Dieses Blog durchsuchen

Donnerstag, 5. September 2019

Go to hell then turn left

Lebenszeichen aus Südwest. Keine Split-Soli-Single von Annegret Kramp-Karrenbauer und Markus Söder für Extinction Revolution, leider. Aber ein neues Spermbirds-Album. Titel: siehe Betreff dieses Beitrags.
Guter Titel, passt zu dem, was von den Spermbirds zu erwarten ist.
Versuche, diese Rezension zu schreiben, ohne Floskeln wie "HC-Legende", "Szeneveteranen", "Spermvögel" oder "Ikonen", "gewohnt gute Lyrics" zu verwenden. Es wird gelingen.
Platte gerade gehört, während ich die Wohnung putze. Das funktioniert gut. Ist eine Platte, die anregt, die zum Aktiv werden aktiviert. Liegt sicher am Tempo, an der angenehmen Aggression, die darüber kommt. Haben sie immer noch drauf. Gut so.
Habe beim Putzen überlegt, ob es mal eine Phase gab, in der die Spermbirds richtig scheiße waren. Die gab es. So um 1992-1994 rum, Lee Hollis war weg, dafür kam ein gewisser Ken Haus dazu (was macht der jetzt so eigentlich?) und das, was rauskam, war eine lauwarme Sauce, die so klang, als wolle man mit Gewalt auf den boomenden Rock-HipHop-Crossover-Zug aufspringen. War scheiße.



Dann Auflösung und irgendwann Reunion mit Lee, you know it all, das muss hier nicht wiederholt werden. Seitdem gibt's recht regelmäßig neuen Stoff, alle paar Jahre bringen die Spermbirds eine komplette LP raus und richtig kacke ist keine davon. "Columbus Feeling" war recht mitreißend, und das ist "Go to hell, then turn left" auch. Hübsch neurotisch zwischendurch, das liegt sicher auch am Gesang von Hollis, aber auch an der Routine des jahrzehntelangen Zusammenspiels.

Was mir ein wenig fehlt, aber das ist vielleicht meine Gier nach neuen Klängen geschuldet, ist etwas Abwechslung, ein bißchen Experiment. Einen Moment des bedingungslosen Abfeierns. Den gibt's hier für mich leider nicht, aber wie gesagt, das liegt sicher eher an mir. Das hier ist eben nicht "Common Thread", ich bin nicht 17 und so einen Enthusiasmus kann die neunte LP dann doch nicht abliefern. Aber sonst alles gut, danke. Die Spermbirds spielen einen sehr guten Hardcore-Punk, der immer noch frisch klingt und das muss man nach der Zeit auch mal hinkriegen. So Titel wie "If I only find my pants (someone's gonna die)" auch erstmal.

Das Cover übrigens auch super: Außerirdischer Totenkopf-Spermienangriff auf Mutter Erde. Spermien haben natürlich Schnäbel, wir sind ja bei den Spermbirds. Man darf spekulieren, wer sich beim Zeugungsprozess durchkämpft und was am Ende raus kommt. Frage mich allen Ernstes, wie der Penis aussieht, der diese Spermien ins All ejakuliert hat. Und wessen Penis es ist. Aber das ist ja eine sehr anthropozentrische Perspektive auf einen Befruchtungsprozess. Für Hardcore-Punk-Verhältnisse jedenfalls schon ein fast psychedelischer Ansatz.

Musste beim Hören an das Konzert der Spermbirds mit Youth of Today (also wie alle Konzerterlebnisse kurz nach dem Krieg) vor einige Jahren denken. Da ist mir erst einmal aufgefallen, dass die Band im Vergleich zu Y.o.T. - und sicher auch vielen anderen NYHC-Bands - echt filigran an den Instrumenten ist, ihre Songs gut ausgearbeitet und abwechslungsreich sind.



Ray Cappo und seine Kollegen wirkten dagegen doch eher wie (Achtung, obligatorische Fußballmetapher in einer Punk-Rezension): eine hochmotivierte, aber technisch durchschnittliche Drittliga-Mannschaft, die ihre Sieg durch die reine physische Kraft einfährt und nicht durch technische Finessen. Sie wirkten im Vergleich zu den Spermbirds doch ziemlich... wie soll ich es ausdrücken? Neanderthalesk trifft es ganz gut.

Oh, der Boden ist trocken, ich muss die Möbel wieder richtig hinstellen.

"Go to hell then turn left" bekommt ein solides (F) wie filigraner AWMP (Alte-Weiße-Männer-Punk) auf der 26-teiligen Renfield-Rezensionsskala.

Gary Flanell

Spermbirds - Go to hell, then turn left, erscheint am 13.09.2019 auf Rookie Records.

Dann im Herbst wohl auch auf Tour, Termine finden sich bei FB oder auf der Band-Homepage.

Noch ein Spermbirds-Video verlinken? Well, warum eigentlich nicht?! Aber einen Klassiker in vivo.



1 Kommentar:

  1. Was mir darüber hinaus fehlt, sind Hits. Auf der erwähnten Common Thread sind ausschließlich Hits (Open Letter, Only a Phase, Melt the ice, um mal nur ein paar zu nennen). Dagegen ist doch jetzt die neueste eher ein laues Lüftchen.
    Ich mag Spermbirds immer noch, sind auch nette Typen und ich guck mir die jederzeit live an, aber "Go to hell" ist ein unspektakuläres, eher langweiliges Spätwerk, was zu keiner Zeit an die großen Platten ranreicht.

    Jetzt unabhängig von Spermbirds: HC hat immer durch reine, physische Kraft funktioniert. Wenn dazu noch Finesse kommt, ok, Sahnehäubchen. Aber muss nicht zwangsläufig sein. YOT sind aber schon immer langweilig.

    AntwortenLöschen