war sie dann da, die Belastung.

Hype. Hyper! Amy!!!
Gefühlt (oder tatsächlich?) selbst die Hörzu huldigt von jetzt auf gleich Amyl. Jeder mit so was wie Augen dürfte inzwischen eine ziemlich konkrete Ahnung von der Zunge der blonden Frau und eine etwas weniger konkrete von ihren mal gepixelten, mal mit Sternchen oder Smilies kaschierten Brüsten haben und glauben, genau so lustig gehts in Trailerparks downunder zu.

MTV 2.0, Bild mit/ statt Ton. Allein das genug Grund für Skepsis und Abwehr. Alle sind sich einig?! Das ist doch ein Trick, da will irgendwer reinlegen und fuschen! Oder sind das gar nicht Mark T. und sein Kumpel Mark E. Ting? Oder aber alles völlig zurecht geilomatisiert und wieder einmal nur von mir verpasst und durch Angst vor Auflauf und Uniform versäumt? Es ist alles verwirrend und irgendwie dadurch unangenehm.

Überhaupt - Australien. Australien! Wieso ist Australien plötzlich relevant? Crocodile Dundee, Aborigines, giftige Tiere, Hautkrebsgefahr, und weiter? Die meisten wollen mal hin, und niemand war je da, kennt aber dennoch den Refrain von Beds are burning und kann tanzen wie Peter Garrett. Und weiter?

Midtemporotzrock also mit teilweise motorschmierefettiger Nervgitarre und schön rummsiger Rhythmusabteilung, alles in plattformfähiger, gebügelter und gefalteter Soundqualität. Und eben die Zungenbrustdame, die annähernd akzentfrei schnörkelfreie Texte von Wichsen, Szenen einer Ehe, erzürnendem oder ängstigendem Weltgeschehen und einigem möglichen anderen singt und sich dabei stimmlich an allem bedient, was Frontfrau in den letzten drei Jahrzehnten schon mal angeboten hat.
Ab besagtem Durchlauf #3 wirds tatsächlich schön eingängig und nahezu super zum Fahrradfahren, beim Schwitzen und Posieren im Fitnessstudio oder ebendabei auf einem via Eventim völlig ausverkauften Konzert. Und weiter?!

Die zehn Minuten sind annähernd vorbei, und ich weiß nicht weiter. Vielleicht es einfach als ein Phänomen nehmen, Kommen und wieder Gehen oder nötigenfalls auch Bleiben, Eiffel65, Helene Fischer oder Courtney Love halt, nur in einer anderen kulturellen Nische oder eben Nicht-Nische, sondern größer und überaller.

Oder aber:

Vorblende. "Kylie kommt!" Die ist auch Australierin, wohl eher noch MTV 1.0, und die funktioniert nach den knapp hundert Jahren Anwesenheit in diesem irritierenden Showgedöns so ziemlich von selbst und ohne inszenierte Massenhysterie. Ich froi mich! Und fühle mich gerade richtig frei und runtergeatmet.

Philipp Nussbaum Amyl & The Sniffers Album "Cartoon Darkness" ist am 25.10.2024 auf Rough Trade Records erschienen