Freitag, 22. Oktober 2021

Geile Meckertypen


Die Momente, in denen mir alles am Arsch vorbeigeht, mehren sich fatal. Menschen nerven mich an oder sind mir scheißegal. Ich seh sie kaum noch, nur graue Masse, durch die ich hindurchschlupfe, von einem Termin zum anderen. Das hat nichts mit Herbst zu tun, obwohl der auch scheiße ist. Herbst ist scheißer als Winter, Winter ist scheißer als Frühling Frühlng ist ok. Sommer auch ok. Ich will immer Sommer. Aber keine Klimakatastrophe.

Hier auf dem Blog war ich einige Jahreszeiten lang nicht mehr. Tja, so ist das im Leben der arbeitenden Menschen - Zeit für Muße und gesellschaftlich verachtetes Nichts-Tun ist nicht mehr. Nicht mal Zeit für einen kleinen Blogtext. Warum? Weil dich die Erschöpfung und die Geschwindigkeit, die die Strukturen von dir erwarten, jeden Abend ermattet ins Sofa pressen.

Andererseits... hätte ich jetzt keinen Job, der Tagesstruktur gibt, wäre ich bestimmt nicht hier dabei, einen Text zu schreiben. Ich hoffe, ihr versteht. Wenn nicht, auch egal. Ich war jedenfalls lange nicht mehr hier in meinem kleinen Schreibraum. Kurze Info: Das Renfield-Zine in Printform schläft immer noch. Bringt ja kein Geld. Würde mir das meine Miete zahlen und nicht nur die, dann würde ich eventuell über eine zeitnahe Auferweckung nachdenken. So bleibt der Blog. Und auch der bewegt sich sooft wie ein Grizzly im Winterschlaf beim Pupsen. Eine schöne Musik.
Ich pack hier jetzt mal ein Video von ATOMVULKAN BRITZ rein, sonst sieht das her alles so nach Textwüste aus. Das will ja niemand. Ich jedenfalls nicht. Außerdem ist es ein schönes Video zu einem Song von unserem nächsten Tape.



Ich höre derzeit eigentlich nur digital Musik. Nicht überraschendes am Ende des 21. Jahres am Anfang des 21. Jahrhunderts. Der Verstärker von der Anlage ist kaputt, jetzt für immer. Ich hab keine Zeit, einen neuen zu besorgen oder den alten reparieren zu lassen. Ok, ihr habt es verstanden: Ich habe keine Zeit für nix und irgendwas. Werd's nicht mehr erwähnen. Jedenfalls hör ich deshalb vermehrt digital Musik. Platte ist aber immer noch geiler. Ab und zu schwemmt die Promo-Post Neuigkeiten über neue Platten ins Postfach. Viel deutschsprachiges und ehrlich gesagt: Das meiste ist schrecklich langweilig. Unglaublich öde und doof. Hab ich ein Glück, dass ich drüber nichts schreiben MUSS. Ich könnte schöne beschissene Verrisse schreiben, aber dafür will ich keine Energie aufwenden. Denke eh schon immer negativ, das kostet genug Kraft.

Und gute Musik, ja die gibt es, aber die Faszination über SPELLLING, ALGIERS, ZEAL & ARDOUR und ähnliches, will ich gar nicht teilen. Ich behalte mein Vergnügen für mich, nicht mal Links zu Videos der oben genannten wird es hier geben. Das ist der Tribut ans Informationszeitalter. Keine Information preisgeben, über das, was mich wirklich umtreibt. Ha, da erzähl ich mir ja selber ein Märchen. Meine Spuren im Netz düfte eh überall zu finden sein. Aber in Sachen Musik steh ich auf den Rückzug ins Analoge. Aufs gute alte HörenSagen. Keine Info über das, warum ich was gut finde. Keine tiefe Analyse der guten Platten. Mach dir selber ein Bild.




Was mich zum LUNSEN TRIO bringt. Wollte neulich eine 7inch bei Tapete Records bestellen, weil der Bandname so interessant war. "Nix" hieß die Single. War aber ausverkauft. Hab mir dann das Video angeschaut und war begeistert. Keine Ahnung, was Lunsen sind. Ich hoffe, etwas total unnützes und absurdes. Das Wort erinnert mich an Rumlungern und auch an irgendwas Essbares, das früher mal Kuh war. Ach nee, das waren Kutteln. Schreckliches Zeug. Gabs mal kalt auf einer Party in Polen, direkt aus dem Glas. Schmeckte schrecklich.

Schrecklich ist das LUNSEN TRIO keineswegs. Eher dem wenigen guten Deutschsprachigen zuzurechnen, das ich in letzter Zeit gehört habe. Ich glaub die sind aus Wien, es klingt ein bissl so. Hat so einen leichten VOODOO JÜRGENS-trifft-auf-CHRISTIANE_RÖSINGER-Touch, also Wiener und Berliner Atmo, sowas geht ja immer gut zusammen. Auch ein bißchen wie die letzte Platte von MEKANIK DESTÜKTIV KOMMANDO. Erklären kann ich das nicht. Die Lunsen haben jedenfalls viel Folk und Indie-Rock drin in ihren 69 ways of pubrock, hier und da mal durchaus auch etwas Ska. Also sowas, was Eddie & The Hot Rods Ende der 70er in London auf die Bühnen gebracht haeb. Interesanterweise fällt mr spontan keine andere deutschssprachige Pub Rock-Band ein. Auch deshlab ist das Lunsentrio sehr interessant. Ganz klar ist hier ein großstädtischer Habitus zu erkennen. hier gehts nicht um die Schönheit der entlegenen Natur. Urbane Orte werden gewürdigt, alle Nase lang, ganz klar in dem Gertrudenplatz-Song, die Provinz dagegen gern mal mit Lust zertrümmert, z.B. in der Offenbacher Küchenzerstörung. Gesungen wird schon auf hochdeutsch, dazu hat der Sänger eine schöne meckerige Nöhligkeit. Ich mag das.

Geile Mecker-Typen in zu engen Pullis und altmodischen Brillen sind das. Stelle mir vor, wie dieses Trio an einem pitoresken Springbrunnen (Kreuzberg!) rumhängt, den ganzen Tag. Und da nur meckert, lästert, Menschen beobachtet, Touristen bespuckt, Bier trinkt. Wenn's nötig ist, mal zwei Stunden in den Proberaum geht, um einen neuen Song aufzunehmen. Bezahlt wird das dann natürlich super. Damn, so ein Leben, das wär geil.



Gute Texte sind das auch. Das Nix-Lied ist auch im Album-Kontext ein Knaller. "Die Offenbacher Küchenzerstörung" auch, besonders charmant wegen der kleinen STUNDE X-Referenz. "Gertrudisplatz (OI! The Tresen)" und "Reggae für Paul-Peter Zahl" auch geil. Ganzes gutes Album. Ok, den Titel kann ich auch mal erwähnen. "69 Arten, den Pubrock zu spielen". Und genau das bekommt man. Und ich liebe es, obwohl ich gar nicht mehr ins Pub gehe. Die Gicht und so, ihr wisst schon. Es spielt übrigens auch einer von FRANZ FERDINAND da mit. Macht mit dieser Information, was ihr wollt.

Gary Flanell

C auf der 26-teiligen Renfield-Rezensions-Skala.

"69 Arten den Pubrock zu spielen" vom LUNSEN TRIO erscheint heute, dem 22.Oktober 2021 auf Tapete Records.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen